Es ist leider sehr selten, dass ich Texte anderer Autoren lese und mir danach denke: Wow, so ist es, genau so! Aber gestern las ich einen Text über Langeweile einer jungen deutschen Autorin (verzeihen Sie, dass es keine Schweizerin ist) Ronja von Rönne. Ronja ist eine kluge, freche Göre, und wenn sie über Feminismus schreibt oder spricht, regt sich halb Deutschland auf. Zum einen, weil die grauen Herren in den einschlägigen Literaturabteilungen auf sie und hinter ihr stehen – zum anderen, weil sich in Deutschland gerade alle die ganze Zeit aufregen wollen. Es ist gerade Aufregezeit.
Also Ronja schreibt für Ihren Blog «Sudelheft» (googeln Sie ihn, es lohnt sich!) wie langeilig ihr ist. Und sie beschreibt diese grauenvolle, lähmende sinnlose Langweile, die nur Menschen, denen die Langweile in den Knochen steckt, nachempfinden können. Ronja sagt, wie ihr alle raten, sie soll doch einen Text schreiben oder ein Buch lesen oder spazieren gehen, aber diese Dinge verschlimmern ihre Langweile nur. Und ausserdem ist ihr auch zu langweilig, um irgendetwas zu tun. Ich war begeistert. Mir ging es lange auch so, mir war schon als Kind langweilig und meine Mutter sagte, ich solle ein Spiel spielen, was aber kein bisschen half. Als ich etwas grösser war sagte sie
immer: Räum dein Zimmer auf! Ich habe dann oft einen Wutanfall bekommen über die Unverschämtheit, mir so etwas anzubieten. Später war alles langweilig: die meisten Partys, Jungs, die anderen Mädchen, das Studieren, alle Jobs, die ich ausprobierte, die meisten Bücher, Filme, Kunst, Sport, Reisen. Alles, ausser Musik und Klamotten.
«Schreib doch einen Text über all die Formen der Langweile». sagte der
Leiter des Gesellschaftsbundes einer grossen Schweizer Tageszeitung. Also schrieb ich darüber, wie tief die Langweile in mir steckt, wie sie sich direkt nach meiner Geburt über mich gestülpt hatte – und über die verschiedenen Langweiler, denen man als gelangweilter Mensch zwangsläufig begegnet. Wenn einem so langweilig ist, wie es Ronja spürt, hilft kein Clown, kein TV, kein Internet und kein gutes Buch. Dann muss etwas passieren, so gewaltig dass man von innen her einen Konfettiregen spürt.
Während ich mich freue, dass es jemanden gibt, der alles genauso empfindet wie ich, zucke ich zusammen. Ich habe mich seit über einem Jahr nicht mehr gepflegt gelangweilt, denn ich versinke in Arbeit. Jeden Tag habe ich eine lange Liste, auf der «Kolumne schreiben» steht, und es wird jede Woche schlimmer. Wenn ich mal ein paar Stunden nichts tue, dann, weil ich «braindead», also hirntot, bin und mich auf mein Bett freue. So ist also das Leben. Man langweilt sich fast 50 Jahre, und dann ist man – erwachsen.