Andrea Gmür will nicht Mitte-Bundesrätin werden – und äussert sich nun schonungslos
«VBS war und ist nicht bereit für eine Frau an der Spitze»

Andrea Gmür (Mitte) spricht erstaunlich offen über ihrem Rückzug aus dem Bundesratsrennen. Sie kritisiert die mangelnde Bereitschaft des Verteidigungsdepartements für eine Frau an der Spitze. Und sie glaubt, dass männliche Kandidaten anders beurteilt werden.
Publiziert: 11:13 Uhr
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Aktualisiert: 13:23 Uhr
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Andrea Gmür (l.) will nicht Nachfolgerin von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd werden.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Luzernerin Andrea Gmür will nicht Amherd-Nachfolgerin im Bundesrat werden
  • Mehrheit von VBS und Armee nicht bereit für Frau an der Spitze, sagt Gmür
  • Gmür sitzt seit 2015 im Bundesparlament, war 2021 kurzzeitig Fraktionschefin
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Sie galt als letzte Hoffnung für eine weibliche Nachfolge von Mitte-Bundesrätin und Verteidigungsministerin Viola Amherd (62): Als Luzerner Ständerätin und Sicherheitspolitikerin hätte Andrea Gmür (60) gute Voraussetzungen für das Amt mitgebracht – zumal die Zentralschweiz schon lange nicht mehr in der Landesregierung vertreten war.

Doch dann zog sie sich vergangene Woche überraschend aus dem Rennen zurück. Tagelang schwieg sie zu den Hintergründen ihrer Entscheidung. Nun aber hat sie sich geäussert – und das bemerkenswert offen. Ihr Interview mit Zentralplus kommt stellenweise einer Abrechnung gleich.

Die Mitte-Frauen und ihre Präsidentin Christina Bachmann-Roth (41) haben sich intensiv um eine Bundesratskandidatin bemüht – vergeblich. Gmür lobt die Arbeit der Mitte-Frauen. «Aber ich bin dann doch zu egoistisch, um fürs Frausein mein ganzes Leben zu opfern», sagt sie.

Der Wunsch nach «männlichem» Sachverstand

In Sachen Gleichstellung seien die Ziele noch nicht erreicht. Gmür verweist auf das Verteidigungsdepartement (VBS), das sie im Fall einer Wahl in den Bundesrat wohl hätte übernehmen müssen. «Die Mehrheit des männerdominierten VBS, vor allem der Armee, war und ist nicht bereit für eine Frau an der Spitze», so Gmür.

Das sage sie «klar aufgrund der Erfahrungen, die ich als Frau und Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission immer wieder selber mache». Die Aussagen der Ständerätin sind umso erstaunlicher, weil ihre Parteikollegin Amherd in den letzten sechs Jahren als erste Frau dem VBS vorstand.

Und Gmür geht noch weiter: «Innerhalb unserer Fraktion haben wir zwei Männer, die für eine Bundesratskandidatur leider abgesagt haben und deren Kompetenz als Bundesrat und Verteidigungsminister nie infrage gestellt worden wäre, auch von mir nicht», sagt Gmür. Und dies, obwohl beide Männer dienstuntauglich seien. Namen nennt sie keine.

Sie ist überzeugt, «da wäre innerhalb vom VBS und der Armee sogleich geklatscht worden, weil endlich ‹männlicher› Sachverstand ins VBS eingezogen wäre», so Gmür gegenüber Zentralplus weiter. «Obwohl sie nie einen einzigen Tag in der Armee gedient haben und obwohl sie – abgesehen vom Geschlecht – praktisch identische Voraussetzungen fürs Amt mitgebracht hätten wie die jetzige Verteidigungsministerin.»

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Die fragwürdige Aussage von Markus Ritter

Viola Amherd selbst hat sich bei ihrer Rücktrittsankündigung nicht dazu geäussert, ob sie als Frau im VBS anders beurteilt worden sei oder ob sie Akzeptanzprobleme wahrgenommen habe.

Für Kritik sorgte Mitte-Bundesratskandidat Markus Ritter (57). Frauen aus der Mitte interessierten sich für andere Departemente, sagte der St. Galler. Das VBS sei «schwierig für sie».

Andrea Gmür will Parlamentarierin bleiben: «Für mich persönlich ist das Amt der Ständerätin das schönste.» Ihre persönliche Freiheit bleibe so erhalten. «Meine Lebensplanung sieht anders aus.» Gmür sitzt seit 2015 im Bundesparlament. 2021 schmiss sie das Amt als Fraktionschefin nach rund einem Jahr hin.

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