Vorwürfe wegen schlechtem Arbeitsklima
Das steckt hinter dem Mitte-Knatsch um Pfisters Generalsekretärin

Was ist in der Mitte los? Parteichef Gerhard Pfister holt eine alte Geschichte ein. Es geht um seine Generalsekretärin.
Publiziert: 13:03 Uhr
1/4
Reizfigur: Mitte-Generalsekretärin Gianna Luzio.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Heftiger Machtkampf um Pfisters Nachfolge und Bundesratskandidatur
  • Vorwürfe gegen Generalsekretärin Luzio wegen schlechtem Arbeitsklima
  • 23 bis 30 Mitarbeitende verließen das Generalsekretariat seit 2018
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Raphael_Rauch (1).jpg
Raphael RauchBundeshausredaktor

In der Mitte tobt ein heftiger Machtkampf. Es geht um zwei Fragen: Wer wird Nachfolger von Gerhard Pfister (62) als Parteichef? Wer bringt sich als möglicher Bundesratskandidat in Stellung? Seit Pfister am Dreikönigstag bekannt gegeben hat, sein Amt als Parteichef am 28. Juni abzugeben, brodelt es. Nun holt ihn eine alte Geschichte ein, die bereits im Februar 2023 im Blick für Schlagzeilen sorgte: dem Vorwurf, in der Geschäftsstelle der Mitte herrsche ein «Klima der Angst». Verantwortlich dafür soll vor allem Pfisters Generalsekretärin Gianna Luzio (45) sein. Blick berichtete damals: «Seit Luzios Amtsantritt im September 2018 haben je nach Darstellung 23 bis 30 Mitarbeitende das Generalsekretariat verlassen – mehr oder eher weniger freiwillig.» 

Sechs Personen hatten sich damals an den Berner Rechtsanwalt Urs Marti gewandt und waren anonym geblieben. Wer die Anwaltskosten bezahlt hat, ist bis heute unklar. Der Rechtsanwalt wies das Parteipräsidium im Januar 2023, also vor Erscheinen des Blick-Artikels, auf seine Fürsorgepflicht hin: «Das Präsidium der Mitte Schweiz hätte längst handeln müssen. Dies gilt umso mehr, als die inakzeptable Konfliktsituation auf dem Generalsekretariat Mitte und die daraus resultierenden, ausserordentlich hohen Personalfluktuationen partei-intern offenbar allseits bekannt sind.» 

Der Anwalt der Mitte-Partei wies in seinem Antwortschreiben die Vorwürfe vollumfänglich zurück: «Das Parteipräsidium hat der Generalsekretärin das Vertrauen klar und deutlich ausgesprochen und Ihre Forderungen nach deren Freistellung in aller Form zurückgewiesen.» Zu den Vorwürfen von 2023 sagt Pfister heute: «Die Anschuldigungen wurden damals anonym an uns herangetragen. Das Parteipräsidium hat sich mit diesen wiederholt befasst. Sie sind nachweislich falsch.» Die Partei verfüge seit Februar 2020 auf Vorschlag von Generalsekretärin Luzio über eine Ombudsstelle. 2023 folgte eine neue Ombudsstelle. In einem Protokoll des Parteipräsidiums vom 27. Mai 2024, das SonntagsBlick vorliegt, steht: «Die anonymen und medialen Anschuldigungen an das Parteipräsidium und die Generalsekretärin wurden bis heute nicht substanziiert. Es lagen und liegen keine rechtlichen Klagen vor.»

Hilfe von externem PR-Berater

Als Blick Ende Februar die anonym vorgebrachten Vorwürfe publik machte, nutzte Pfister einen externen PR-Berater. In einem Kommunikationskonzept, das SonntagsBlick vorliegt, steht: «Stetig dieselben Begriffe wiederholen, also z.B.: Anwürfe, nicht bloss Vorwürfe. Heckenschützen, nicht Klientschaft (Ausnahme: Gianna spricht von Leuten). Anonym. Feige.» Ausserdem: «Gianna ist ausserhalb der Bundeshaus-Bubble kaum bekannt. Ein gutes Foto von ihr muss in den Umlauf gebracht werden, allenfalls via Twitter.» Pfisters Strategie ging auf: Er konnte die Reihen hinter sich schliessen – und der Erfolg bei den eidgenössischen Wahlen gab ihm zusätzlich recht. 

Am 21. Oktober 2024 erhielt das Thema eine neue Dynamik: Erneut meldete sich der Berner Anwalt Urs Marti. Der Anwalt machte die Interessen seiner Mandantin geltend, die nach wie vor bei der Mitte beschäftigt ist. Das Schreiben gab bei einigen Fraktionsmitgliedern zu reden, denn anders als bislang war es keine Stimme aus dem Off, sondern eine konkrete Person, die sich beschwerte – dem Vernehmen nach eine, mit der die Parlamentarier gerne zusammenarbeiteten. 

Drei Tage später, am 24. Oktober, beantragten acht Mitglieder des Parteipräsidiums eine ausserordentliche Sitzung: «Mit dem an uns alle zugestellten Schreiben vom 21. Oktober 2024 wird nicht zum ersten Mal unsere Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin in Frage gestellt. Wir sind sehr in Sorge und stehen in der Verantwortung», steht in einem E-Mail, das SonntagsBlick vorliegt. Weiter heisst es: «Aufgrund der aktuellen Umstände erachten wir die Einberufung einer ausserordentlichen Präsidiumssitzung so schnell wie möglich als zwingend.» 

Am 31. Oktober fand im Bundeshaus die ausserordentliche Präsidiumssitzung statt. Ein Protokoll hierzu konnte SonntagsBlick nicht einsehen, aber einen Bericht von Ombudsmann Sven Rüetschi. Daraus geht hervor, dass auf dem Generalsekretariat der Mitte unter der Leitung von Luzio weder Führungsprobleme noch ein schlechtes Arbeitsklima bestehen. Doch die Ombudsstelle kam zum Schluss, dass aufgrund der Fürsorgepflichten der Arbeitgeberin das Team vor der besagten Mitarbeiterin geschützt werden müsse. Doch damit war das Problem nicht aus der Welt. Zu Beginn der Wintersession machten einzelne Mitglieder der Fraktion ihrem Ärger Luft. Gerhard Pfister war in der Fraktionssitzung nicht anwesend, als sich der mächtige Bauernlobbyist Markus Ritter (57) zu Wort meldete und kritische Fragen stellte. Dem Vernehmen nach: Was denn da los sei? Warum es schon wieder ein Personalproblem gebe? Andere Parlamentarier erhoben ebenfalls das Wort; später wurden Gianna Luzio und die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle gebeten, den Saal zu verlassen, damit die Parlamentarier unter sich diskutieren können. «Es gab im Jahr 2024 eine etwas höhere Fluktuation», bestätigt die Generalsekretärin. «Das ist in einem Nachwahljahr in allen Parteisekretariaten üblich, weil etwa befristet Stellen und Praktika wegfallen.» 

Ausschuss für Fraktionsmitglieder

Fraktionschef Philip Bregy (46) diskutierte später das Thema im Fraktionsvorstand. Eine Woche später wurde eine Lösung gefunden. In einer mit Bregy und Ständerätin Isabelle Chassot (59) abgestimmten Erklärung teilt Ständerat Daniel Fässler (64) mit: «Im Rahmen einer Fraktionssitzung sind Fragen zum General- und Fraktionssekretariat und zur Zusammenarbeit mit diesen gestellt worden. Die Fraktion hat daraufhin beschlossen, einen Ausschuss einzusetzen, an den sich die Fraktionsmitglieder im Januar 2025 mit ihren Anliegen wenden können. Anschliessend soll eine Umfrage bei allen Fraktionsmitgliedern gemacht werden. Diesem Ausschuss gehören Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy sowie als Vorstandsmitglieder die Ständeräte Isabelle Chassot und Daniel Fässler an. Gleichzeitig hat die Fraktion das Präsidium der Mitte Schweiz eingeladen, im Rahmen der laufenden Erarbeitung der Strategie 2033, welche extern begleitet wird, eine unabhängige und externe Umfrage bei den Mitarbeitenden durchführen zu lassen, da die Fraktion in Mitarbeiterfragen nicht zuständig ist.» 

Bereits diesen Mittwoch tagt das Parteipräsidium; dann sollen erste Schritte in Richtung Findungskommission für die Pfister-Nachfolge getroffen werden. Ob die «Einladung» der Fraktionsmitglieder an die Partei, eine unabhängige und externe Umfrage bei den Mitarbeitenden durchzuführen, zum Thema gemacht wird, ist unklar. Auch werden dem Vernehmen nach Generalsekretärin Gianna Luzio und ihr Stellvertreter, Maxime Marteil, ihren Abschied aus dem Generalsekretariat offiziell bekannt geben, nachdem Leaks dies diese Woche bereits durchsickern liessen. 

Wie geht Pfister mit den Spannungen in der Partei um? Im Gespräch mit SonntagsBlick betont Pfister, dass partei- und fraktionsinterne Spannungen auch eine Folge des Mitte- Transformationsprozesses seien. «Ich würde es aber sehr schätzen, wenn wir diese offen und transparent austragen würden und nicht zu Lasten unserer Mitarbeitenden». Vorwürfe, sich zu wenig um das Arbeitsklima gekümmert zu haben, weist er zurück: «Die externe und unabhängige Ombudsstelle stellt Luzio ein gutes Zeugnis aus. Ich bin bereit, mit jedem zu sprechen, der mit mir sprechen will.» Der Machtkampf in der Mitte dürfte weitergehen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?