Neustart in Europa beginnt in der Schweiz
Cadillac ist wieder da – und nur noch elektrisch

Chromblitzende Kühler, fette V8-Motoren: Das machte einst die US-Marke Cadillac aus. Jetzt startet die Tochter von General Motors neu – rein elektrisch, ohne Händler, aber mit einer Lounge an allerbester Lage in Zürich.
Publiziert: 12.11.2023 um 10:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2023 um 10:58 Uhr
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Der US-Autobauer stellt sich neu auf in Europa – mit frischer Führungsmannschaft, neuer Strategie und ebensolchen Modellen.
Foto: Zvg
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

In den USA brach dieses Auto schon alle Rekorde. Nur zehn Minuten nach der Freigabe der Bestellungen war vor zwei Jahren die erste Auflage des Cadillac Lyriq weg – ausverkauft. Der erste Stromer der General-Motors-Marke auf einer komplett neuen Plattform rollt nun auch über den Atlantik. Nach einer kleinen Europa-Pause startet Cadillac neu als reine Elektro-Nobelmarke mit dem Lyriq als erstem Modell. Und den Anfang macht die Schweiz!

«Die Schweiz ist Elektro-affin, liebt traditionell US-Autos und Modelle aus dem Premium-Segment», sagt Sam van Kleef, in der neu aufgestellten Organisation von General Motors (GM) Europe für die Netzentwicklung zuständig. Da sei die Schweiz ein logischer Startpunkt für die Re-Etablierung der Marke. Und es gibt eine Tradition: Seit 1935, also seit 88 Jahren, residiert das Europa-Hauptquartier des Konzerns in Zürich. Machte dort auch einiges durch.

Neustart mit Augenmass

Denn mit dem Druck aufs Elektro-Knöpfchen stellt sich Cadillac schon zum vierten Mal in den letzten 15 Jahren wieder neu in Europa auf. Immer wieder neue Strategien, neue Modelle, neues Führungspersonal. Und immer wieder versandeten die Bemühungen: Der BLS mit Saab-Technik scheiterte ab 2006 ebenso wie später US-Sportlimousinen mit fetten V8-Motoren (zu viel CO₂), kompakte SUVs wie XT4 oder XT5 (zu wenig eigenständig) oder der nur kurz angebotene Luxusgleiter CT6 (zu kleines Marktsegment). Und auch der Abo-Service Book by Cadillac, bei dem man wochen- oder monatsweise je nach Lust und Laune zwischen den Modellen wechseln konnte, kam nicht übers Anfangsstadium hinaus.

Was also macht Cadillac dieses Mal anders? «Wir kommen mit den in die Zeit passenden rein elektrischen Autos, konzentrieren uns auf unsere Stärken und bauen das Geschäft nachhaltig auf», sagt Technik-Experte Patrick Herrmann, der schon über 25 Jahre bei GM Europe dabei ist. Den Anfang macht der Lyriq, ein 5,01 Meter langer Crossover, der eher wie ein grosser Kombi als wie ein SUV wirkt. Fünf Plätze, riesiger Kofferraum mit 793 bis 1722 Litern Ladevolumen und ein sehr proper verarbeitetes Edel-Interieur verbergen sich in einer nicht ganz so exzentrischen Karosserie wie frühere Modelle.

Bei der ersten Sitzprobe überzeugen bequeme Sitze, eine überraschend intuitive Bedienung, die Noblesse im Interieur und ein 19-Lautsprecher-Soundsystem. Cadillac soll GMs Nobelmarke und Technik-Innovator sein? Das Interieur wirkt definitiv so. Technisch steht der Lyriq auf der neuen Ultium-Elektroplattform, die unter anderem auch den neuen Elektro-Hummer und Chevrolet-Modelle tragen soll. Ihr Spreizungspotenzial ist gigantisch: Sie kann in Länge und Breite variiert werden, verträgt Batterien zwischen 50 und 200 Kilowattstunden (kWh) Kapazität und Heck- oder Allradantrieb, verlässt sich aber weiterhin auf 400-Volt-Technologie.

Allrad und 528 PS

Zum Start kommt – typisch Schweiz – die Allrad-Variante des Lyriq mit 528 PS (388 kW) und einem Motor je Achse. Zwischen denen steckt die Batterie mit 102 kWh Nettokapazität, die für rund 530 Kilometer Reichweite gut sein soll – Normmessungen für definitive Werksangaben stehen noch aus. Damit spurtet der Lyriq innert 5,3 Sekunden auf Tempo 100 und schafft 210 km/h Spitze. In den USA gäbe es auch einen Hecktriebler mit 340 PS (250 kW), aber der bleibt zunächst aussen vor.

Nachgeladen wird mit Wechselstrom und 11 oder 22 Kilowatt Ladeleistung – Letzteres beherrschen noch nur wenige Stromer, obwohl viele öffentliche Ladesäulen darauf ausgelegt sind. Am Schnellader bleibt der Cadillac mit maximal 190 Kilowatt Ladeleistung hinter einigen Nobel-Konkurrenten zurück – innert 15 Minuten lässt sich dennoch Strom für 200 Kilometer laden.

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Cadillac ist zurück! Seit 1902 baut das seit 1910 zum General-Motors-Konzern gehörende Unternehmen Nobelautos. In den 1930er-Jahren sogar mit 16-Zylinder-Motoren.

Nur ein Store, bestellt wird online

Aktuelle Technik, Edel-Anspruch, Nobel-Interieur – also alles wie früher bei Cadillac? Nein, denn während die Marke früher ein eigenes Händlernetz bei sehr bescheidenen Verkaufszahlen unterhielt, setzt sie nun auf Direktvertrieb. Wer will, kann innert Minuten seinen Lyriq für ab 82'000 Franken online konfigurieren und bekommt ihn dann voraussichtlich ab April nächsten Jahres geliefert. Die Vorteile für Cadillac sind klar: Keine teuren Händlerbetriebe, kein Rabattgeschacher, völlige Preistransparenz und die Marke kann sicherstellen, dass die Kundenbetreuung ihrem Anspruch entspricht.

Wem das zu schnell geht angesichts einer solchen Summe, kann sich im Cadillac-Store beraten lassen: Seit Oktober soll er an der Zürcher Bahnhofstrasse auf 600 Quadratmetern fürs Markenerlebnis sorgen. «Wir wollen ein Community-Erlebnis bieten», sagt Kundendienstleiterin Alexandra Smedley. Dazu gehören Events mit Kunst-, Kultur- oder Kulinarik-Bezug, Kooperationen mit anderen Marken zum Beispiel aus dem Modebereich und persönliche Betreuung. Zunächst solls bei dem einen Anlaufpunkt für die Schweiz bleiben, die übrigen Regionen will die Marke zunächst per Roadshow abdecken und jeweils vor Ort den Lyriq präsentieren.

Cadillac ist erst der Anfang

Für Service und Pneuwechsel soll ein noch nicht genannter Partner in der Schweiz zuständig sein – schliesslich gibts keine Cadillac-Garagisten mehr. Auch bei der Ladeinfrastruktur will die Marke mit Stromanbietern kooperieren, um europaweit flächendeckend das Laden unterwegs zu ermöglichen und einheitlich über eine Cadillac-Kundenkarte abzurechnen. Noch fehlt ein Pick-up-Service, bei dem der Lyriq zum Service abgeholt und wieder nach Hause gebracht wird, aber Smedley denkt bereits darüber nach.

Und wie gehts weiter? Mit weiteren Modellen natürlich, die Cadillac aber noch nicht benennen will. Vielleicht schafft die kommende Stromer-Version des XXL-SUVS Escalade mit 791 PS und bis zu 200 kWh Batteriekapazität den Sprung nach Europa? Auf die Schweiz sollen weitere fünf Märkte in Europa folgen; darunter definitiv Schweden und Frankreich und wohl auch Deutschland. Sicher ist aber, dass Cadillac erst den Anfang markiert: General Motors will auch mit den neuen Stromern von Chevrolet und Hummer wieder zurück nach Europa. Die technische Basis teilen sie sich sowieso schon mit dem Lyriq.

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