Protz und Peitschen
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Sultan führt Scharia ein:Steinigung für Fremdgeher

Sultan Hassanal Bolkiah (74) regiert Brunei mit eiserner Faust
Protz und Peitschen

Der Mini-Staat Brunei verfügt zwar über eine moderne Infrastruktur, ist aber bei den Gesetzen in das dunkelste Mittelalter zurückgefallen. Seit kurzem herrscht wieder die Scharia. Ein Zeichen dafür, dass Sultan Hassanal Bolkiah Angst vor einem Machtverlust hat?
Publiziert: 28.01.2021 um 01:02 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2021 um 09:35 Uhr
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Kaum ein Herrscher sitzt so lange auf dem Thron wie er: Hassanal Bolkiah feierte vor drei Jahren das 50-Jahr-Jubiläum.
Foto: EPA
Guido Felder

Im kleinen Sultanat Brunei auf Borneo haben Fremdgeher und Schwule nichts zu lachen. Wer beim ausserehelichen Sex erwischt wird, muss mit der Todesstrafe durch Steinigung rechnen. Das Gleiche gilt für Analsex. Lesben habe es da ein bisschen besser: Ihr Leben wird verschont, sie kassieren 40 Peitschenhiebe.

Dieben wird nach der ersten Tat die rechte Hand, bei Wiederholung der linke Fuss abgehackt. Und natürlich sind im streng muslimischen Sultanat Andersgläubige des Teufels: Wer bei der Weihnachtsfeier erwischt wird, muss bis zu fünf Jahre hinter Gitter.

Diese Strafen sind im Mini-Staat (Fläche des Kantons Bern, 460'000 Einwohner) kein alter Zopf aus finsteren Zeiten. Die Scharia wurde nach jahrelanger Vorbereitung am 3. April 2019 in Kraft gesetzt.

Der Sultan firmiert als Staatschef, Richter und Religionsführer

Verantwortlich dafür ist der 29. Sultan, Hassanal Bolkiah (74). Schon 1967, als Brunei noch britisches Protektorat war, hatte er die Macht von seinem Vater Omar Ali Saifuddin III. (1916–1986) übernommen. Nachdem Brunei 1984 in die Selbständigkeit entlassen worden war, baute Bolkiah seine Herrschaft aus und ist heute Staatschef, Richter und Religionsführer in Personalunion.

Die Einführung der Scharia begründet der Sultan offiziell damit, dass so «Friede und Ordnung aufrechterhalten und die Religion, das Leben, die Familie und der Einzelne unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Rasse und Glauben geschützt» würden.

Die ergiebigen Erdgas- und Erdölvorkommen haben ihn zu einem der reichsten Monarchen der Welt (Vermögen: 20 Milliarden Dollar) gemacht und dem Land zu einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen von Südostasien verholfen.

Luxus-Hotels auf der ganzen Welt

Mit dem Geldschatz lässt es sich gut leben: In seinem 1800-Zimmer-Palast ist alles vergoldet, ihm gehören internationale Hotels an bester Lage, wie das Dorchester in London, das Plaza Athénée in Paris und das Richemond in Genf. Einst besass er mit 2500 Fahrzeugen eine der grössten privaten Autosammlungen der Welt.

Auch dem andern Geschlecht ist der Sultan zugetan: Seine Angestellten sollen ihm und seinem Bruder die schönsten Frauen für den Harem zusammengesucht haben. Von drei Frauen hat er fünf Söhne und sieben Töchter.

Kronprinz Al-Muhtadee Billah (46) hat 2004 die damals 17-jährige Sarah Pengiran Salleh geheiratet, die Tochter einer Katholikin aus dem Kanton Freiburg. Zusammen haben die beiden vier Kinder. Über die Prinzessin mit Schweizer Wurzeln reden die Verwandten im Freiburgischen nicht gerne. Eine Berichterstattung würde nur schaden, heisst es da.

Katar macht während der WM Scharia-Pause

2022 wird die ganze Welt auf Katar schauen. Der kleine Golfstaat (2,8 Millionen Einwohner) mit der Scharia als Gesetzesgrundlage trägt dann die Fussball-WM aus.

Dass der Weltfussballverband Fifa ausgerechnet das Emirat dafür auswählte, sorgte für Empörung. Denn Menschenrechte tritt Scheich Tamim bin Hamad al Thani (40) dort mit Füssen.

Die Verantwortlichen beschwichtigen. Egal, welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, Religion und Rasse – alle seien willkommen. Die Sicherheitsdienste würden instruiert, sogar Regenbogenfahnen seien erlaubt. Katar will offen wirken und macht einen Schritt weg von der Scharia – wenigstens solange die Welt auf den Wüstenstaat blickt. Guido Felder

2022 wird die ganze Welt auf Katar schauen. Der kleine Golfstaat (2,8 Millionen Einwohner) mit der Scharia als Gesetzesgrundlage trägt dann die Fussball-WM aus.

Dass der Weltfussballverband Fifa ausgerechnet das Emirat dafür auswählte, sorgte für Empörung. Denn Menschenrechte tritt Scheich Tamim bin Hamad al Thani (40) dort mit Füssen.

Die Verantwortlichen beschwichtigen. Egal, welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, Religion und Rasse – alle seien willkommen. Die Sicherheitsdienste würden instruiert, sogar Regenbogenfahnen seien erlaubt. Katar will offen wirken und macht einen Schritt weg von der Scharia – wenigstens solange die Welt auf den Wüstenstaat blickt. Guido Felder

Promis protestieren gegen den Sultan

Die Kritik am Sultanat ist gerade nach der Verschärfung der Gesetze massiv. Die Uno redet von «grausamen und unmenschlichen» Strafen, die gegen das Völkerrecht verstiessen. Human Rights Watch schrieb, dass das Strafgesetz «barbarisch» sei und Handlungen bestrafe, die gar keine Verbrechen seien.

Die grösste mediale Wirkung jedoch hatte der Protest von Prominenten: Schauspieler George Clooney (59), Musiker Elton John (73) und andere Stars hatten dazu aufgerufen, die Hotels des Sultans zu boykottieren. Offenbar hatten dieser Aufruf sowie die Androhung der EU auf Sanktionen einen gewissen Erfolg: Bolkiah hat die Todesurteile für Homosexuelle wieder ausgesetzt, um zuerst Aufklärung zu betreiben.

Im Werbeprospekt als «Ort des Friedens» betitelt

Immerhin: Der Sultan teilt nicht nur aus, sondern teilt auch Reichtum.
Die Bevölkerung muss keine Steuern zahlen und geniesst kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung sowie auch Gratis-Wohnraum.

Grösste Sorge des Machthabers: Die Ölpreise sind am Boden, und die Rohstoff-Reserven neigen sich langsam, aber sicher dem Ende zu. Brunei versucht sich daher in der Diversifizierung: als Bankenplatz für die islamische Welt und als Tourismusdestination. Der Werbespruch klingt dabei fast wie Hohn: Das Land betitelt sich selbst als «Ort des Friedens».

Auf bestem Weg zum Diktator
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