Stellantis-Boss Carlos Tavares gibt Vollgas
Elektroautos werden billiger als Verbrenner

Der frisch fusionierte Stellantis-Konzern verordnet seinen 14 Marken eine neue Strategie der Rundum-Elektrifizierung. Dabei schaut CEO Carlos Tavares nicht nur auf die CO₂-Grenzwerte, sondern sieht auch ökonomische Vorteile.
Publiziert: 02.01.2022 um 11:14 Uhr
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Aktualisiert: 02.01.2022 um 18:19 Uhr
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Stellantis baut um: Bisher stand die Marke Dodge für brachiale Limousinen und Coupés mit fettem V8 – und den American Way of Drive.
Foto: FCA US LLC
Andreas Faust

Wenn CEO Tim Kunakis seine Marke vorstellt, dann qualmt und stinkt es. Denn Dodge steht für den American Way of Drive, fette Limousinen und Coupés mit 800-PS-V8, für gequälte Pneus und verbrannten Gummi. Aber spricht er über die Zukunft, wirds ganz leise: Denn Brachialstarts und Drifts, die gäbe es künftig auch elektrisch mit einem Power-Stromer von Dodge. «Ab 2024 reissen wir damit die Strasse auf. Aber nicht den Planeten», sagt Kunakis.

Dodge ist Teil von Stellantis, dem diversesten Autokonzern der Welt. Entstanden per Fusion aus dem transatlantischen Riesen Fiat Chrysler Automobiles FCA und dem französischen Feingeist PSA. Von Abarth bis RAM, vom Power-Boliden bis zum Elektro-Cityflitzer, vom Mega-Pickup bis zum italienischen Sportwagen: Gibts alles bei den 14 Marken im Konzern, die bis zum Zusammenschluss je das taten, was zu ihrer Tradition passte.

Elektrifizierung solls richten

Schluss damit, findet Stellantis-CEO Carlos Tavares, und verordnet eine gemeinsame Strategie. Und die heisst Elektrifizierung: Bis 2025 hat jedes Konzernmodell eine elektrische Version – sogar der XL-Pickup RAM 1500 ab 2024. Ab 2030 sollen 70 Prozent der Konzern-Neuwagen in Europa elektrifiziert, also Plug-in-Hybride (PHEV) oder reine Stromer sein. «Wenn die Kunden mitmachen, könnten es aber auch deutlich mehr werden», sagt Tavares. Opel wird zur Vorzeige-Marke und soll schon 2028 rein elektrisch unterwegs sein. Das hilft bei der Abgrenzung zur Schwester Peugeot. Die will ab 2025 nur noch elektrifiziert fahren – dann sei Schluss mit reinen Verbrennern.

Tönt utopisch angesichts 14 Prozent Anteil an Steckerfahrzeugen am europäischen Neuwagenmarkt 2020? Nein, sagt Stellantis-Stratege Thierry Koskas: Global könnten sich 64 Prozent der Autokäufer vorstellen, ein Elektroauto (EV) zu kaufen. Reichweitenangst? Kein Thema, sagt Koskas. Die Batteriekapazitäten künftiger Modelle reichten 80 Prozent der Kleinwagenbesitzer, 90 Prozent in Kompakt- und Mittelklasse und allen Eignern leichter Nutzfahrzeuge.

Stromer holen Verbrenner beim Preis ein

Und der Mehrpreis? Bald vorbei, verspricht Tavares: «Ab 2026 werden Elektroautos preislich gleichauf mit Verbrennern sein.» Und danach günstiger. Benziner und Diesel würden sich wegen sinkenden Stückzahlen und aufwendigen Abgassystemen dank schärferer Grenzwerte verteuern. Und EVs würden günstiger bei wachsenden Stückzahlen und sinkenden Batteriekosten. Die machen rund ein Drittel am Elektroauto-Preis aus.

In den kommenden vier Jahren sollen acht neue EVs im Konzern kommen und auf standardisierter Technologie basieren. Es wird vier Plattformen geben – vom Kleinwagen über Kompakt- und Mittelklasse bis hin zu Sport- und Oberklasse-Wagen und den Geländewagen und Pickups. Die Abmessungen werden sich bis 5,40 Meter Länge und 2,03 Meter Breite skalieren lassen. Die kleinen EVs bekommen Frontantrieb und bis zu 95 PS, die übrigen 170 bis 450 PS und Antrieb vorn, hinten oder per 4x4. Das bringt Marken wie Citroën oder Peugeot, die bisher weniger PS-verliebt waren, in neue Leistungshöhen. Und wohl auch neue Kunden.

Bis zu 800 Kilometer Reichweite

Allen Plattformen gemeinsam sind die Batterien im Unterboden, die modular aufgebaut werden und zwischen 37 und 200 Kilowattstunden (kWh) Kapazität – macht 500 bis 800 Kilometer Reichweite – liefern sollen. Die Kleinwagen-Plattform bleibt aus Kostengründen bei herkömmlicher Lithium-Ionen-Technik; die übrigen Plattformen werden ab 2024 auf eine Chemie ohne das ökologisch umstrittene Kobalt umgestellt. Ab 2026 soll dann eine Festkörper-Batterie folgen. Gleichzeitig sollen die Kosten sinken: um über 40 Prozent bei den Zellen, in gleichem Masse beim Batteriegehäuse und um vier Prozent bei Elektronik zum Management der Batterie. Für die Produktion der Batterien sollen bis 2030 fünf Gigafactories entstehen. Mit der eigenen Batterieproduktion will Tavares volle Kostenkontrolle, maximale Marge und die Unabhängigkeit von Lieferketten sichern.

Im Rahmen der Vorgaben hat jede Marke noch Freiheiten: Bei Dodge dürften V8-Benziner noch ein wenig überleben – vielleicht dann mit künstlichem Synfuel aus CO2 und regenerativem Strom? Jeep dürfte noch lange bei Plug-in-Hybriden bleiben, weil es im Outback ja noch keine Ladesäulen gibt: Entweder mit zusätzlichem Verbrenner oder mit Wasserstoff-Brennstoffzelle, wie es Konkurrent Land Rover plant. Wenn die Kunden es wollen, kann sich Fiat-Chef Olivier François gar schon 2025 eine Fiat-Palette ohne Verbrenner vorstellen. Bis 2024 will er vier Elektro-Modelle lancieren.

Der Gewinn muss dennoch stimmen

Bis 2025 will Tavares rund 30 Milliarden Euro in die Elektrifizierung seines Konzerns investieren. Zum Vergleich: Konkurrent Volkswagen gibt im gleichen Zeitraum rund 35 Milliarden Euro dafür aus. «Aber unser Geld wird effizienter eingesetzt», behauptet Tavares – weil man einen höheren Anteil an Gleichteilen bei Batterie und Antrieb haben werde. Das nach der Fusion befürchtete Streichkonzert bleibt aus – selbst die derzeit scheintote Marke Lancia soll wieder auf Kurs gebracht werden.

Die grösste Herausforderung dürfte im Umbruch aber die Zielvorgabe des margenverliebten Tavares sein: Ab 2026 will er im Konzern zweistellige Prozentwerte verdienen. Für die ehemaligen FCA-Marken werden für 2021 aber nur 7,5 Prozent Gewinnmarge erwartet.

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