Euro 2024, Gruppe A
Alle Spieler von Deutschland im Porträt

Mit diesem Wissen kannst du glänzen: Welches Tattoo Leroy Sané bereut, warum Jamal Musiala seinen Spitznamen loswerden will und welcher Star im «Tatort» mitspielte. Lerne jeden EM-Spieler des Gastgebers besser kennen in den Kurzporträts.
Publiziert: 05.06.2024 um 16:11 Uhr
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Aktualisiert: 23.06.2024 um 18:21 Uhr
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Die DFB-Elf für die Heim-EM 2024.
Foto: DUKAS
Nicolas Horn, Christian Spiller (Die Zeit) und Björn Lindroos

In Zusammenarbeit mit der englischen Zeitung «Guardian» und dem renommiertesten Fussballmedium jedes Teilnehmerlandes ist es Blick gelungen, zu jedem Spieler ein Porträt zu erstellen. Erfahre Hintergrundinformationen, persönliche Geschichten und vieles mehr. So bist du bestens vorbereitet auf jede Partie.

Manuel Neuer

27.03.1986 / Torhüter / Bayern München

Für viele ist Manu die beste Nummer 1 aller Zeiten - der Libero, der das Torwartspiel revolutioniert hat. «Er ist in der Lage, einer Mannschaft ein Gefühl zu geben, wie es kein anderer Torwart auf der Welt kann», sagte Leon Goretzka einst über ihn. Aber ist Neuer mit seinen 38 Jahren immer noch der beste deutsche Torhüter? Nach dem enttäuschenden Ausscheiden der DFB-Elf in der Gruppenphase der WM 2022 ging Neuer mit Freunden auf eine Skitour - und brach sich den rechten Unterschenkel. Während er im Krankenbett lag, entliessen die Bayern seinen Freund und Torwarttrainer Toni Tapalovic. «Ich hatte das Gefühl, dass mir das Herz herausgerissen wird», sagte Neuer in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Seit Oktober 2023 ist der erfahrene Torhüter wieder im Einsatz, aber er ist bisher noch nicht ganz der Alte. Bei der Niederlage im Champions-League-Halbfinal der Bayern gegen Real Madrid unterlief ihm kurz vor Schluss ein Patzer, der das Aus einleiten sollte. Doch Julian Nagelsmann hat sich festgelegt: Neuer wird bei der EM zwischen den Pfosten stehen.

Marc-André ter Stegen

30.04.1992 / Torhüter / Barcelona

Der Prinz Charles des deutschen Fussballs - mit dem einzigen Unterschied: Ter Stegen wartet immer noch darauf, erlöst zu werden. Der wohl beste Ersatztorhüter der Welt hat sein Schicksal weitgehend akzeptiert, abgesehen von einem kurzen Wortgefecht im Jahr 2019 - eine Rivalität wie zwischen Kahn und Lehmann gibt es mit Neuer nicht. Dennoch gab es viele Beobachter, die dachten, Ter Stegen würde bei dieser EM die Nummer 1 sein. Höchstwahrscheinlich wird das nicht der Fall sein. Der Torhüter des FC Barcelona ist jetzt 32 Jahre alt und hat 40 Länderspiele absolviert, hat aber noch nie bei einer EM- oder WM-Endrunde gespielt. Wird er eine Revolte auslösen? Wenn man bedenkt, dass er abseits des Spielfelds vor allem dafür bekannt ist, einen absurd langweiligen Twitter-Account zu betreiben, ist das eher unwahrscheinlich.

Oliver Baumann

02.06.1990 / Torhüter / TSG Hoffenheim

Galt als einer der besten Bundesliga-Torhüter der letzten Jahre, war aber nie der Beste. Baumann hat insgesamt mehr als 450 Spiele für Freiburg und Hoffenheim bestritten, kam aber noch nie in der Nationalmannschaft zum Einsatz. Sein bisher grösster Erfolg ist der Gewinn der deutschen Jugendmeisterschaft 2008 mit Freiburg (und Trainer Christian Streich). Auf den ersten Blick war es etwas verwunderlich, dass Nagelsmann ihn für die Freundschaftsspiele gegen Frankreich und die Niederlande im März einberufen hat. Andererseits weiss der Bundestrainer, dass er sich im Notfall auf Baumann verlassen kann. Ausserhalb Südwestdeutschlands würde ihn zwar kaum jemand auf der Strasse erkennen - aber niemand hat zwischen 2010 und 2019 mehr Bundesligaspiele bestritten als Baumann. Ein ruhiger, solider Mann im wahrsten Sinne des Wortes - und der perfekte dritte Torwart.

Antonio Rüdiger

03.03.1993 / Verteidiger / Real Madrid

Der Kopf der Verteidigung. Gewann 2021 mit Chelsea die Champions League, wechselte ein Jahr später zu Real Madrid, wo er nun die Abwehrkette kommandiert. Als konkreter Abwehrspieler, der auch im Aufbauspiel eingesetzt werden kann, sollte Rüdiger bei den Gastgebern in der Startelf stehen. Manchmal wird er ein wenig übermütig. Doch Rüdiger sagt, dass Gedankenspiele mit Angreifern zu seinem Spiel gehören. Wie er teilweise hinter den Stürmern lauert, könnte er leicht als Stephen King-Horrorfigur durchgehen. Im März teilte der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt ein Bild von Rüdiger auf X, auf dem er den Tawhid-Finger hebt, ein Bekenntnis zum muslimischen Glauben. Reichelt bezeichnete es als «IS-Finger» und «Islamismus in der deutschen Startelf». Rüdiger und der DFB reagierten sofort: Der Verteidiger erstattete Anzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft wegen Verleumdung, Volksverhetzung und Beleidigung.

Die Spielerporträts aller Teams

Jonathan Tah

11.02.1996 / Verteidiger / Bayer Leverkusen

Warum erst jetzt? Schon als sehr junger Spieler in Hamburg galt Tah als grosses deutsches Defensivtalent. Der Innenverteidiger kam 2015 nach Leverkusen, schien aber bis vor Kurzem noch weit davon entfernt, ein wichtiger internationaler Spieler zu werden. Er hat bisher weder bei einer EM noch bei einer WM gespielt, aber das wird sich in diesem Sommer sicherlich ändern. Seit Xabi Alonso sein Trainer ist, spielt Tah so, wie man es sich von ihm erhofft hat: stark in den Zweikämpfen, gut in der Luft, schwer zu überspielen, wenig Fehler. Vielleicht hat Alonso seine Karriere gerettet. «Es war sicher nie angenehm, gegen mich zu spielen», sagte Tah in einem Zeit-Interview. «Aber jetzt bin ich noch unangenehmer, weil ich den Gegner immer im Visier habe.» Rüdiger und Tah - gegen dieses Innenverteidiger-Duo möchte man als Stürmer nicht antreten.

Waldemar Anton

20.07.1996 / Verteidiger / VfB Stuttgart

Vor einem Jahr mit Stuttgart fast abgestiegen, spielt er nächste Saison in der Champions League. Die Schwaben sind die Überraschung dieser Bundesliga-Saison - abgesehen von Leverkusen - und Anton hat einen grossen Anteil daran. Der Kapitän der Stuttgarter ist ein knallharter Verteidiger, der den Weg vorgibt und vielseitig einsetzbar ist. «Waldemar ist ein extrem stabiler Verteidiger mit einem grossen Herz», sagt Julian Nagelsmann. Er hat kaum einen schlechten Tag und traut sich auch, riskante Pässe zu spielen - er könnte also sowohl im defensiven Mittelfeld als auch als Innen- und Rechtsverteidiger eingesetzt werden. Der gebürtige Usbeke wurde von seinen deutschstämmigen Eltern ursprünglich Wladimir genannt, doch als sie 1998 mit ihm nach Deutschland zogen, änderte er seinen Vornamen. In Stuttgart nennen sie ihn Waldi oder Wowa. Der 27-Jährige gab im März gegen Frankreich sein Debüt in der Nationalmannschaft.

Robin Koch

17.07.1996 / Verteidiger / Eintracht Frankfurt

Sein Vater Harry, der von 1995 bis 2003 für Kaiserslautern verteidigte, war in den 90er-Jahren eine Kultfigur. Von ihm hat Robin vieles geerbt, aber leider nicht die Locken. Koch ist einer der wenigen Bundesligaspieler, die nicht in einer Jugendakademie ausgebildet wurden. Er spielte in seiner Jugend für den Regionalligisten Eintracht Trier und absolvierte eine dreijährige Lehre als Industriekaufmann in der Heimatstadt von Karl Marx. Vielleicht kann er dem finanzschwachen DFB ein paar finanzielle Tipps geben. «Meine Eltern haben immer gesagt: Erst kommt die Schule, die Lehre und dann der Fussball», sagte er einmal dem Spiegel. Drei Jahre lang spielte Koch für Leeds United in der Premier League. 2023 wechselte er zurück in die Bundesliga und ist ein verlässlicher Bestandteil der Eintracht-Abwehr. Deutschland hat sicherlich talentiertere Innenverteidiger, aber Koch hat sich in den Kader hineingearbeitet und seinen Platz verdient. Mit Blick auf die Heim-EM sagte er dem Sportmagazin Kicker: «Das könnte ein ganz besonderer Sommer in Deutschland werden.»

Joshua Kimmich

08.02.1995 / Verteidiger / Bayern München

Es war eine harte Saison für Kimmich, der vom zentralen Mittelfeldspieler zum Rechtsverteidiger degradiert wurde. Thomas Tuchel forderte öffentlich, dass die Bayern einen neuen defensiven Mittelfeldspieler verpflichten sollten; Kimmich betonte vergeblich, dass er doch genau ein solcher sei. Einige Fans in Deutschland sahen in ihm einst einen Anwärter auf den Ballon d'Or, aber sein Ansehen ist in den letzten Jahren drastisch gesunken. Kimmich gehört natürlich immer noch in diese deutsche Mannschaft, auch wenn man manchmal den Eindruck hat, dass ihn die Seitenlinie mehr unter Druck setzt als die Gegner im Mittelfeld. Es gibt viele Gemeinsamkeiten mit Philipp Lahm, unter anderem die Tatsache, dass Kimmich auf demselben Platz des kleinen Vereins FT Gem trainierte wie der Weltmeister. Man kann Kimmichs Stimme oft auf dem Spielfeld hören. Diese Euro ist wichtig für Kimmich, der bei den letzten drei Turnieren an Deutschlands frühem Ausscheiden beteiligt war und sich selbst die Schuld dafür gibt. Nach dem Ausscheiden bei der Weltmeisterschaft in Katar sagte er: «Ich habe ein bisschen Angst, in ein Loch zu fallen.» Vielleicht winkt nach der Laufbahn als Fussballer ja eine Karriere als Schauspieler: Im vergangenen Jahr hatte Kimmich einen Auftritt im deutschen TV-Dauerbrenner Tatort.

Maximilian Mittelstädt

18.03.1997 / Verteidiger / Stuttgart

Vor dieser Saison hätte nicht einmal Maxi Mittelstädt selbst damit gerechnet, dass er bei der Europameisterschaft spielen würde. Dass er dabei ist, liegt zum einen daran, dass er auf der in Deutschland am wenigsten umkämpften Position des Linksverteidigers spielt. Es liegt aber auch daran, dass Mittelstädt eine hervorragende Saison gespielt und sich prächtig entwickelt hat. Mit seinem Heimatverein Hertha Berlin war er im vergangenen Sommer aus der Bundesliga abgestiegen und war nicht einmal Stammspieler. «Natürlich war nicht alles schlecht bei Hertha. Aber vieles war nicht gut für meine persönliche Entwicklung», sagte er der FAZ. Der Wechsel nach Stuttgart im vergangenen Sommer war sicherlich die beste Entscheidung seines Fussballerlebens. Mittelstädt hat für einen Verteidiger einen hervorragenden Schuss, sowohl mit dem rechten als auch mit dem linken Fuss. Bei seinem zweiten Länderspiel im März gegen die Niederlande unterlief ihm ein kapitaler Abwehrfehler, den er mit einem Traumtor wieder wettmachte. Abseits des Platzes ist er ein Familienmensch - seine Eltern leben derzeit mit ihm in seiner Stuttgarter Wohnung.

David Raum

22.04.1998 / Verteidiger / RB Leipzig

Raum spielte vor drei Jahren im Alter von 23 Jahren in der zweiten Liga bei Greuther Fürth, wechselte dann zum Erstligisten Hoffenheim und nach einer guten Saison zu RB Leipzig, wo er den deutschen Pokal gewann (obwohl er im Final nur auf der Bank sass). Spielt oft eher wie ein linker Mittelfeldspieler als ein Linksverteidiger. Raum sammelt viele Assists - in dieser Saison hat er 13 in allen Wettbewerben -, schlägt aber auch viele Flanken ins Leere. Er stand in allen drei Spielen der deutschen Mannschaft bei der WM 2022 in der Startelf, wurde aber im März von Nagelsmann als «physischer Mentalitätsspieler» hinter Mittelstädt eingewechselt. Oder kurz: Kaderspieler. «Ich habe diese Rolle akzeptiert und angenommen», sagte Raum im Frühjahr dem Kicker. Er ist sicherlich der am stärksten tätowierte Spieler im EM-Kader - mit dem Brusttattoo «living the dream».

Benjamin Henrichs

23.02.1997 / Verteidiger / RB Leipzig

Henrichs ist der Rapper im Kader der deutschen Nationalmannschaft; im Januar 2023 veröffentlichte er zusammen mit dem Rapper Quin Pin seinen eigenen Song «Von Anfang», «Ich bin derselbe geblieben - von Anfang an», heisst es im Refrain. Und: «So viele Termine - ich lebe für die Familie». Auch Henrichs' Freund, der Rapper Ah Nice, schrieb kürzlich «Benjamin Henrichs X Simakan» über die beiden Leipziger Verteidiger. Henrichs nahm einst an einer Anti-Rassismus-Demonstration teil und sagte bei Sky, es sei wichtig, dass Fussballer «als Vorbilder vorangehen». Er spielte für Deutschland beim Confederations Cup 2017 und bei den Olympischen Spielen in Tokio, kam aber bei anderen Turnieren nicht zum Einsatz. Henrichs ist ein flexibler Verteidiger, der normalerweise als Rechtsverteidiger agiert, aber auch auf der linken Seite spielen kann. Das ist ein Vorteil, da Nagelsmann auf der Aussenverteidigerposition kaum Optionen hat.

Nico Schlotterbeck

01.12.1999 / Verteidiger / Borussia Dortmund

Der Innenverteidiger dürfte das Flibbertigibbet dieser Mannschaft sein - eine Frohnatur. Schlotterbeck gilt seit geraumer Zeit als eines der grössten deutschen Defensivtalente - weil er robust ist, kopfballstark, passsicher und ab und zu auch mal nach vorne dribbelt. Alles, was man sich von einem modernen Innenverteidiger wünscht. Leider ist er aber auch oft nicht auf der richtigen Position und kann im Zweikampf oder beim Klären leichtsinnig sein. Es sieht oft so aus, als könne er seine Kraft nicht kontrollieren, und er braucht Trainer, die sein Talent wieder in die richtige Bahn lenken können. Sein BVB-Kollege Mats Hummels hat ihn im Mai verteidigt: «Es ist verrückt, wie wenig Wertschätzung dieser Junge noch bekommt!» An der Seite von Hummels verhinderte er im Halbfinale der Champions League, dass PSG in zwei Spielen ein Tor schoss. Schlotterbecks Vorbild ist Fabio Cannavaro, den er bei der Weltmeisterschaft 2006 von der Tribüne aus spielen sah. Von Cannavaros Niveau ist er allerdings noch weit entfernt.

Toni Kroos

04.01.1990 / Mittelfeldspieler / Real Madrid

Der beste deutsche Fussballer spielt wieder für Deutschland. Nach der Europameisterschaft 2021 trat Kroos aus der Nationalmannschaft zurück. Er wollte mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und sich auf den Vereinsfussball bei Real Madrid konzentrieren. Doch Nagelsmann startete das Projekt Kroos-Rückkehr gleich nach seinem Amtsantritt. «Natürlich hat es mich auch gestört, dass die Stimmung in Deutschland immer schlechter wurde», sagte Kroos in dem von ihm und seinem Bruder Felix moderierten Podcast «Einfach mal Luppen». Er wolle Deutschland helfen. An Selbstbewusstsein mangelt es Kroos nicht, und seine jüngeren Mannschaftskameraden sprechen von ihm wie die Katholiken von ihrem Papst. Der Mittelfeldspieler brachte sofort Ruhe in eine zutiefst verunsicherte Mannschaft, die 2023 gegen Japan, Österreich und die Türkei verlor. In Madrid hat er alles erreicht, mehrmals die Champions League gewonnen (auch einmal mit Bayern), aber in der Nationalmannschaft muss er noch etwas beweisen. Kroos sagt, er fühle sich mitverantwortlich für die WM 2018 und die Euro 2021, als Deutschland früh ausgeschieden ist. Die Europameisterschaft im eigenen Land wird für ihn ein Abschiedsturnier, Ende Mai gab er bekannt, dass er seine grosse Karriere nach dem Turnier beenden wird. Eines der Projekte danach: Er wird er mit dem Streamer Elias Nerlich die Icon League, einen neuen Kleinfeld-Wettbewerb, ins Leben rufen.

Robert Andrich

22.09.1994 / Mittelfeldspieler / Bayer Leverkusen

Könnte in diesem Sommer der deutsche Casemiro (in der Version von Real Madrid) werden. Jahrelang räumte der Brasilianer bei Real Bälle und Gegner für Kroos ab, jetzt soll Andrich diese Rolle in der Nationalmannschaft übernehmen. «Ich versuche, ihm den Rücken freizuhalten», sagt er über seine Rolle als Kroos' Leibwächter. Deutschland hat viele filigrane zentrale Mittelfeldspieler, aber keinen mit den defensiven Qualitäten des Leverkuseners. Deshalb hat sich Nagelsmann für Andrich entschieden. Er kann das Spiel beruhigen und sieht zudem aus wie ein norwegischer Holzfäller. Er war nicht immer Stammspieler bei der Werkself, aber er spielte eine wichtige Rolle beim Gewinn des ersten Meisertitels, da Exequiel Palacios häufig verletzt war. Während der Titelfeierlichkeiten hielt er ein grosses Glas Kölsch in der Hand.

Emre Can

12.01.1994 / Mittelfeldspieler / Borussia Dortmund

Der Mittelfeldspieler ist erst 30 Jahre alt, aber es kommt ihm vor, als wäre er schon ewig dabei. Vielleicht liegt es daran, dass er immer für grosse Vereine gespielt hat, angefangen bei Bayern München, über Bayer Leverkusen, Liverpool, Juventus und jetzt Borussia Dortmund. Zurück in der Bundesliga hat er sich zu einer echten Führungspersönlichkeit entwickelt. Er hat die Captainbinde übernommen und war ein wesentlicher Bestandteil der Mannschaft, die in der letzten Saison den Champions-League-Final erreichte. Er kann sowohl in der Verteidigung als auch im Mittelfeld spielen und Julian Nagelsmann sagte über seine Berufung als Ersatz für den erkrankten Aleksandar Pavlovic: «Wir wollten einen weiteren defensiven Mittelfeldspieler in unserem Kader haben und haben uns deshalb für Emre Can entschieden. Er hat deutlich gemacht, dass er begeistert und bereit ist, sich sofort in die Mannschaft einzubringen. Wir wollten einen weiteren Spieler im Kader, der Erfahrung hat und mit Druck umgehen kann. Er passt genau in dieses Profil.»

Ilkay Gündogan

24.10.1990 / Mittelfeldspieler (Kapitän) / Barcelona

Kann ein gutes Team in ein hervorragendes verwandeln. Gündogan war unter Pep Guardiola Kapitän von Manchester City und ist nun die Führungspersönlichkeit bei Barça, die dem Verein hilft, wieder in die Spur zu kommen. Im Gegensatz dazu ist Gündogan in der Nationalmannschaft lange Zeit kaum in Erscheinung getreten - obwohl er 2018 vor der Weltmeisterschaft für ein viel kritisiertes Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan posierte. Nun wird Gündogan endlich das Vertrauen geschenkt und er wurde zum Kapitän ernannt - aber wo wird er eigentlich spielen? Seit der Rückkehr von Kroos spielt er als Nummer 10 weiter vorne, hat aber noch nicht so recht zu sich gefunden. Da Florian Wirtz und Jamal Musiala ihre Dribbelkünste einbringen, könnte der Kapitän einem klassischen Flügel zu Opfer fallen. In einem Zeit-Interview sprach er über die Nationalmannschaft als Spiegelbild der Gesellschaft: «Deutschland ist so multikulturell. Klar, das birgt auch Risiken, es funktioniert nur, wenn wir das Anderssein respektieren. Das gilt auch für eine Fussballmannschaft.»

Jamal Musiala

26.02.2003 / Mittelfeldspieler / Bayern München

Letztes Jahr machte Musiala die Bayern mit seinem späten Siegtreffer in Köln am letzten Spieltag zum Meister. In dieser Saison hat der Youngster jedoch einen kleinen Rückschritt gemacht, gemessen an seinen hohen Ansprüchen. «Das Potenzial ist überragend, aber die Effektivität war in dieser Saison bei weitem nicht so, wie wir es gewohnt waren», sagte sein (ehemaliger) Trainer Thomas Tuchel im März. Seine schlangenartigen Bewegungen am Ball sind schwer zu stoppen und er kann aus dem Nichts Gefährliches kreieren, aber er muss noch lernen, wann er den Ball abspielen muss. Der in Stuttgart geborene Musiala war sieben Jahre alt, als seine Familie nach England zog, und verbrachte dort acht Jahre in der Akademie des FC Chelsea. Er spielte für England bis zur U21, bevor er nach Deutschland wechselte. Er möchte seinen Spitznamen «Bambi» loswerden, indem er bei Bayern und in der Nationalmannschaft eine führende Rolle einnimmt. «Ich bin nicht länger ein Bambi. Ich habe in beiden Mannschaften mehr Verantwortung», sagte er kürzlich gegenüber Sport Bild.

Florian Wirtz

03.05.2003 / Mittelfeldspieler / Bayer Leverkusen

Neben Xabi Alonso ist Wirtz der Hauptgrund, warum Bayer Leverkusen nicht mehr «Vizekusen» ist. Noch vor seinem 21. Geburtstag führte er seinen Verein zum ersten Titel der Vereinsgeschichte, nachdem er sich von einer Kreuzbandverletzung erholt hatte, wegen der er die Weltmeisterschaft 2022 verpasste. Wirtz begeistert mit seinen Dribblings, seinen Assists und seinem starken Abschluss. Kämpft mit Musiala um die Rolle des grössten deutschen Talents. Lange hat die Nation gerätselt, wer von den beiden den Vorzug erhalten soll, aber jetzt lautet die Antwort: wahrscheinlich beide. Zusammen sind sie vielleicht das beste 21-jährige Duo der Welt. «Florian ist ein aussergewöhnlicher Junge», sagte der Sportdirektor des DFB, Rudi Völler. Viele deutsche Fans setzen ihre Hoffnungen auf Wirtz, der einer der grossen Stars des Turniers werden könnte. Seine Schwester Juliane spielt ebenfalls in der Bundesliga, und zwar für Werder Bremen.

Leroy Sané

11.01.1996 / Mittelfeldspieler / Bayern München

Leroy Sané hat ein riesiges Tattoo auf dem Rücken von: Leroy Sané. «Ich würde mich heute anders entscheiden», sagte er einmal dem Spiegel über das Tattoo, das er sich im Alter von 21 Jahren stechen liess. «Ich war jemand, der erst einmal gegen die Wand fahren musste, auch wenn es weh tat, um daraus zu lernen.» Kommt aus einer sportlichen Familie: Sein senegalesischer Vater Souleymane spielte in der Bundesliga bei Nürnberg und Wattenscheid. Seine Mutter, Regina Weber-Sané, gewann eine olympische Bronzemedaille in rhythmischer Sportgymnastik. Souleymane Sané war in vielen deutschen Stadien rassistischen beleidigt worden, und auch Leroy hat dies im Nationaltrikot erlebt. Er sagt, sein Vater habe ihm den Rat gegeben: «Lass dich nie von Menschen, die Vorurteile gegen dich haben, abschrecken. Glaube einfach an dich!» Diese Saison war wieder einmal typisch für Sané: In der ersten Saisonhälfte spielte er gut, in der zweiten schwächelte er, erzielte aber dennoch wichtige Tore in wichtigen Spielen. An einem guten Tag kann er einer der besten Flügelspieler der Welt sein, aber er kämpft noch immer mit der Konstanz.

Chris Führich

09.01.1998/ Mittelfeldspieler / VfB Stuttgart

Geboren in der ehemaligen Bergbaustadt Castrop-Rauxel, spielte Führich in seiner Jugend für die Ruhrgebietsvereine Schalke, Dortmund und Bochum. Seinen Durchbruch in der zweiten Liga schaffte er in Paderborn, ehe er 2021 nach Stuttgart wechselte. Abseits des Platzes ist er gläubiger Christ, Veganer und Porsche-Fahrer. Auf dem Platz spielt er meist als linker offensiver Mittelfeldspieler für seinen Verein. Führichs Markenzeichen sind seine Haare (gegelt) und der umgekehrte Robben – er zieht gerne vom linken Flügel in die Mitte und schiesst mit dem rechten Fuss. Es ist unwahrscheinlich, dass er bei der Europameisterschaft in der Startelf steht, da die Konkurrenz im Angriff so gross ist. Als Einwechselspieler hat er jedoch beeindruckt - und gezeigt, dass er gut neben Teamkollege Maxi Mittelstädt spielen kann.

Thomas Müller

13.09.1989 / Stürmer / Bayern München

Der Spassvogel der Mannschaft. Die Meinungen darüber, wie witzig Müller wirklich ist, gehen auseinander, aber er hat immer einen Spruch auf Lager - und so einen braucht jede Mannschaft. Jogi Löw warf ihn 2018 aus der Nationalmannschaft, aber bei der EM 2021 war er wieder dabei. Er nennt sich selbst den «Raumdolmetscher». Über seine schlimmste Niederlage, als Bayern 2012 den Champions-League-Final gegen Chelsea im eigenen Stadion verlor, sagt Müller: «Es war, als hätte jemand der ganzen Stadt den Stecker gezogen.» Am nächsten Tag schickte er seinen Teamkollegen eine Textnachricht: «Kopf hoch, Jungs. Wir werden nächstes Jahr zurückschlagen.» Er hielt Wort: 2013 gewannen die Bayern das Triple bestehend aus Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League. Zusammen mit Toni Kroos ist Weltmeister Müller der erfolgreichste Spieler in diesem Kader. Doch ein Titel fehlt beiden Spielern noch: die Europameisterschaft.

Pascal Gross

15.06.1991 / Mittelfeldspieler / Brighton & Hove Albion

Pascal wer? Viele Deutsche können nicht einmal den Namen seines englischen Vereins richtig aussprechen: Brighton & Hove Albion. Im Alter von 15 Jahren spielte Gross noch in der Jugendmannschaft des VfL Neckarau und gehörte zur «goldenen Generation» seines Heimatvereins. «Das war die schönste Zeit. Ich habe nie wieder so viel Spass gehabt», sagte Gross einmal der Zeitschrift 11 Freunde. Nach seinem Wechsel nach Hoffenheim verbrachte er fünf Spielzeiten in Ingolstadt, bevor er 2017 für nur 3 Millionen Euro nach Brighton wechselte. Dort ist er Vize-Kapitän und mit 30 Toren Rekordtorschütze in der Premier League. Er ist ein weiterer vielseitiger Spieler, der beidfüssig ist und gute Flanken schlägt. In dieser Saison kam er bei Brighton fast überall zum Einsatz: als Linksverteidiger, Rechtsverteidiger, in der Abwehr und im offensiven Mittelfeld. In der Nationalmannschaft ist Gross eine Option für den Platz neben Kroos im zentralen Mittelfeld - Gross und Kroos, das wird für alle Schwaben eine schwer zu lösende Aufgabe.

Kai Havertz

11.06.1999 / Stürmer / Arsenal

Deutschlands «Linksverteidiger der Herzen» - so nannte Nagelsmann ihn in den Spielen gegen Österreich und die Türkei letztes Jahr, bevor er das Experiment schnell wieder aufgab. Das war eine verrückte Idee, sagt aber etwas über einen Spieler aus, der noch auf der Suche nach seiner besten Position ist. Bei Arsenal spielt er mangels Alternativen - genau wie in der Nationalmannschaft - hauptsächlich als Nummer 9, hat sich aber in der zweiten Saisonhälfte sehr gut geschlagen. Ein unglaublicher Spieler, der aber mit seinen 24 Jahren Gefahr läuft, ein ewiges Talent zu werden (obwohl er in einem Champions-League-Final den Siegtreffer erzielte). Oft ist er überall, manchmal nirgends; so war er zum Beispiel bei Arsenals Champions-League-Aus in München nicht zu sehen. Obwohl er eindeutig der talentierteste Stürmer ist, ist er keine unumstrittene Wahl, um in diesem Sommer die Mannschaft anzuführen. Ist mit vielen Tieren aufgewachsen, sein Lieblingstier sind Esel. Kann das Buster-Keaton-Steingesicht machen. Rudi Völler nannte ihn einmal «eine Mischung aus Michael Ballack und Mesut Özil». An einem guten Tag ist er genau das.

Niclas Füllkrug

09.02.1993 / Stürmer / Borussia Dortmund

Lücke. So wird er wegen seiner markanten Zahnlücke genannt. Füllkrug wechselte 2023 zum BVB, nachdem er zuvor für Bremen, Hannover, Nürnberg und Fürth gespielt hatte. Sein erstes Länderspiel bestritt er erst mit fast 30 Jahren. Leistet in Spielen, in denen er keine Tore schiesst, keinen grossen Beitrag für seine Mannschaft - aber er hat in seinen 15 Länderspielen 11 Tore geschossen (Stand jetzt). Er weiss seinen Körper einzusetzen und fühlt sich im Strafraum wohl, was man nicht von jedem deutschen Stürmer behaupten kann. Füllkrug hatte bis Mitte Mai 16 Tore für den BVB in der Saison 2023/24 erzielt, musste dann aber eine neun Spiele andauernde Durststrecke durchstehen, bevor er in der Königsklasse gegen Atlético Madrid wieder traf. Er sagte danach auf Amazon Prime: «Wenn man die ganze Saison betrachtet, wo ich herkomme, was ich in meiner Karriere erlebt habe, und dass ich jetzt mit Borussia Dortmund im Halbfinal der Champions League stehe, ist es egal, dass ich in neun Spielen nicht getroffen habe.»

Deniz Undav

19.07.1996 / Stürmer / Stuttgart

Musste sich entscheiden, für welche Nationalmannschaft er lieber spielen würde: Deutschland oder die Türkei. In einem Interview nach einem Bundesliga-Spiel zitierte er die deutsche Nationalhymne: «Einigkeit und Recht und Freiheit», und gab so seine Wahl bekannt. Selbst der deutsche Landwirtschaftsminister und VfB-Fan Cem Özdemir war beeindruckt von seiner lockeren Art. Vor vier Jahren spielte Undav noch in der dritten Liga in Meppen, dann wechselte er in die zweite belgische Liga zu Aufsteiger Union Saint-Gilloise. Im Jahr 2022 wechselte er zum Schwesterverein Brighton, wurde aber in dieser Saison zunächst an Union SG und dann an Stuttgart ausgeliehen. Mit 18 Toren in dieser Saison ist er der erfolgreichste deutsche Stürmer in der Bundesliga. Er hat einen guten Torriecher, kann aber im Gegensatz zu Füllkrug auch ausserhalb des Strafraums Akzente setzen. Wenn man ihn fragt, seine Karriere in drei Worten zu beschreiben, lautet seine Antwort: hart, fast unmöglich, Spass. Vier Worte, aber eine gute Zusammenfassung.

Maximilian Beier

17.10.2002 / Stürmer/ Hoffenheim

Der 21-Jährige sagte, er habe keinen richtigen Satz herausbekommen, als Nagelsmann ihn im März zum ersten Mal anrief, und sagte nur: «Ja, ja, okay, ja.» Manche Beobachter meinen, dass jeder Deutsche, der ein Tor in der Bundesliga schiesst, eine Chance auf eine Nomination hat, aber Beier war in dieser Saison nach Deniz Undav der zweitbeste deutsche Stürmer in der Liga. Er ist schnell und zieht gerne mit links in den Strafraum. Er stammt aus Brandenburg an der Havel und ist damit neben den zurückgekehrten Kroos und Andrich einer von drei Spielern aus der ehemaligen DDR in der Nationalmannschaft. Jetzt spielt der Youngster am anderen Ende des Landes bei Hoffenheim und hat die Chance, Europameister zu werden.

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