Letzte Woche hatte ich anhand aktueller Begegnungen die Erkenntnis gewonnen, dass es bei Menschen eine Nuance des Sich-toll-Vorkommens gibt, die sie vom Symphatischen ins Unsymphatische befördert. Die Nuance ist dieser kleine feine Unterschied zwischen Toll-Sein und Sich-toll-Vorkommen.
Es gibt ganze Nationen, die sich supertoll vorkommen: Die Engländer, die Franzosen und erst die Italiener – die kommen sich so toll vor, dass man es nicht mehr erträgt, wenn sie einem vor jeder Mahlzeit eindringlich erklären, dass Italian Food das Beste sei. Jaja, denkt man und schaufelt schweigend köstliche Pasta in sich rein, aber spart zur Strafe mit Lob.
Wir Deutschen kommen uns überhaupt nicht toll vor – dazu haben wir zu viel Mist gebaut, und dazu sind wir auch zu schlecht angezogen. Und uns mag ja auch niemand. Und wenn, dann nur als wirtschaftliche Retter. Am letzten Donnerstag haben wir auch noch gegen die arroganten Franzosen verloren, so bleibt uns gar nichts mehr zum Toll-Sein. Was ich aber nicht so schlimm finde, denn Demut macht bekanntlich sympathisch, wie ich gerade bei den Griechen feststellen konnte – ein überaus sympathisches Volk.
Die Schweizer kommen sich auch nicht toll vor, denn sie wissen, sie hatten grosses Glück und es ging auch alles zu schnell mit dem Coolsein, da bleibt man lieber vorsichtig. Die Iraner – das Volk, aus dem meine Eltern ursprünglich stammen – kommen sich dagegen unglaublich toll vor, obwohl sie in den letzten Jahrhunderten nichts Positives geleistet haben. Wenn man sie auf ihr Verliererimage hinweist, so wie ich in meinem Roman «Hinter dem Mond», zeigen sie empört auf ihre 7000-jährigen Kulturgeschichte. Das ist lange her.
Woher kommt die Arroganz? Man weiss es nicht. Dasselbe Problem haben viele in meinem Bekanntenkreis. Vor allem Männer, die betucht sind und zu viel Aufmerksamkeit bekommen. Sie kommen sich so toll vor, dass man kaum noch «Hallo» sagen möchte. Ihr Selbstbewusstsein puscht dann in die Höhe, wenn ihnen Frauen hinterherlaufen. Vor allem, wenn sie älter (ab Vierzig) und noch ansehnlich sind. Die wenigen sexy Männer, die bleiben, stehen hoch im Kurs. Doch das verdirbt ihren Charakter enorm – sie kommen sich unfassbar toll vor, obwohl sie Vollidioten sind.
Uns Frauen vergeht das Sich-unfassbar-toll-Vorkommen leider, sobald wir älter werden und uns die Welt nicht mehr zu Füssen liegt, weil wir so bezaubernde Wesen sind. Wir müssen etwas bieten, um toll bleiben zu dürfen – eine schöne Persönlichkeit zum Beispiel. An uns sollten sich Männer und Nationen einmal ein Beispiel nehmen.