Darum gehts
- Mitte-Partei suchte verzweifelt nach einer Frauenkandidatur
- Kurz vor Anmeldeschluss wurde eine Bündner Ex-Regierungsrätin angefragt
- Barbara Janom Steiner hatte nur 1,5 Stunden für die Entscheidung
Auf den letzten Drücker hat es noch geklappt: Der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (57) gab kurz vor Ablauf der Anmeldefrist bekannt, dass er als Bundesrat kandidieren will. Er ersparte der Mitte-Partei damit ein Debakel – fast hätte sie Markus Ritter (61) als alleinigen Kandidaten für die Nachfolge von Viola Amherd vorschlagen müssen.
Eigentlich hätte die Partei gerne eine Frau aufs Ticket gesetzt. Doch die Mitte-Hoffnungsträgerinnen hatten sich zuvor reihenweise aus dem Rennen genommen. Isabelle Chassot (59), Heidi Z’graggen (58), Karin Kayser-Frutschi (58) wollten alle nicht. Trotz Personalmangel blieben einige Exponentinnen der Mitte-Frauen deutlich: Ein reines Männerticket für die Bundesratswahl geht nicht.
Nur eineinhalb Stunden für Entscheidung
Offenbar wollte auch die Mitte-Spitze den Männern das Feld bis ganz zum Schluss nicht überlassen. Am Montagmorgen, nur eineinhalb Stunden vor Fristablauf um 12.00 Uhr, war man noch verzweifelt auf der Suche nach einer Kandidatin. Weil alle Regierungsrätinnen von der Findungskommission schon kontaktiert worden waren, versuchte es die Findungskommission jetzt auch noch bei alt Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (61).
Janom Steiner war Vizepräsidentin der BDP, bevor die Partei mit der CVP zur Mitte fusionierte. Vor sieben Jahren schied sie aus dem Regierungsrat aus – seither hat sie kein politisches Amt mehr inne. Heute ist sie Präsidentin des Bankrats der Schweizerischen Nationalbank.
«Am Montag wurde ich überraschend von der Mitte-Partei Graubünden und von Gerhard Pfister kontaktiert. Herr Pfister hat zum Ausdruck gebracht, dass er gerne eine Frau auf dem Ticket hätte», so Janom Steiner. Innerhalb von nur eineinhalb Stunden hätte sie sich entscheiden müssen – ganz ohne Vorbereitungszeit sei das nicht möglich gewesen.
«Sehr kurzfristig»
Das Bündner Finanzdepartement hatte Janom einst von Eveline Widmer-Schlumpf (68) geerbt, als diese in den Bundesrat einzog. Widmer-Schlumpf war ebenfalls in der BDP, die Parteikolleginnen gelten als enge Vertraute. War die Situation der Mitte so aussichtslos, dass man in einer Hauruckaktion noch eine Last-minute-Kandidatin aufstellen wollte?
Parteipräsident Gerhard Pfister (62) will das Spontanverfahren nicht auf die eigene Kappe nehmen. «Die Verantwortung lag bei den Kantonalparteien. Die Findungskommission hat auf deren Wunsch abschliessend Gespräche geführt, diese sind aber bezüglich Inhalt und Personen vertraulich. Persönlich hätte ich eine Frauenkandidatur begrüsst.»
Laut Kevin Brunold (39), Präsident der Bündner Mitte, war es ein letzter Versuch, eine Frau aufs Ticket zu hieven. «Am Montagmorgen war zum Beispiel Elisabeth Schneider-Schneiter noch im Rennen. Sie hat aber kurz vor Ablauf der Frist ebenfalls abgesagt. Eine Frauenkandidatur hätten wir sehr begrüsst, deshalb haben wir bei Barbara Janom Steiner nachgefragt, ob sie an einer Kandidatur interessiert wäre.» Da dies sehr kurzfristig war, verstehe er gut, dass sie sich so schnell nicht entscheiden konnte.
Keine Bemühungen um Gmür und Schneider-Schneiter
Für einige Mitte-Vertreterinnen im Parlament dürfte der Schnellschuss einen bitteren Beigeschmack haben. Gemäss Recherchen von CH Media führte man ausgerechnet mit den beiden Frauen, die bis zum Schluss im Rennen waren, keine ernsthaften Gespräche. Weder Ständerätin Andrea Gmür (60) noch Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (60) wurden von den beiden Co-Präsidenten der Findungskommission kontaktiert.
Und mit etwas mehr Langzeitplanung hätte die Mitte durchaus Erfolg haben können: «Abschliessend geklärt habe ich die Frage für mich nicht», so Janom Steiner. «Ich kann nicht ausschliessen, dass ich kandidiert hätte, wenn sie mich früher kontaktiert hätten.»