Auf einen Blick
- Mitte-Partei sucht Nachfolger für Viola Amherd. Chaotischer Wahlprozess mit vielen Absagen
- Parteiinterne Konflikte und Negativschlagzeilen des VBS erschweren die Kandidatensuche
- Zwei Kandidaten stehen zur Wahl: Markus Ritter (57) und Martin Pfister (61)
Am Mittwoch ist es so weit. Das Parlament wird Markus Ritter (57) oder Martin Pfister (61) zum Nachfolger von Bundesrätin Viola Amherd (62) auf den Schild heben. Die Mitte-Spitze dürfte sich dreimal bekreuzigen. Endlich wird ein Wahlprozedere beendet sein, wie es für die Partei kaum schlechter hätte laufen können.
Gerne wird Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62) als grosser Stratege gefeiert. Immerhin hat er die CVP mit der BDP-Fusion zur neuen Mitte-Partei zurück zum Erfolg geführt. Bei der Amherd-Nachfolge aber lässt die Parteispitze wenig Strategie erkennen. Zu offensichtlich sind die vielen Alleingänge, die internen Rangeleien, die fehlenden Absprachen. Chaostage in der Mitte!
Strategielos auf Nachfolgesuche
Für die erste Überraschung sorgt Pfister gleich selber mit seinem Rücktritt als Parteipräsident. Dann wird bekannt, dass mit Generalsekretärin Gianna Luzio (45) auch seine rechte Hand geht. Überrumpelt zeigt sich die Partei aber von Amherds Rücktrittsankündigung wenige Tage später. Dabei kann einzig der frühe Zeitpunkt überraschen. Über einen Rücktritt aber ist schon lange spekuliert worden.
Die Mitte hätte also genügend Zeit gehabt, sich eine Strategie zurechtzulegen. Hat sie nicht. Vogelwild sagen Möchtegern- und wirkliche Favoriten in rascher Folge ab – statt die Gelegenheit zu nutzen, im Interesse der Öffentlichkeit zu stehen.
Pfister gilt selber als grosser Favorit für die Amherd-Nachfolge. Er verzichtet. Das Amt würde ihn nicht glücklich machen, begründet er. Es folgt Absage auf Absage. Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (46) will ebenso wenig antreten wie die Top-Anwärter Martin Candinas (44), Isabelle Chassot (59) oder Andrea Gmür (60). Auch von Nicole Barandun (56) oder Benedikt Würth (57) kommt ein Nein.
Christophe Darbellay (53) bietet an einem Sonntagabend sogar die versammelte Medienmeute ins Wallis auf – um im letzten Moment doch noch einen Rückzieher zu machen. Er ist zuvor als letzte Hoffnung der Partei gehandelt worden. Unweigerlich drohen jene, die letztlich auf dem Kandidatenticket gelandet sind, wie Notnägel zu wirken – möglicherweise völlig zu Unrecht.
Partei macht sich das Leben selber schwer
Nicht einfacher wird die Nachfolgesuche durch das Vorpreschen der Mitte-Frauen. Aussichtsreichere Kandidaten werden frühzeitig demontiert, die Parteispitze bei jeder Gelegenheit attackiert, lautstark eigene Ansprüche platziert. «Die Mitte-Frauen fordern mindestens eine Frau auf dem Ticket», so Präsidentin Christina Bachmann-Roth (41). Nur will letztlich nicht eine einzige Frau kandidieren. Das offensive Vorgehen sorgt für Missmut. Die Mitte-Frauen werden aus den eigenen Reihen zur Mässigung aufgerufen. Zu spät: Viel Geschirr ist da bereits zerschlagen.
Parallel dazu sorgt das Verteidigungsdepartement (VBS) für eine Negativschlagzeile nach der anderen. Sei es der Ruag-Skandal, das Drohnen-Debakel oder verwirrende Diskussionen um einen vermeintlichen Liquiditätsengpass bei der Armee – es entsteht der Eindruck eines Debakel-Departements. Vom Exodus an der VBS-Spitze ganz zu schweigen. Auch das macht eine Kandidatur für viele nicht verlockender.
Gross ist die Erleichterung, als sich nach all den Absagen Ritter meldet. Er will sich der VBS-Herausforderung stellen, will neuer Mitte-Bundesrat werden. Ritter sieht sich bereit und befähigt, lässt aber rasch kaum ein Fettnäpfchen aus und stösst nicht nur die Frauen vor den Kopf, sondern auch die Städter.
Sogar die Parteispitze hätte sich ein anderes Ticket gewünscht
Und nur Stunden bevor die Meldefrist abläuft, springt Pfister auf den Bundesrats-Zug auf, erspart seiner Partei so die Blamage eines Einertickets. Dass damit aber nicht einmal die Mitte-Spitze zufrieden ist, zeigt, dass sie im letzten Moment noch verzweifelt auf der Suche nach einer Kandidatin ist. So kontaktiert die Findungskommission etwa alt Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (61), was diese brühwarm herausposaunt.
Es bleibt bei Ritter und Pfister. Sie sorgen gleich zu Beginn ihres Wahlkampfs für Irritation. Die Junge Mitte lädt zu einem ersten öffentlichen Schlagabtausch ein. Die beiden aber zieren sich. Kurzfristig werden Journalisten wieder ausgeladen.
Im Bundeshaus gelten die beiden aber als valable Kandidaten. Restlos vermag bisher aber keiner der beiden zu überzeugen. SVP-Doyen Christoph Blocher (84) kokettiert kurzzeitig sogar mit einer Rückkehr in den Bundesrat. Auch die Bundeshausfraktionen mögen sich bisher nicht zu einer Empfehlung durchringen.
Egal wie die Wahl am kommenden Mittwoch ausgeht, für die noch immer junge Mitte wird sie unerwartet zur Zerreissprobe. Machtkämpfe brechen neu aus. Die Partei wird sich neu orientieren müssen. Eine neue Strategie ist ohnehin in Arbeit. Neben dem Bundesratssitz sind auch das Präsidium und das Generalsekretariat neu zu besetzen. Für die Mitte wird dies richtungsweisend sein.