Die Schönheitswettbewerbe von Pebble Beach im kalifornischen Monterey und Villa d'Este am Comer See (I) sind für Oldtimerfans so wichtig wie die Oscarverleihung für Filmfreaks: Höhepunkte des Jahres, bei denen man gerne mal dabei sein würde. Doch seit zwölf Jahren reicht auch das ÖV-Ticket zum Zürcher Bürkliplatz, um ultrarare Autoklassiker zu bewundern. Denn am Zurich Classic Car Award ZCCA tauchen viele Preziosen auf, die auch schon in Nordkalifornien oder am Comer See gezeigt wurden.
Dieses Jahr verbuchte Veranstalter Christoph Lehmann einen Rekord: Mit 98 Oldtimern traten am 16. August so viele wie noch zur Schönheitskonkurrenz an. Viel Arbeit für die 17-köpfige Jury um Jurypräsident Ulrich Safferling. Jedes Autos muss begutachtet werden – ists original oder restauriert? Gehörte der Motor ab Werk zur Karosserie? Stimmen die Details und wird nach dem Auto geschaut? Und was wissen Eignerin oder Eigner von seiner Historie? All das fliesst in die Bewertung ein – und natürlich der subjektive Eindruck zum Styling. Schönheit bleibt Geschmackssache.
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Echte Schweizer Oldtimer
Die Sammler lassen sich für den ZCCA nicht lumpen: Viele nehmen seit Jahren teil und zaubern dennoch immer wieder neue, unerwartete Raritäten hervor. Irre in diesem Jahr: Von wohl nur drei produzierten Berlinettas des letzten Schweizer Autobauers Monteverdi waren gleich zwei am Bürkliplatz zu sehen. Eine unglaubliche Geschichte hat einer von drei gebauten DKW Lüscher Spezial von 1962. Der heutige Besitzer kaufte ihn als «Prototyp» – nackte Karosserie ohne Chassis. Er recherchierte, fragte in seinem Oldtimerclub herum. Ein Clubkollege zog ein Bild aus seinem Portemonnaie: «Sieht Deiner so aus?» Und outete sich dann als Erbauer: Der Modellschreiner Ernst Lüscher hatte sich 1957 auf einer Holzform drei Exemplare aus Polyester geformt. Nach 45 Jahren Restaurierung steht eines davon heute wieder samt DKW-Fahrgestell da.
In sechs Kategorien traten die Autos an, dazu in Sonderklassen zum 60. Geburtstag von Lamborghini, zu 75 Jahre Porsche und zum 125-Jahr-Jubiläum des Automobilclubs Schweiz ACS; dazu gabs einige Sonderpreise. Wie stark die Konkurrenz war, zeigt schon nur die Kategorie der Autos aus den 1960er-Jahren unter zwei Litern Hubraum. Ein Fiat Dino Spider, den Ex-Fiat-Boss Gianni Agnelli (1921–2003) einst seinem Schwager schenkte, machte trotz toller Historie nur Platz zwei. Geschlagen wurde er von einem ASA 100 GT. ASA? Die Autocostruzione Società per Azioni wurde extra für das Auto gegründet. Denn in dem eleganten Coupé von 1965 steckt ein Drittel eines Ferraris-Zwölfzylinders – macht vier Zylinder, 1,1 Liter Hubraum und 91 PS. Nur Ferrari durfte der GT nicht heissen – mit so winzigen Motoren wollte Enzo Ferrari (1898– 1988) nichts zu tun haben.
Kniende Kühlerfigur
Bestes Auto im Originalzustand – also ohne Restaurierung oder Neulack – wurde ein Rolls-Royce Phantom mit spezieller Kühlerfigur: Die «Spirit of Exstacy» kniet ausnahmsweise, weil sie dem Fahrer sonst im Blickfeld stünde. Den Sonderpreis für das am besten dokumentierte Auto holte ein Prototyp des Enzmann 506: Der Arzt Emil Enzmann (1921–2016) aus Schüpfheim LU baute ab 1953 rund 100 Exemplare des Sportwagens auf Fahrgestellen des VW Käfers. Auch wenn der Prototyp aussieht wie gestern aus einer Scheune gezogen – zu jeder Schraube des Autos und jeder Sekunde seines Lebens gibts Unterlagen. In der Publikumswahl siegte mit einem Jaguar E-Type eine echte Designikone. Und den Titel des «Best of Show», des schönsten Autos am ZCCA, räumte ein Cisitalia 202 Nuvolari von 1947 ab.
Viel wichtiger aber als Preise und Pokale ist am ZCCA das Erlebnis Oldtimer. Denn am Bürkliplatz ist das Publikum hautnah dabei: Kinder mit Grosseltern, Touristen, Banker und Werber auf Mittagspause belagern Ford Mustang Shelby, Lamborghini Countach (das Ausstellungsstück vom Genfer Autosalon 1973) oder Jaguar XK120 und dürfen gar über das Leder der Sitze streichen. Völlig undenkbar am Comer See oder in Pebble Beach.