Der Mann gilt als unberechenbar und brutal, er lässt Familienmitglieder umbringen, droht den USA mit dem Einsatz von Atomwaffen, lässt Raketen über Japan fliegen und lässt sich von seinem unterdrückten Volk als Grosser Führer feiern: Kim Jong Un (33), geboren am 8. Januar 1984 in Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas.
Der heutige Herrscher des von der Aussenwelt völlig abgeschotteten Polizeistaates und Befehlshaber des, bezogen auf die Einwohnerzahl, weltweit grössten Militärapparats (1,1 Millionen Soldaten) verbrachte einen Grossteil seiner Kindheit und Jugendzeit in der Schweiz.
Mindestens elf Jahre soll der Diktator in dritter Generation – nach Grossvater Kim Il Sung (1912–1994) und Vater Kim Jong Il (1941–2011) – in Liebefeld-Köniz BE und Muri-Gümligen BE gelebt haben. Von 1991 bis mindestens 2002 war Kim Jong Un ein Berner!
Kim Jong Un weilte möglicherweise länger in Bern als angenommen
«Seine drei Jahre jüngere Schwester lebte bis 2007 in Bern. Es ist deshalb anzunehmen, dass er nicht sehr lange vorher nach Nordkorea zurückkehrte», widerspricht Friedrich-Wilhelm Schlomann (88) Medienberichten, dass Kim Jong Un bereits Ende der 90er-Jahre das Bernbiet verlassen habe. Der deutsche Jurist und Journalist gilt seit Jahrzehnten als ausgewiesener Nordkorea-Kenner.
Schlomann ist überzeugt, dass die Schwester Yo Jong (29) ab 1996 unter dem falschen Namen Kim Yong Sun in die öffentliche Schule und in die International School geschickt wurde, die auch ihre beiden älteren Brüder besuchten. Möglicherweise verliess der heutige Diktator die Schweiz, als sein Bruder Kim Jong Chol (35) bei seinem Vater in Ungnade fiel, weil der ihn für unfähig hielt, das Land zu führen und die Macht der Kim-Familie zu erhalten.
Deshalb sollte der jüngste männliche Kim-Spross zum Nachfolger aufgebaut werden. Am 29. Dezember 2011 übernahm der damals erst 27-jährige Kim Jong Un offiziell die Macht als «Oberster Führer», zwölf Tage nach dem Tod seines Vaters.
Der Bruder des Diktators ist Eric-Clapton-Fan
Nach ihrer Schweizerzeit gingen die Geschwister des Herrschers verschiedene Wege: Schwester Yo Jong bekleidet heute wichtige Regierungspositionen in Nordkorea und ist dafür zuständig, wie ihr Diktator-Bruder in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Bruder Jong Chol geniesst meistens den Lebensstil im Westen, und als grosser Fan des Musikers Eric Clapton (72) besucht er fast jedes Konzert seines Idols.
Weil Jong Chol seinem Bruder Jong Un sehr ähnlich sieht, wurden die beiden in Bern des öftern verwechselt. Deshalb ist die Spurensuche in Bern und Umgebung auch umso schwieriger, da auch Kollegen und Nachbarn der Kims sich nicht genau daran erinnern können, ob sie nun dem Clapton-Fan oder dem Raketen-Kim begegnet sind.
Maulkorb für Lehrer?
Nicht vereinfacht wird die Spurensuche durch die Behörden in Köniz. Diese bestätigen zwar, dass ein Jugendlicher aus Nordkorea von August 1998 bis Herbst 2000 die Steinhölzli-Schule besuchte. «Er war als Sohn eines Botschaftsangestellten angemeldet.
Der Schüler begann in einer Klasse für fremdsprachige Kinder, wechselte danach in die Regelklasse des 6. Schuljahres und absolvierte in der Folge das 7. und 8. Schuljahr sowie einen Teil des 9. Schuljahrs an der Oberstufenschule. Danach meldete er sich kurzfristig aus der Schule ab. Der Schüler galt als gut integriert, fleissig und ehrgeizig. Sein Hobby war Basketball», so die «abschliessende Stellungnahme» der Schule Steinhölzli.
Vor und im Schulhaus trifft man auf eine Mauer des Schweigens. Kim Jong Uns ehemaliger Klassenlehrer unterrichtet zwar immer noch da und die Steinhölzli-Lehrer reden intern oft und viel über Kim. Gegen aussen äussern sie sich jedoch nur anonym oder via Drittpersonen.
Kim sang Polo Hofers «Alperose»
Während seiner Schulzeit im Steinhölzli wohnt der spätere Diktator an der Kirchstrasse 10, unmittelbar neben dem Hauptsitz des Weinkönigs Donald Hess. Von da geht er täglich zur Schule, ohne Chauffeur, sondern zu Fuss und ohne Begleitschutz. Die Lehrer erlebten ihn als «sehr guten Matheschüler und interessiert im Erlernen der deutschen Sprache».
Kim Jong Un lernte während dieser Zeit auch Berndeutsch, das er später sogar ziemlich gut beherrscht haben soll. Möglicherweise hat dazu auch der Gesangsunterricht beigetragen. «Kim sang Berner Volkslieder und Polo Hofers ‹Alperose› jeweils aus voller Kehle mit», erinnert sich ein Lehrer.
Eine stattliche Villa in Muri
Bevor die Kim-Kinder in die Schweiz kamen, wurde für sie in Muri ein standesgemässes Nest hergerichtet. Ri Su Yong (77), während 22 Jahren nordkoreanischer Botschafter in der Schweiz, kaufte im Jahre 1989 eine stattliche Villa an der noblen Pourtalèsstrasse 43, in unmittelbarer Nachbarschaft von alt Bundesräten und Milliardären.
Die Liegenschaft, unterteilt in drei Stockwerk-Eigentumswohnungen mit einem amtlichen Wert von je 357'000 Franken, liegt auf einem 1774 Quadratmeter grossen Grundstück und würde heute mehrere Millionen Franken kosten.
Kim Jong Un lebte vergleichweise bescheiden in Bern
Ri Su Yong gilt als der eigentliche Schweizer Ziehvater der Kinder aus Kim Jong Ils dritter Ehe mit der Japanerin Ko Yong Hui (†51), die 2004 nach langer Krebskrankheit verstorben ist. Der ehemalige Botschafter in Bern war bis im letzten Jahr Aussenminister Nordkoreas und sitzt immer noch im Politbüro der Volksrepublik.
Der Mann, der sich gemäss westlichen Diplomaten für eine starke Öffnung seines Landes einsetzt, blieb ein enger Vertrauter seines ehemaligen Berner Ziehsohns Kim Jong Un. Dieser führte in der Schweiz ein vergleichsweise bescheidenes Leben.
Zu Hause in Nordkorea konnte er auswählen zwischen 14 verschiedenen Ferienresorts mit riesigen Freizeitanlagen inklusive Swimmingpools, einige mit Meerwasser und andere mit Bergwasser. In der Schweiz pendelte er zwischen einem Wohnblock im Liebefeld und der Botschaftsresidenz in Muri, Aarewasser inklusive.