Peter Kaiser war er peinlich. Porsche, das passte dem in Zürich lebenden deutschen Architekten anno 1948 nicht auf dem Heck seines neuen Sportwagens. Und Werbung für die komische Marke wollte er auf keinen Fall machen. Also änderte er den Schriftzug zu «Pesco». Das klang wenigstens stilvoll italienisch – auch wenn es nur Pfirsich bedeutete.
Alexander Klein nennt die Alu-Badewanne auf Rädern dagegen «die 001», und zwar in besorgtem Ton. Er ist bei Porsche für den Museumsfuhrpark zuständig und der allererste je gebaute Sportwagen der Marke sein bestes Stück. Am 8. Juni 1948, vor 75 Jahren, wurde der in einem Holzschuppen im österreichischen Gmünd zusammengeschraubte Roadster erstmals eingelöst. Am 4. Juli durfte ihn ein Journalist der Schweizer «Automobil Revue» – damals der Massstab unter den Auto-Gazetten – im Vorfeld des Grand Prix Bern in Bremgarten über die Piste scheuchen.
Dieser Porsche ist heiss
Gerade aber geht es der 001 nicht so gut. Vom Anstieg hoch nach Riggisberg BE ist ihr heiss geworden; Klein lässt sie abkühlen. Innert 23 Sekunden auf Tempo 100, Spitze 135 km/h – heute gilt man mit dem 35-PS-Auto als rollendes Hindernis. Vor 75 Jahren rangierte es unter den Sportwagen. Unternehmensgründer Ferry Porsche nutzte die Beziehungen zu VW – sein Vater Ferdinand hatte den Käfer miterfunden – und verbaute dessen Technik in dem Prototypen. Nicht ohne dem 1,1-Liter-Boxermotor zehn Mehr-PS zu entlocken. Dazu Alukarosserie, rote Sitze, fingerdünnes Bakelit-Lenkrad, Krückstock-Handbremse und ein Schalthebel, den man sich kaum anzufassen traut. Die Türen zieht man per Kordel zu. Dach? Überflüssiger Luxus.
Wie auch die Heizung. Der luftgekühlte Boxer hinterm Rücken föhnt die Haare zu Berge; es ist so heiss im Cockpit, dass der Fahrtwind über der knappen Scheibe nichts dran ändern kann. Bei dem Gerassel aus dem Motorabteil versteht man sein eigenes Wort nicht. «Dass es so auf Dauer nicht gehen würde, war Ferry Porsche schnell klar», sagt Klein. Schon vier Wochen später waren die Zeichnungen für das Serienmodell 356 fertig. Mit Motor im Heck und einer Notsitzreihe, die für Abstand sorgte.
Buchstäblich bewegte Geschichte
Der erste Porsche-Testbericht in der «Automobil Revue» ist nicht der einzige Schweizer Bezug in der Geschichte des 001. Der Zürcher Rupprecht von Senger organisierte 100'000 Franken Startkapital und Schweizer Alublech für die ersten Porsche-Karosserien. Letzteres erlaubte die Regierung in Wien nur, wenn die ersten Porsche ins Ausland gehen würden – man war auf Devisen aus dem Ausland angewiesen. Das erste Serienauto wurde dann auch an die Zürcherin Jolantha Maria Tschudi verkauft.
Und auch der 001 rollte in die Schweiz: Peter Kaiser war er nach einem Jahr zu lahm und die drei Folgebesitzer bis 1952 wussten nichts mit ihm anzufangen. Die nächste Eignerin, Rosemarie Muff, meckerte über die Scheinwerfer und verkaufte den Roadster an den Amateur-Rennfahrer Hermann Schulthess, der die Bremsen optimieren und den Motor durch einen stärkeren 1,5-Liter ersetzen liess. Nach einem Unfall wurde die Karosserie umgebaut – und 001 bald gegen einen Serien-356er eingetauscht. Der neue Besitzer handelte ebenfalls: mit Ferry Porsche, der mit dem 356 längst die mit dem 001 erteilte Lizenz zum Geldverdienen erfolgreich eingelöst hatte und sein Urmodell jetzt zurückerhielt.
Original ist die 001 also nicht mehr, der zahlreichen Umbauten wegen und weil sie nach zwei Unfällen am Gotthard und – viel später – an einer Oldtimerveranstaltung in der Schweiz neu aufgebaut wurde. Und weil die Heckklappe inzwischen zweigeteilt ist. Gut so, denn so kann die Hälfte über dem Motor auf dem Rückweg ins Begleitauto und der Boxer freier atmen. «Mitten in der Atmosphäre des sich mit Riesenschritten nähernden Grand Prix jagten wir die Maschine um die Rundstrecke von Bremgarten und fassten in kürzester Zeit volles Vertrauen zu ihr», schrieb der Kollege von der «Automobil Revue» 1948. Was würde er wohl zu einem aktuellen Porsche sagen?