Euro 2024, Gruppe F
Alle Spieler von Tschechien im Porträt

Mit diesem Wissen kannst du glänzen: Wer zwei Tage vor dem entscheidenden Quali-Spiel in einen Nachtclub ging und wie Patrik Schick an der letzten EM zum Torschützenkönig wurde. Lerne jeden EM-Spieler der Tschechen besser kennen in den Kurzporträts.
Publiziert: 05.06.2024 um 17:10 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2024 um 11:20 Uhr
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Wie weit schaffen es die Tschechen in diesem Sommer?
Foto: keystone-sda.ch
Martin Vait (Denik Sport) und Matteo Bonomo

In Zusammenarbeit mit der englischen Zeitung «Guardian» und dem renommiertesten Fussballmedium jedes Teilnehmerlandes ist es Blick gelungen, zu jedem Spieler ein Porträt zu erstellen. Erfahre Hintergrundinformationen, persönliche Geschichten und vieles mehr. So bist du bestens vorbereitet auf jede Partie.

Jindrich Stanek

27.04.1996 / Torhüter / Slavia Prag

«Ich hoffe, die Zukunft zeigt, dass ich eine bessere Wahl getroffen habe», rappte er 2013 unter dem Pseudonym Ejay. Ein paar Monate nach der Veröffentlichung des Tracks verliess er Sparta Prag, seinen Kindheitsverein, und wechselte zu Everton. Jetzt, mit 28 Jahren, hat er für die drei grössten Vereine seines Landes gespielt und Viktoria Pilsen fast im Alleingang einen der überraschendsten Titel im Jahr 2022 beschert. Eineinhalb Jahre später wurde Stanek vom neuen Besitzer von Slavia, Spartas ärgstem Rivalen, als Neuverpflichtung vorgestellt. Er ist ein grossartiger Torhüter und robuster Charakter, der seinen Verteidigern Vertrauen einflösst. Der Wechsel im Januar sorgte für Aufsehen, da er es gewohnt war, hinter einer tieferen Linie zu spielen und lange Bälle nach vorne zu schlagen. Slavia spielt nicht so, aber sein Kurzpassspiel hat sich massiv verbessert, und der Platz als Nummer 1 im tschechischen Team, der noch vor wenigen Wochen unbesetzt schien, ist nun fest in Staneks Hand.

Matej Kovar

17.05.2000 / Torhüter / Bayer Leverkusen

«Er ist ein kompletter Torwart», sagte Xabi Alonso im Februar über Kovar nach einem seltenen Einsatz in der Bundesliga gegen Borussia Mönchengladbach. Kovar hat ein Händchen dafür, lange Titelflauten zu durchbrechen. Seine Leistungen in anderen Wettbewerben erlaubten es Alonso, Lukas Hradecky zu schonen, und verhalfen Leverkusen so zum Sieg in der Liga. Die zukünftige Nummer 1 von Bayer und der tschechischen Nationalmannschaft? Klingt wie ein Traumszenario für einen Torhüter, an dem viele nach seinem schwachen Gastspiel beim englischen Drittligisten Burton Albion, wo er von Manchester United ausgeliehen war, gezweifelt hatten. Er hat sich aber hochgearbeitet und Sparta Prag in der letzten Saison zum ersten Titelgewinn seit neun Jahren verholfen. Ein entspannter Charakter, der von vielen seiner ehemaligen und aktuellen Mannschaftskameraden geschätzt wird und selten eine Belastung darstellt.

Vitezslav Jaros

23.07.2001 / Torhüter / Sturm Graz (ausgeliehen von Liverpool)

Eine unerwartete Berufung im März für einen anderen talentierten tschechischen Torhüter, der ins Ausland wechselte. Hervorragende Leistungen bei Sturm Graz in Europa. In der österreichischen Liga konnte man Serienmeister RB Salzburg von Thron stossen und mit dem Pokalsieg das Double perfekt machen. Er telefoniert oft mit Petr Cech, der ihm als Mentor und Ratgeber zur Seite steht. Es wird nicht leicht sein, den brillanten Alisson von der Nummer 1 bei Liverpool zu verdrängen, aber die Reds haben ein aufregendes Talent in ihren Reihen. Und das wissen sie auch. Bevor er ausgeliehen werden konnte, musste er einen neuen Vertrag unterschreiben. «Es ist klar, dass Liverpool Pläne mit mir hat und mich dort haben will», so Jaros gegenüber iDnes. 

Vladimir Coufal

22.08.1992 / Verteidiger / West Ham

Pep Guardiola nahm ihn einst in den Arm und sagte, der Rechtsverteidiger von West Ham erinnere ihn an Kyle Walker. Coufal war sichtlich gerührt. Es gab kaum jemanden, der dem Mann aus Ludgerovice den Sprung in die Premier League zugetraut hätte. Doch er ist immer noch da, auf den ersten Blick ein echter Rechtsverteidiger der alten Schule, der auf den zweiten viel mehr kann. Deshalb und wegen seiner Offenheit, Spielintelligenz, Verbissenheit und Bodenständigkeit ist er für viele Kult. Der Verteidiger leistete sich ein für ihn untypischen Ausrutscher, als er gegen die Mannschaftsregeln verstiess, indem er zwei Tage vor einem wichtigen Spiel gegen Moldawien mit zwei Mannschaftskameraden und einem tschechischen Verbandsfunktionär in einem Olmützer Nachtclub namens Belmondo bis in die Morgenstunden feierte. Er wurde von der Nationalmannschaft suspendiert, aber jetzt ist er aus dem Schneider, und nur wenige Experten oder Fans würden dieser Entscheidung nicht zustimmen.

Die Spielerporträts aller Teams

David Doudera

31.05.1998 / Verteidiger / Slavia Prag

Immer in Bewegung, scheint Doudera nie die Energie auszugehen. Selbst in Interviews kann seine Exzentrik mitten im Satz die Oberhand gewinnen. «Immer, wenn ich auf einer ungewohnten Position spiele, bringe ich mich in eine Torschussposition. Und ich schiesse immer daneben», scherzte er nach einem entscheidenden Tor. Manchmal verärgert er seine Fans, die meinen, dass er mit seinem Jubel und seinen Reaktionen über das Ziel hinausschiesst, vor allem, wenn er nach einem Foul (oder auch nicht) regelmässig Theater macht. Ein Spieler, an dem sich die Geister scheiden, der aber mit seiner Disziplin in der Abwehr und seiner Effizienz im Angriff überraschen kann. Seine grösste Stärke? Seine Vielseitigkeit. Er kann auf der rechten Seite überall spielen und wird angesichts des Mangels an guten Flügelspielern im Kader zu Einsätzen kommen, vor allem, wenn Ivan Hasek beschliesst, defensiv zu spielen und auf Konter zu setzen. Er fühlt sich wohl, wenn er Platz hat, ist aber gegen einen tiefen Block weniger effektiv.

David Zima

08.11.2000 / Verteidiger / Slavia Prag

Er wurde zum teuersten tschechischen Spieler, der von einem tschechischen Verein gekauft wurde, als er im Wintertransferfenster von Turin zu Slavia zurückkehrte. Er ist davon überzeugt, dass er den Preis von 4 Mio. Euro rechtfertigen kann, und hat sich nach einem langsamen Start gut entwickelt. «Ich weiss nicht warum, aber wenn er spielt, kassieren wir einfach keine Tore», sagte Jindrich Trpisovsky, der Trainer von Slavia. Zimas Leistungen sollten einer der Schlüsselfaktoren im Titelrennen sein. Das waren sie auch, nur nicht so, wie Slavia es sich erhofft hatte. Sein Ausrutscher im Stile von Steven Gerrard führte zu einem Tor beim Unentschieden gegen Olomouc. Zimas Fähigkeiten sollten deswegen aber nicht übersehen werden. Mit seinen 23 Jahren ist er immer noch ein grosser Hoffnungsträger: athletisch und gross gewachsen, gut bei Standardsituationen und in der Lage, den Ball aus dem Rückraum heraus zu verteilen. Ausserdem hat er viel an seiner Kommunikation gearbeitet. Wahrscheinlich wird er Ivan Haseks erste Wahl in der Innenverteidigung neben seinem Vereinskameraden Tomas Holes sein.

Tomas Holes

31.03.1993 / Verteidiger / Slavia Prag

In einem Land, in dem die Ruhestunden nach 22 Uhr heilig sind, las sich diese Notiz auf der Tafel eines Wohnblocks in Hradec Kralove wie ein präventiver Versuch, die Wut der lärmempfindlichen Nachbarn zu besänftigen. «Wir entschuldigen uns aufrichtig bei allen für unser Geschrei um etwa 23 Uhr. Zu unserer Verteidigung sei gesagt, dass mein Bruder in der 90. Minute den Ausgleichstreffer im Viertelfinale der Europa League gegen Arsenal erzielt hat. Mit freundlichen Grüssen, die Familie Holes», schrieb Jiri, der ältere Bruder von Tomas. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Holes aus einer rücksichtsvollen und respektvollen Familie stammt, dann sind es sein Charakter und sein Spielstil. Er ist Vizekapitän bei Slavia, der Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft in der Verteidigung mit seiner hervorragenden Spielübersicht. Er ist ein bisschen langsamer als früher, aber vielleicht liegt ihm der internationale Fussball wegen des langsameren Tempos besser. Er wird sicher der erste Innenverteidiger auf dem Mannschaftsblatt sein.

Ladislav Krejci

20.04.1999 / Verteidiger / Sparta Prag

Er ist Kapitän, Kultfigur und mit seinen 25 Jahren bereits eine Legende bei Sparta, und es wird erwartet, dass er den grossen Schritt ins Ausland macht. Oder doch nicht? Fans und Experten des tschechischen Fussballs sind sich uneinig über seine Person. An seinen Führungsqualitäten und seinem Charisma kann niemand zweifeln. Er ist auch einer der sympathischsten Spieler, dessen Persönlichkeit einer der Gründe dafür ist, dass sich junge Leute nach vielen Jahren der Ablehnung wieder mit dem tschechischen Fussball verbunden fühlen. Auf dem Spielfeld schiesst er entscheidende Tore – meist Kopfbälle und Elfmeter. Er kann auch im zentralen Mittelfeld spielen, aber sein Körper schränkt ihn manchmal ein. Er war mehrere Jahre lang nicht in der Lage, eine ganze Saison lang fit zu bleiben, und wirkte in Spielen oft müde, vor allem im Eins-gegen-Eins gegen trickreiche Flügelspieler. Es steht ausser Frage, dass er für jede Mannschaft eine grosse Bereicherung sein kann, da er über sehr spezifische Fähigkeiten verfügt, die vielen Vereinen fehlen. 

Robin Hranac

29.01.2000 / Verteidiger / Viktoria Pilsen

In der vergangenen Saison war er eine absolute Offenbarung und eine tragende Säule der unter dem siebzigjährigen Trainer Miroslav Koubek verjüngten Pilsener Mannschaft, die mit begrenzten Ressourcen wahre Wunder vollbracht hat. Hranac wuchs in Pilsen auf, blühte aber in der letzten Saison bei seiner Leihe in Pardubice unter Radoslav Kovac auf. Er war in dieser Saison der vielleicht beste Innenverteidiger der tschechischen Liga – und das ist in einer Liga, in der es viele gute Spieler auf dieser Position gibt, keine Kleinigkeit. Er hat den langjährigen Mannschaftskapitän Lukas Hejda ersetzt, und selbst er muss zugeben, dass Hranac auf einem anderen Niveau spielt als viele andere. In der Europa Conference League hielt Viktoria mit ihm in der Abwehr achtmal in Folge die Null und erreichte auf unglaubliche Weise den Achtelfinal, wo man erst in der Verlängerung der Fiorentina unterlag. Seine beeindruckendste Leistung zeigte er jedoch beim Sieg gegen Slavia, das auf seine Schnelligkeit, seine Kraft und seine Übersicht einfach keine Antwort fand.

David Jurasek

07.08.2000 / Verteidiger / Hoffenheim (ausgeliehen von Benfica)

Der ehemalige tschechische Nationaltrainer Karel Jarolim, der Jurásek in Mladá Boleslav in einen torgefährlichen Linksverteidiger verwandelt hat, musste einen Fussball-Neologismus erfinden, um ihn richtig zu beschreiben. «Er ist ein mährischer Lupinek (Knipser)», sagte er bei iSport TV. Wenn das eine Anspielung auf den kultigen Kartoffelsnack aus Straznice ist, vor allem auf seinen sehr aromatischen Knoblauchgeschmack, dann ist das wohl eine treffende Metapher. Er ist unheimlich scharf in seinen Aussagen und kann mit seinen Flanken, die er von der Seitenlinie aus mit viel Tempo schlägt, Tore auf dem Teller servieren. Slavia setzte seine Fähigkeiten so gut ein, dass Jurasek im letzten Sommer für 14 Millionen Euro zu Benfica wechselte. Nur ein halbes Jahr und sechs Einsätze später schickten ihn die Adler nach Hoffenheim, allerdings auf Leihbasis mit obligatorischer Kaufpflicht im Sommer. Er fühlt sich in temporeichen Spielen mit einem klaren System um ihn herum wohl, konnte seine Qualitäten in der Nationalmannschaft aber noch nicht ganz ausspielen. Er hat grosses Potenzial, aber im Moment fehlt ihm noch etwas das Selbstvertrauen.

Tomas Vlcek

28.02.2001 / Verteidiger / Slavia Prag

Mit seinen 23 Jahren sieht er aus, spielt und spricht wie ein Routinier. Vielleicht hat Vlcek, der von einigen bei Slavia als künftiger Kapitän angesehen wird, seinem Trainer Jindrich Trpisovsky, der dafür bekannt ist, dass er Absolventen der Slavia-Akademie nicht so schnell zu Einsätzen verhilft, so vorgegaukelt, dass er in die Startelf kommen könnte. Fairerweise muss man sagen, dass Vlcek auf Leihbasis in Pardubice zusammen mit Innenverteidiger Robin Hranac brilliert hat. Beide haben in ihren ersten vollen Spielzeiten bei ihren Stammvereinen hervorragende Leistungen gezeigt und kamen im März verdientermassen zu ihrem ersten Länderspieleinsatz für die Tschechische Republik. Knapp ein Jahr, nachdem sie Pardubice im Abstiegskampf gerettet hatten. «Es ist eine unglaubliche Geschichte, wir dachten, wir könnten ein Buch darüber schreiben», sagte Vlcek nach dem Spiel mit einem zufriedenen Lächeln. Seine technischen Fähigkeiten, seine Schnelligkeit und seine Spielintelligenz sind unübersehbar. Ständig wechselt er von einer Viererkette in eine Dreierkette, von der rechten Abwehrseite in die Innenverteidigung und taucht auch vor dem gegnerischen Tor auf. Die Frage ist, ob er die Lizenz oder das Selbstvertrauen hat, all sein Können für die tschechische Nationalmannschaft einzusetzen.

Martin Vitik

21.01.2003 / Verteidiger / Sparta Prag

Der stille Diamant in einer Sparta-Mannschaft voller lauter Stars. Der langjährige Leiter der Sparta-Akademie, Jaroslav Hrebik, hält ihn für das grösste Talent, das der Verein in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Tomas Sivok, der sportliche Leiter des Vereins, sagte gegenüber denik Sport: «Vitik ist der nächste Sparta-Kapitän. In der Vergangenheit hat er ein wenig die Übersicht vermissen lassen. Er ging nach vorne, wurde an die Seitenlinie gedrängt und schoss den Ball ins Aus. Aber er hat enorme Fortschritte gemacht. Eines Tages wird er bei einem Spitzenverein spielen, wenn er fit bleibt.» Man darf nicht vergessen, dass es sich hier um Menschen handelt, die nicht leicht zu beeindrucken sind. «Manchmal müssen wir ihm sagen, dass er mit sich selbst nicht so streng sein soll», sagte sein Vater Martin Vitik senior gegenüber iDnes. Vitik wird immer härter, körperlich und geistig, um seine natürlichen Fähigkeiten als Fussballer zu verbessern. Er ist gut in der Luft, schnell, ein guter Passgeber und – was am wichtigsten ist – er kann den Ball gut aus der Abwehr heraus spielen.

Tomas Soucek

27.02.1995 / Mittelfeldspieler / West Ham

Der Motor und der Lieblingsspieler eines jeden Trainers, für den er gespielt hat. Soucek ist ein seltsames Unikum von einem Mittelfeldspieler, der nicht der schnellste, technisch versierteste oder kreativste ist, aber irgendwie immer in das Puzzle zu passen scheint. Vielleicht ist das der Grund, warum er von Brighton und Atalanta, einigen der technisch und taktisch versiertesten Mannschaften Europas, umworben wurde. Soucek nimmt auch seine Rolle als Kapitän der Nationalmannschaft sehr ernst. Er sagt immer das Richtige und tut sein Bestes, um eine positive und professionelle Moral in der Mannschaft zu schaffen. Genau wie die allgegenwärtigen «Vecerka»-Ladenbesitzer in Prag ist er für die tschechische Nationalmannschaft fast immer verfügbar. Das ist an sich schon ein wenig seltsam, denn die Trainer hätten Soucek für einige bedeutungslose Freundschaftsspiele ausruhen lassen und andere Lösungen im Mittelfeld ausprobieren können. Aber wenn er immer fit ist – und einer der wenigen tschechischen Spieler in den fünf besten europäischen Ligen, die regelmässig spielen – wer kann es ihnen dann wirklich verdenken? 

Lukas Provod

23.10.1996 / Mittelfeldspieler / Slavia Prag

Unglaublich, dass es schon drei Jahre her ist, dass sich Provod kurz vor der letzten Europameisterschaft 2021 eine schwerwiegende Verletzung zugezogen hat. Dieses Turnier hätte für ihn die Gelegenheit sein sollen, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Er wirkte wie ein echtes Ausnahmetalent, wie eine versteckte Perle im Kader. Sein Tor und seine Gesamtleistung beim Unentschieden in der Qualifikation gegen Belgien waren eine der besten Leistungen der tschechischen Nationalmannschaft seit der Europameisterschaft 2004 - und er stand im Mittelpunkt des Geschehens. Er ist ein echter Box-to-Box-Mittelfeldspieler mit einem grossartigen Antritt, einem kraftvollen Schuss und einer Vielseitigkeit, die ihm sogar Vergleiche mit dem grossen Pavel Nedved einbrachte. Doch Provod verpasste die Europameisterschaft und den grössten Teil der folgenden Saison und brauchte eine weitere, um wieder fit zu werden. Langsam hat er seine Schnelligkeit zurückerlangt, hat sein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und war eine Führungspersönlichkeit in einer ansonsten jungen Slavia-Mannschaft. Und wenn er seine Konstanz beibehalten kann, wird er den Tschechen bei der Europameisterschaft endlich etwas bieten, nur drei Jahre später als erhofft.

Pavel Sulc

29.12.2000 / Mittelfeldspieler / Viktoria Pilsen

Vor zwei Jahren, als er in einem Spiel gegen Sparta in einer Saison, in der er eigentlich den Titel gewinnen wollte, einige Elfmeter verschoss, sah es so aus, als wäre seine Karriere bei Viktoria beendet. «Nach dem Spiel war es nicht einfach. Hunderte von Menschen haben mir hässliche Nachrichten geschickt», sagte Sulc in einem Interview mit deník Sport und spielte damit auf die im tschechischen Fussball weit verbreiteten Online-Beleidigungen an. Der Klub hatte jedoch Geduld mit ihm, und er hat sich schliesslich während einer Saison auf Leihbasis in Jablonec unter David Horejs etabliert, der ihm schon zuvor in Ceske Budejovice eine Schlüsselrolle gegeben hatte. Jetzt ist Sulc in Pilsen stärker denn je. Vorbei sind die Zeiten, in denen er bei jeder guten Drehung, jedem guten Spielzug und jedem guten Lauf in die Sackgasse lief und im letzten Drittel im Allgemeinen ineffektiv war. In dieser Saison hat er zugelegt und bildet mit Tomas Chory ein schlagkräftiges Duo einer modernen Variante der Kombination aus grossem und kleinem Mann.

Antonin Barak

03.12.1994 / Mittelfeldspieler / Fiorentina

Keiner hat die Ästhetik der niedrigen Stutzen so perfektioniert wie Antonin Barak. Er erreichte seinen fast schon cartoonartigen Höhepunkt, als er vor einem Jahr bei Hellas Verona seinen an Emmanuel Petit erinnernden Pferdeschwanz trug. Sein fussballerischer Stil geht Hand in Hand mit seinem Aussehen. Trotz seiner Grösse ist er etwas stämmig, und die Verteidiger können ihm den Ball einfach nicht abnehmen. Am besten gedieh er in einem 3-4-2-1 unter Igor Tudor, wo er eine sehr fliessende Rolle zwischen dem Mittelfeld und der Nummer 10 einnahm. Mit seinem Weitblick und seiner Dynamik ist er für die meisten Mannschaften ein echter Gewinn, wenn er den Ball hat. Sein Temperament und seine Offenheit gehen offensichtlich Hand in Hand mit seinem Image. Er ist ein lautstarker Kritiker von Korruption und fehlenden Reformen im tschechischen Fussballverband und duldet keine Abstriche. Er kann seinen Trainern gegenüber sehr bissig sein, was gelegentlich dazu führte, dass er vom vorherigen Nationaltrainer Jaroslav Silhavy suspendiert wurde. Vieles davon geht auf seine prägenden Jahre zurück. Der Sohn eines angesehenen Nachwuchstrainer und Experten des tschechischen Fussballs hatte eine schwere Krankheit, nach der er eigentlich nicht mehr im Profifussball spielen sollte. «Lass nicht zu, dass das alles einen schlechten Eindruck bei dir hinterlässt», sagte ihm sein Vater. Nach dem zu urteilen, was er auf dem Spielfeld macht, hat es das nicht.

Lukas Cerv

10.04.2001 / Mittelfeldspieler / Viktoria Pilsen

Sein Nachname ist zwar Červ (Wurm), aber er hat zugegeben, dass er noch nie mit seinem Vater einen Fisch gefangen hat. Sie haben sich wahrscheinlich mehr auf Fussball und Tanzen konzentriert. Zur Familie gehören auch sein Cousin David Doudera, der ebenfalls für die Europameisterschaft berufen wurde, sowie professionelle Tänzer. Mit seinen schnellen Bewegungen und seinem gegelten, stacheligen Haar ist er dafür bekannt, seine Gegner zu verunsichern, und hat sich zu einem der unbeliebtesten Gegenspieler in der tschechischen Liga entwickelt. Er wurde überraschend ins tschechische Team berufen, da er vor der Nominierung des Kaders noch nie für die A-Nationalmannschaft gespielt hat.

Petr Sevcik

04.05.1994 / Mittelfeldspieler / Slavia Prag

Das Naturtalent. «Prirodnak», wie man ihn auf Tschechisch nennt. Er könnte genauso gut in einer Fünfermannschaft mit seinen Freunden in seiner Heimatstadt Jesenik spielen wie in der Champions League. Eine der grössten Attraktionen in der tschechischen Liga. Er ist nicht der Typ, der viele Worte verliert, aber auf dem Platz macht er seine Sache sehr gut. Wenn er nur nicht so oft verletzt gewesen wäre. «Er sollte in der Bundesliga spielen», hat Slavia-Trainer Jindrich Trpisovsky wiederholt über ihn gesagt. Seine ständige Bewegung und seine Fähigkeit, die richtigen Pässe nach vorne zu spielen, sind in der tschechischen Liga unübertroffen. «Er ist für uns fast unersetzlich», sagte Trpisovsky vor ein paar Monaten. Aber ist Sevcik in dieser Saison so fit wie seit mehreren Jahren nicht mehr? «Sagen Sie das nicht zu mir», antwortete der Spieler mit einem schiefen Lächeln, nachdem er genau das gefragt wurde. «Jedes Mal, wenn mich jemand daran erinnert, bin ich nächste Woche verletzt.» Das ist er zum Glück nicht. Er wurde erst spät in den Kader für die Euro 2024 berufen.

Adam Hlozek

25.07.2002 / Stürmer / Bayer Leverkusen

Der Goldjunge des tschechischen Fussballs befindet sich in einer stagnierenden Karrierephase, in der er scheinbar nicht in der Lage ist, den nächsten Schritt zu machen. Ein Bundesliga-Titelträger mit Leverkusen hört sich gut an, aber er hat in keinem einzigen Spiel volle 90 Minuten für sie absolviert. Ehrlich gesagt hat er nie so lebendig, agil und entschlossen gewirkt wie als 16-Jähriger, als er mit seinen schnellen, wendigen Läufen und einem fulminanten Schuss auf sich aufmerksam machte. Er ist sehr stark in der Luft und in der Lage, sich in der Nähe des Tores zu positionieren. Er ist nach und nach behäbiger geworden, auch wenn er seine beste Position auf dem Spielfeld noch nicht gefunden hat und manchmal ohne Ball ein wenig verloren wirkt. Noch vor einem Jahr hätte ich nicht geglaubt, dass er für die Europameisterschaft nominiert werden würde. Aber er hat es geschafft – und die Tatsache, dass es keine anderen Flügelspieler von entsprechender Qualität gibt, insbesondere auf der linken Seite, hat wahrscheinlich den Ausschlag gegeben. Er kann überall in der vorderen Reihe spielen, vielleicht ist die Europameisterschaft die Chance, auf die er gewartet hat.

Patrik Schick

24.01.1996 / Stürmer / Bayer Leverkusen

Es ist, als bräuchte jede EM-Generation einen tschechischen Kultspieler, der den Ball auf einzigartige Weise an einem Torwart vorbei lupft. Die Boomer hatten Antonin Panenka in den 1970er Jahren, die Generation X sah Portugals Torhüter Vítor Baía im Viertelfinale 1996 nach einem unglaublichen Schlenzer von Karel Poborsky panisch den Ball in der Luft suchen. Und dann kam Patrik Schick mit einer der wohl technisch raffiniertesten Arten, den Ball von der Mittellinie aus zu schlagen, um nicht nur den Ball ins Netz zu befördern, sondern auch den schottischen Torwart David Marshall mit ihm. Mit diesem und weiteren vier Toren teilte er sich bei der Euro 2021 den Goldenen Schuh mit Cristiano Ronaldo. Verletzungen haben seinen weiteren Karriereweg in den Folgejahren gebremst. Aber Schick ist eine exzellente Nummer 9. In seinen Anfangsjahren war er in erster Linie ein Torjäger, der immer in der Lage war, eine Situation zu erkennen, wenn sie sich ergibt. Jetzt ist er auch in der Nähe des Strafraums skrupellos gweorden. 

Tomas Chory

26.01.1995 / Stürmer / Viktoria Pilsen

Chory hat eine besondere Eigenschaft, von der viele Trainer träumen. Wenn ihre bevorzugte Nummer 9 nicht zur Verfügung steht, ist Chory immer bereit, in den wichtigsten Spielen einzuspringen und zu brillieren. Sein grösster und für seine Karriere symbolischer Moment kam nach dem Belmondo-Nachtklub-Skandal, als er die Mannschaft fast im Alleingang gegen Moldawien zur EM 2024 führte. Chory hat sich in seinem Spiel stark verbessert und ist erstaunlich beweglich. Wenn er in der Schlussphase ins Spiel kommt, wird er den gegnerischen Innenverteidigern das Leben schwer machen. Und das ist auch der Grund, warum er von einem grossen Teil der gegnerischen Fans verachtet und von vielen seiner Konkurrenten nicht gemocht wird. Sie haben insofern recht, als dass Chory seine schlaksige Statur auf viele unerwartete Arten einsetzt. Seine beiden bizarren Kopfstösse gegen Asger Sorensen gegen Sparta in der letzten Saison sorgten für Aufsehen, und einige seiner Aktionen wirken rücksichtslos. Dennoch wurde er noch nie des Feldes verwiesen. 

Matej Jurasek

30.08.2003 / Stürmer / Slavia Prag

Der jüngste Spieler des tschechischen Kaders und definitiv einer der spannendsten, die man beobachten kann. Seine Fähigkeiten sind aussergewöhnlich. Es stimmt jedoch, dass viele Spieler mit ähnlichen technischen Fähigkeiten wie Jurasek nicht in der Lage sind, sich in einem körperlich sehr anspruchsvollen Umfeld durchzusetzen. Und wenn doch, dann wünschen sich die Trainer, dass sie mehr verteidigen. Der junge Spieler von Slavia muss noch viel an seinem Einsatz ohne Ball arbeiten. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass er nicht noch mehr gespielt hat, obwohl er eines der seltenen Beispiele dafür ist, dass ein Absolvent der Slavia-Akademie regelmässig eine Chance im Kader erhält. Das macht er aber mit seiner Arbeit nach vorne wieder wett. Sein Spiel auf engem Raum, seine Robben-ähnliche Fähigkeit, auf der linken Seite zu flanken und ein Tor zu schiessen, und einfach seine Kühnheit, in wichtigen Momenten zu glänzen, sind für einen tschechischen Spieler einzigartig.

Jan Kuchta

08.01.1996 / Stürmer / Sparta Prag

«Ich wollte einen Jubel machen, dem ich nicht würdig bin», sagte er, nachdem er nach seinem Treffer gegen Banik Ostrava die berühmte Haaland-Meditationspose nachgestellt hatte. Es gibt definitiv nur einen Jan Kuchta. Er kann sich jederzeit in Schwierigkeiten bringen, aber die Leute scheinen ihm immer zu verzeihen, weil er sich für sein Team ins Zeug legt. Er ist ein zuverlässiger Torjäger und hat sich in dieser Saison tiefer fallen lassen, um eine Harry-Kane-ähnliche Rolle als Neuneinhalber zu spielen und seine Flügelspieler zu unterstützen. Er ist fast immer in Bewegung – und das nicht nur auf dem Spielfeld selbst. Kuchta ist der einzige Spieler in der Geschichte, der sowohl von Slavia als auch von Sparta zweimal unter Vertrag genommen wurde. Er scheut sich nicht, anderen zu sagen, was er denkt und fühlt - und brennt dabei manchmal Brücken ab. Wie damals, als alle dachten, er würde zu Slavia zurückkehren, aber stattdessen bei Sparta landete. «Wer ist Jan Kuchta?», fragte der Slavia-Boss Jaroslav Tvrdik spöttisch. «Die Zeit wird zeigen, ob er die richtige Wahl getroffen hat», fügte der Trainer Trpisovsky hinzu. «Ich denke, die Zeit spricht Bände», sagte Kuchta nach dem Gewinn des Titels im vergangenen Mai. Er betreibt auch einen Ökobauernhof in einem ruhigen Naturschutzgebiet namens Cesky raj (Tschechisches Paradies).

Vaclav Cerny

17.10.1997 Stürmer / Wolfsburg

«Ich erinnere mich gerne an die schwierigen Momente, als alles gegen mich zu sein schien. Wenn ich jetzt auf diese Bilder zurückblicke, geben sie mir Kraft», sagte er in einem Interview für Denik Sport, bevor die Bundesliga-Saison im Februar wieder begann. Selbst wenn er in Wolfsburg nicht viel gespielt hat und Gefahr lief, nicht in den EM-Kader berufen zu werden, ist das nichts im Vergleich zu dem, was Cerny zuvor durchmachen musste. Seine derzeitige Bilanz – vier Tore und eine Vorlage – ist im Vergleich zur letzten Saison, in der er für Twente in allen Wettbewerben 15 Tore erzielte und 13 Vorlagen gab, eher mager. «Aber selbst da habe ich das Gefühl, dass ich ein besserer Spieler bin als in der letzten Saison», betont er. Für Cerny ist das nur ein Teil einer Reise, auf der er sich glücklich schätzen kann, nach zwei Kreuzbandrissen überhaupt noch auf diesem Niveau spielen zu können. «Ich habe ein noch besseres Niveau erreicht, als ich es vor den Verletzungen hatte. Ich versuche, das zu geniessen.»

Ondrej Lingr

07.10.1998 / Stürmer / Feyenoord (ausgeliehen von Slavia Prague)

Der Joker, der ultimative Ersatzspieler. Sein Wirbeln im Strafraum und seine enorme Energie sind für jede Mannschaft ansteckend. Als der Generalmanager von Sparta, Frantisek Cupr, gefragt wurde, welchen Spieler von Slavia, ob früher oder heute, er in seinem Team wählen würde, entschied er sich für Lingr, der jetzt bei Feyenoord spielt. «Ich mochte ihn schon immer und seine Fähigkeit, das Spiel zu verändern und ein Tor zu schiessen», betonte Cupr. Die Zahlen bei Feyenoord zeigen, dass auch Trainer Arne Slot das so empfunden hat. Aber nicht mehr lange? Lingr hat seit seiner Ausleihe im vergangenen August noch kein einziges Spiel für den niederländischen Klub begonnen. Und was noch wichtiger für ihn ist: Er wurde nicht so regelmässig von der Bank ausgebracht, wie er es sich gewünscht hätte. Drei Tore und eine Torvorlage sind keine schlechte Leistung bei der Anzahl der Minuten, die er bekommen hat. Aber es war auch nicht genug, um Lingr in die Startelf zu befördern.

Mojmir Chytil

29.04.1999 / Stürmer / Slavia Prag

Wenn man ihn persönlich trifft, ist man überrascht, dass er nicht ganz so gross ist, wie er auf dem Spielfeld aussieht. Seine schlaksigen Beine und die niedrigen Stutzen täuschen, und auf dem Platz macht der in Skalka geborene Stürmer den Eindruck, viel grösser zu sein, als er tatsächlich ist. Erst dann merkt man, wie beeindruckend Chytils Arbeit mit dem Rücken zum Tor ist. Manchmal irrt er über das Spielfeld und wirkt wie ein müdes Arbeitstier. Dann nimmt er den Ball auf und nimmt es mit einem, zwei oder sogar drei Verteidigern auf, die ihn umgeben, und kann den Ball immer noch gut kontrollieren. «Ich habe früher Futsal mit Jungs gespielt, die über 100 Kilo gewogen haben, das hat mich gestärk», sagte Chytil gegenüber deník Sport. Auch vor dem Tor kann er sich gut positionieren und schiesst mühelos wichtige Tore. Die grossenen Spiele waren jedoch nicht seine besten. Im entscheidenden Qualifikationsspiel in Albanien wurde er (wenn auch sehr hart) des Feldes verwiesen und war in den wichtigen Partien für Slavia während der Titelverteidigung einfach nicht in Form.

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