Ich bin seit letzter Woche bei meiner Schwester in London. Und ich habe dort sogar Freunde, die mich zu sich nach Hause auf ihre Party einladen, allerdings nach Notting Hill, das liegt gute 45 Autominuten von uns entfernt. Als ich nachts nach Hause wollte, sagten ein paar Jungs, ich solle doch Pooling machen, dann wäre die Fahrt nicht so teuer. «Was ist Pooling?», frage ich. «Noch nie gehört.» – «Eine neue Funktion bei der Uber-App», sagen die anderen, «man muss etwas länger warten, und teilt sich dann den Wagen mit Leuten, die dieselbe Route haben, dadurch kostet es viel weniger.» Und es wäre lustig, sagte Emma, man würde neue Leute treffen.
«Where do you come from?»
Pooling ist in der Stadt offenbar so etwas wie das neue Tinder. Die Londoner wieder, dachte ich mir, als hätten die nicht schon genug Spass und Möglichkeiten, nun amüsieren sie sich auch noch während langweiliger Fahrten durch die nächtliche City. Es war Samstagabend, und ich erlebe ja sonst nie etwas in der Schweiz und schon gar nicht in Deutschland, also rief ich ein Uber-Pool. Neun Minuten später kam Hassan mit seinem Toyota. Hinten sass ein Typ im Anzug, eine Frau im Cocktailkleid hing mit ihrem Kopf aus dem Fenster und stöhnte. «Hi», sagte ich und setzte mich nach vorn und fragte höflich: «Ist alles okay mit ihr?» – «Nein, ist es nicht, sie hat zu viel getrunken», antwortete der Begleiter, «obwohl ich ihr gesagt habe, sie soll es lassen.» Und dann: «Where do you come from?»
Ich finde es blöd, dass mich in London sogar der Postbote sofort fragt, woher ich komme, dabei sehe ich so aus wie jede englische Durchschnittsinderin. Aber mein deutscher Akzent ist vermutlich supergrauenvoll. «Switzerland», antworte ich also, weil die Engländer die Deutschen hassen. «Sollen wir ihr etwas Wasser geben?» Die Frau hatte grade geräuschvoll einen Teil ihres Mageninhalts aus dem Fenster verloren, sie stöhnte und setzte sich gerade hin.
«Er heiratet mich nicht!»
Ich fragte das Paar ein wenig aus. Sie waren Anwälte, kamen von einer Juristen-Party und fanden es cool, dass meine Schwester bei Baker & McKenzie, der grössten Kanzlei der Stadt, arbeitet. «Wie lange seid ihr zusammen?» – «Acht Jahre», quäkte sie, «aber er heiratet mich nicht!» – «Warum nicht?», fragte ich. Er: «Ich halte nichts von Verträgen im Privatleben, es ist nur ein Stück Papier.» – «Aber wenn es ihr so viel bedeutet?» – «Genau! Es bedeutet mir viel!», schrie die Frau im Cocktailkleid. «Hochzeiten kosten zu viel Geld», motzte er. Nun begann die Frau zu schreien und schlug ihn auf den Arm: «Wir können doch eine kleine Hochzeit machen!» Er rollte mit den Augen.
Wir waren vor dem Haus meiner Schwester angekommen, ich verabschiedete mich und hörte sie aus dem Fenster schreien: «Niemand bleibt so lange mit einem Mann zusammen, der sie nicht heiratet.» Ich war wie immer in England voller Neid. Die Londoner haben es einfach zu gut, es gibt hier einfach nichts, was keinen Spass macht.