Letztes Wochenende war ich nach Oktober zum ersten Mal wieder in Berlin. Allein daran kann man erkennen, wie lang mein persönlicher Winter war: sehr lang. Meine Berlin-Schwester, bekannt als Miss Violet, machte ihren ersten Supperclub im Hotel Adlon, einer durchaus angenehme Location. Supperclubs sind so etwas wie semiprivate Dinnerpartys. Meine Schwester kocht Middle-East-Spezialitäten, und etwa 40 Freunde und Fremde kaufen sich Tickets, machen sich fein und freuen sich auf einen richtig guten Abend, denn schöner und lustiger kann man nicht essen.
Der Supperclub war super. Alle guten Freunde waren da, um mich zu treffen, und ich hab mehr gelacht und geredet als im Jahr 2015. «Wahnsinn», sagte ich später zu meiner Schwester, «wie lieb, dass die übersättigten und überentertainten Berliner noch mit einem Supperclub zu begeistern sind – und sich darüber hinaus über meine Anwesenheit so freuen. So viel Interesse an meiner Person bin ich sonst nicht gewöhnt.» – «Du bist halt selten hier», sagte meine Schwester, «denn in Berlin ist es so: Man bekommt mehr Respekt und Beachtung, wenn man nicht in der Stadt lebt, nicht immer verfügbar ist. Darüber hinaus muss man im Leben etwas Cooles machen, und du machst etwas Cooles.»
Wenn nicht, bekomme man in Berlin keinerlei Beachtung und versinke in Bedeutungslosigkeit. Violet nannte ein paar Freunde: gelangweilte Erben und andere, die mehr schlecht als recht einen Job ausüben, nur um zu überleben. Sie hatte recht, keiner interessierte sich für sie. Andere aber, die etwas tun, wovon alle profitieren, werden mit Aufmerksamkeit überschüttet: ob sie nun ein tolles Restaurant betreiben oder für eine Zeitung schreiben.
In Zürich ist es anders, da bekommt man am meisten Respekt für Geld, obwohl viele reichlich davon besitzen. Ich wundere mich immer, was für Langweiler und peinliche Typen hofiert werden, nur weil sie reich sind, aber sonst nichts können. Leistungen bringen einem in der Schweiz zwar auch Respekt ein, aber niemals so viel wie ein grosser Geldbunker. In München ist es nochmals anders. Dort überzeugen weder Geld noch Leistung, dort muss man ein «von» im Namen haben. Oder einen Nachnamen, der auf eine ruhmreiche Familiengeschichte hinweist. Ohne «von» bleibt einem in München einzig Heirat oder Anbiederung – deswegen ist München Deutschlands Hauptstadt der Anbiederung. Nur wer das ganze Jahr zu jedem Telefonzellen-Opening geht, darf auf eine Einladung zum Höhepunkt der Anbiederungs-Festspiele hoffen, dem Oktoberfest.
In Berlin hilft das alles nichts. Kein Geld, kein Geschleime, kein «von» im Namen. Man muss cool sein, sonst ist man draussen. Hart, aber gerecht. I love it.