Im Prinzip hat Bashar al-Assad (55) zwei Eide geschworen. Den einen vor Fernsehkameras als Staatspräsident auf die Verfassung Syriens, den anderen – den hippokratischen Eid – indirekt mit seiner Zulassung als Arzt. Beiden Eiden ist eines gemein: Sie verpflichten Assad, anderen Menschen Sorge zu tragen.
Wenn man so will, ist Assad, der Schlächter von Syrien, also doppelt gescheitert. Seit 20 Jahren herrscht der in London ausgebildete Augenarzt brutal über sein Heimatland, seit zehn Jahren herrscht Bürgerkrieg.
Serie: Das Böse an der Macht
Dabei hätte es nie so weit kommen müssen. Als dritter Sohn von Hafis al-Assad (1930–2000), der das Land über Jahrzehnte mit eiserner Hand regiert hatte, war er eigentlich nicht als Nachfolger vorgesehen. Bashar hatte im Westen studiert und die in Grossbritannien aufgewachsene syrische Finanzanalystin Asma (45) geheiratet. Als er nach dem Tod seines Vaters doch an die Macht kam, hofften viele auf einen Neuanfang. «Der demokratische Gedanke ist das Fundament», versprach der erst 34-jährige Assad damals – für dessen Amtsantritt extra die Altersgrenze gesenkt werden musste.
Innerhalb eines Monats wandelte sich Syrien
Zunächst ging alles gut. Die Mächtigen der Welt trafen sich mit Assad, der «Damaszener Frühling» brach aus – offener als je wurde plötzlich über Reformen diskutiert. Doch offenbar fürchtete Assad den Machtverlust. Wie schon sein Vater sicherte sich der alawitische Führer im mehrheitlich sunnitischen Land mithilfe von Militär und Geheimdiensten ab: systematische Entführungen, Morde und Folter.
Dennoch zog Syrien im ersten Jahrzehnt unter Assad Touristen und Arabischlernende an. Noch im Februar 2011 schwärmte die «NZZ»-Autorin Monika Bolliger von ihrem Sprachaufenthalt in dem «sicheren und stabilen Land – auch für Frauen», das vom Arabischen Frühling noch nicht erfasst war.
Nur einen Monat später war alles anders. Die Bevölkerung probte den Aufstand – und wurde durch Assads Truppen niedergeschossen. Mehrere Menschen starben. Es war der Auftakt für einen bis heute andauernden Bürgerkrieg, der nach Schätzungen der Uno mehr als 400'000 Todesopfer gefordert und mehr als ein Viertel der 21 Millionen Syrer aus dem Land vertrieben hat. Für die internationale Gemeinschaft war schnell klar: Operiert Assad weiter, leidet das Volk.
Assad setzte Giftgas ein
Doch Rücktrittsforderungen seitens der EU und der Arabischen Liga, der Mehrheit der arabischen Staaten, ignorierte Assad. Russland und Iran unterstützten ihn. Im Uno-Sicherheitsrat unterstützte China die russische Linie, verhinderte Sanktionen.
In einer umstrittenen Wahl liess sich Assad 2014 im Amt bestätigen. In den von seinen Truppen kontrollierten Gebieten setzte er auf Normalität: Behörden und Handynetz hielt er am Laufen, veröffentlichte Werbespots für Traumurlaube an der Mittelmeerküste – nur 60 Kilometer von der zerbombten Stadt Homs entfernt.
Andernorts führte Assad Krieg gegen sein eigenes Volk. Mehrfach setzte er Giftgas ein. Ende März 2017 etwa Sarin- und Chlorgas bei Bombardierungen des Ortes Al-Lataminah, wie die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in einem Bericht aufzeigte.
Insgesamt wurden seit der laut offizieller Darstellung vollständigen Vernichtung der chemischen Kampfstoffe der syrischen Streitkräfte im Jahr 2014 bis im Frühjahr 2018 rund 50 Angriffe mit chemischen Waffen in Syrien bekannt. Im April 2018 schockierten Fotos und Videos von vor Schmerzen schreienden Kindern im umkämpften Gebiet Ost-Ghuta, mehr als 150 Menschen wurden bei dem Angriff getötet.
Die Verfassung zählt nicht
Russland bezeichnete das verstörende Bildmaterial damals als «Fake News» – Putin hält bis heute an Assad fest. Ohne Putins Unterstützung und die durch den Iran, seinen engsten Verbündeten, hätte Assad laut Experten keine Chance gehabt, sich an der Spitze zu halten. Assads Truppen kontrollieren heute wieder rund zwei Drittel des Landes.
Spätestens im Mai sollen Präsidentschaftswahlen stattfinden. Nach einer Verfassungsänderung 2012 liegt die Amtszeit des Präsidenten bei sieben Jahren, eine Wiederwahl ist nur ein Mal möglich – theoretisch. Für Syriens Schlächter Assad gilt natürlich eine Ausnahme.