Mit nur etwa 37 Jahren ist Nordkoreas Diktator Kim Jong Un noch ein Junior-Tyrann. Trotzdem erinnert sein Auftritt an längst vergangene Tage: Der Mao-Anzug stammt aus den 1920er-Jahren, die Raketen-Rhetorik aus dem Kalten Krieg. In dieser Zeit entspringt auch die Macht des kommunistischen Familienclans: 1948 kam Grossvater Kim Il Sung an die Macht, seither halten sich die Kims hartnäckig. Mit Kim Jong Un herrscht seit 2011 schon die dritte Diktatorengeneration über das bettelarme Land. Die Hoffnung, dass der Diktator mit Schweizer Schulbildung einen Schritt Richtung Öffnung macht, war gross – und wurde enttäuscht.
Als Vater Kim Jong Il 2011 starb, hinterliess er seinem Nachfolger eine vermeintlich riesige Lücke. Er galt als übermenschliches Wesen, trug Dutzende Titel, wobei «Sonne der kommunistischen Zukunft» noch zu den bescheideneren Anreden gehörte. Geboren wurde er angeblich in einer Hütte, angekündigt von einem Stern plus Regenbogen. Als er starb, hielt ein Sturm aus Respekt inne.
Schweizer Ex-Schulgspänli: «Er trat uns in die Schienbeine»
Kim Jong Un war damals noch unbekannt. Und weit entfernt von einem göttlichen Wesen. Der ehemals mittelmässige Schüler mit Flair für Computerspiele und Alkohol war eigentlich nicht die erste Wahl bei der Nachfolgeregelung.
Über seine Kindheit kursieren Geschichten von märchenhaftem Luxus: Ein Privatzoo habe Kim zur Verfügung gehabt, als kleiner Bub schon mit einem Mercedes Auto fahren gelernt. Und das Kind, das sich mit «General» ansprechen liess, sei mit einem geladenen Colt herumgelaufen. Von 1991 bis etwa 2002 lebte er in der Schweiz, soll inkognito unter anderem die Steinhölzli-Schule in Köniz BE besucht haben. Hier lernte der Nordkoreaner Raclette und Freiheit kennen. Richtig geschmeckt hat ihm nur das Raclette.
Ein ehemaliger Mitschüler gab Jahre später ein Interview. «Während des Unterrichts hat er meist Musik gehört und gezeichnet», beschrieb er seinen ehemaligen Kumpel. Schon damals habe Kim eine Leidenschaft für Basketball gehabt. Heute führt er mit NBA-Legende Dennis Rodman (59) eine bizarre Männerfreundschaft. Andere Ex-Mitschüler beschreiben den Diktator als gewalttätiges Kind: «Er trat uns in die Schienbeine.»
Den Bruder mit Nervengift getötet
2011 kam Kim Jong Un mit nur etwa 27 Jahren an die Macht. Und erwies sich als knallharter Stratege. Er räumte mögliche Gegner aus dem Weg, begann im innersten Machtzirkel. Der bekannteste Fall: Halbbruder Kim Jong Nam, der eigentlich erste Wahl in der Diktatorenerbfolge war, wurde 2017 in Malaysia vergiftet. Eine Frau spritzte ihm am Flughafen von Kuala Lumpur Nervengift ins Gesicht.
Die Situation im Innern Nordkoreas ist ebenfalls dramatisch: Die Grenzen sind hermetisch dicht, das Land wirtschaftlich von der Welt abgeschottet. Und ein Frieden mit Südkorea scheint in weiter Ferne.
Zehntausende Nordkoreaner sitzen in Lagern. Punkto Personenkult näherte sich Kim Jong Un seinen Vorgängern schnell an. Er forcierte das Atomprogramm, kappte die Kommunikationsleitungen nach Südkorea. Das «Genie aller Genies», wie Kim im Staatsfernsehen genannt wird, drohte den USA mit einem nuklearen Präventivschlag. An die Adresse von Donald Trump (74) drohte Kim, er habe den «Atomwaffenknopf immer auf seinem Schreibtisch». Trump drohte umgehend zurück: Sein Knopf sei «viel grösser».
«Brandgefährlich – für sein Volk und für die Welt»
Journalistin Anna Fifield (44) hat ein viel beachtetes Buch über den Diktator geschrieben. Und warnt davor, ihn zu unterschätzen: «Er ist brandgefährlich – für sein Volk und für die Welt», sagte sie in einem Interview mit SonntagsBlick.
Kim habe dem Land aber auch wirtschaftliche Fortschritte gebracht. Bauern dürfen unter ihm einen Teil der Ernte selber zum Markt bringen, andere verdienen sich etwas dazu mit dem Handel von günstigen Waren aus China.
Wie fest der junge Diktator wirklich im Sattel sitzt, lässt sich von aussen nur schwer beurteilen. Jüngst kamen sogar Gerüchte auf, Kim sei an Corona erkrankt, von seiner Schwester abgesetzt – oder sogar tot. In dieser Familie würde einen nichts überraschen.