Letzte Woche habe ich glücklich meine Wunschheimat erreicht: England. Letzten Freitag landete ich in Heathrow – und zwischen indischen Familien und einer versammelten Boarding School Class, die wohl aus einem Schweizer Internat für die Ferien nach Hause flog, fühlte es sich für mich an, wie die Heimkehr nach einem Kalten Krieg. Ein Zurückkommen nach einem Jahr voller Arbeit und vielen, vielen Erfahrungen für mein restliches Leben, ein kurzer Fronturlaub. Denn bald muss ich ja wieder zurück aufs Festland und weiterkämpfen.
In London aber gibts für mich nichts zu kämpfen, in London ist alles nur schön. Warum ich dann nicht einfach nach London ziehe und aufhöre zu jammern? Weil ich keine Engländerin bin und meine Heimat brauche, um mich zu spüren. Ich gehöre nun mal zu Deutschland, wo alle Menschen schlecht angezogen sind, nicht kochen können und auch sonst immer stilresistenter werden: und nicht zu England, diesem Luna Park für Erwachsene.
Kennen Sie das Sketch in der Londoner Conduit Street? Wir waren dort zwei Stunden speedshoppen und danach reif für Drinks in meinem Lieblingsort, der Gallery unten an der gleichen Strasse. Darin ist alles rosa eingerichtet, aber kein bisschen kitschig, sondern einfach nur wunderschön und unglaublich cool. Sodass man unter der Tür erschlagen von so viel bezaubernder Ästhetik stehen bleibt und einfach nur den Vibe in sich hineinlaufen lässt. Interior-Queen India Mahdavi hat das Lokal so eingerichtet, dass man das Gefühl hat, man sitze in der Törtchenauslage von Ladurée (in Zürich an der Kuttelgasse gibts leider nur deren Macarons).
Die Gallery-Sessel sind rosa wie eine Charlotte aux framboises und die Toiletten gleichen gigantischen, weissen Eiern, die man betritt wie Alice ihr Wunderland. So viel mit Humor gepaarte Stilsicherheit ist in Deutschland oder in der Schweiz unvorstellbar. In den rosa Sesselchen sassen harte Jungs in scharfen Anzügen und dateten Girls in engen Cocktailkleidern. Neben uns sass ein hübscher Kerl mit einer Japanerin, die zwischendurch – wenn sie dachten, dass keiner hinsieht – schnell knutschten. Das war der erste Teil des Abends.
Unser Abendessen nahmen wir dann in einem neuen Tempel namens Sexy Fish ein, und dessen Name war Programm. Danach war ich betrunken und zu Hause so erschöpft vor Glück, dass ich erst kurz auf dem Sofa im zweiten Stock einschlief, bevor ich mein Bett im dritten aufsuchte. Diese Townhäuser sind ja genau genommen Leitern – kaum ist man oben, schon muss man wieder runter.
So wie das ganze Leben. Rutschen Sie gut ins neue Jahr!