Der Corona-Konflikt zwischen Donald Trump und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erreicht einen neuen Höhepunkt. Der US-Präsident lässt am Dienstagabend während der täglichen Corona-Pressekonferenz im Weissen Haus die Bombe platzen: «Wir werden unsere Beitragszahlungen an die WHO sistieren.»
Vor einer Woche hatte Trump diesen Schritt bereits angedroht, nun macht er also ernst. «Während wir überprüfen, welche Rolle die WHO bei der schlechten Handhabung und Vertuschung der Ausbreitung des Coronavirus gespielt hat, wird kein Geld mehr fliessen», so der US-Präsident am Dienstag weiter. Trump kritisiert die WHO als zu «chinazentriert» und bezeichnet es als «katastrophale Entscheidung», dass die in Genf ansässige Organisation nicht früher Reisebeschränkungen für China empfohlen hatte. «Sie haben es wirklich vermasselt.»
Hintergrund: Mit dem sogennannten «China-Stopp» von Ende Januar verteidigt der US-Präsident seine Corona-Politik, die scharf kritisiert wird. Diese Massnahme soll als Beweis für eine angeblich «perfekte Corona-Politik» des Präsidenten dienen. Fakt ist: Die Einreiserestriktionen gegen Chinesen war die erste – und bis Mitte März die einzige – spürbare amerikanische Massnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Die Demokraten kritisierten die Einschränkungen Ende Januar als «fremdenfeindlich», mussten aber zurückkrebsen.
«Es geht nicht ums Geld»
Trump streicht auch am Dienstagabend bei seiner Ansprache den China-Stopp heraus. Dieser hätte «Tausende und Abertausende von Leben gerettet.» Gleichzeitig wirft er der WHO vor, ihn wegen der Reisebestimmungen «bekämpft» zu haben. Trump geht gar so weit, die Organisation für eine «20-fache» Zunahme der Fälle weltweit verantwortlich zu machen.
Die Untersuchung der US-Regierung in die angeblichen Verfehlungen der WHO solle 60 bis 90 Tage dauern. «Es geht nicht ums Geld», versichert Trump. Auf eine Journalistenfrage, ob WHO-Generaldirektor Ghebreyesus zurücktreten müsse, antwortet der US-Präsident: «Ich kenne den Herrn nicht. Wir machen jetzt diese Untersuchung.» Dann schaue man weiter.
BLICK ordnet die Trump-Strategie ein
Die Entscheidung Trumps kommt insofern nicht überraschend, da er bereits vor sieben Tagen einen Zahlungsstopp angedroht hatte. In den vergangenen Wochen verschärfte er seine Rhetorik gegen Weltgesundheitsorganisation und China. Wiederholt warf er den Chinesen vor, wichtige Daten zurückgehalten und das neuartige Virus zuerst verschwiegen zu haben. Damit steht Trump nicht alleine da: Auch andere Experten und Politiker haben gegenüber China dieselben Vorwürfe erhoben. Und es stimmt auch, dass die WHO Peking öffentlich lange Zeit verteidigt hatte.
Tatsache ist aber auch: Der US-Präsident hat nicht immer diese Meinung vertreten. Im Vergleich zu seinen Äusserungen vor rund einem Monat ist die jetzige Kritik eine Kehrtwende. Am 10. Februar sagte Trump noch, man habe in Sachen Coronavirus alles «unter Kontrolle» und die Gesundheitsbehörde CDC arbeite mit der WHO – alle würden einen «fantastischen Job» machen. Am 24. Februar schrieb Trump zudem auf Twitter: «Das Coronavirus ist in den USA sehr gut unter Kontrolle. Wir stehen mit allen und allen relevanten Ländern in Kontakt. CDC und WHO haben hart und sehr klug gearbeitet.»
Der Kurswechsel kommt nach zunehmender Kritik an Trumps Corona-Politik. In den vergangenen Tagen haben Journalisten von mehreren US-Medien minuziös die angeblichen Verfehlungen der Regierung in der Corona-Krise aufgezeigt. Besonders viel Beachtung erhielt ein Artikel der «New York Times» am Sonntag. Dort wird dokumentiert, wie Trump angeblich im Januar, Februar und März Corona-Warnung um Corona-Warnung in den Wind geschlagen hatte. Bis er sie nicht mehr ignorieren konnte.
Fakt ist: Der US-Präsident hat im Januar, Februar und bis Mitte März die Gefahren von Covid-19 konsequent heruntergespielt und immer wieder darauf verwiesen, dass man alles «unter Kontrolle» habe. Trump ging zwischenzeitlich gar soweit zu behaupten, dass das Coronavirus «ein Scherz» sei und bis im April «wie durch ein Wunder» verschwinden würde.
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Warum die WHO immer China lobt
Trump äussert am Dienstag erneut zwei Hauptkritikpunkte an die Adresse der WHO: Die Organisation soll «zu langsam» gehandelt haben und zu «chinafreundlich» sein. Doch bereits Ende Januar hat die WHO wegen der steigenden Infektionszahlen in China vor einer «gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite» gewarnt. «In den Wochen danach hat die WHO gebetsmühlenartig Empfehlungen ausgesprochen, Unterstützung angeboten und die Mitgliedstaaten gemahnt, sich rechtzeitig gegen diese Krise zu wappnen. Sicher war nicht alles perfekt, aber bislang macht die WHO insgesamt einen guten Job», sagte Olaf Wientzek, Leiter des Genfer Büros der politischen Konrad-Adenauer-Stiftung, vergangene Woche zu BLICK.
China werde von der WHO immer wieder gelobt, weil die Organisationen in solchen Krisen von der Mitarbeit ihrer Mitgliedsstaaten abhängig sei. «Die WHO-Spitze hält sich deshalb generell mit direkter Kritik an den Mitgliedstaaten zurück und äussert sich eher lobend», sagt Wientzek. «Das betrifft nicht nur China, auch wenn das Lob meines Erachtens bisweilen zu überschwänglich war.»
Tatsächlich erhielt auch Trump schon Lob. Und das zu einem Zeitpunkt, als dieser erst langsam zu begreifen schien, wie ernst die Lage ist. Am 25. März sagte WHO-Generaldirektor Ghebreyesus, Trump mache einen «grossartigen Job» bei der Nutzung öffentlicher und privater Ressourcen zur Bekämpfung der Pandemie. Auf Linie gehalten hat das den US-Präsident, im Vergleich zu China, allerdings nicht.
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Was die WHO zu den Vorwürfen sagt
Bis jetzt hat sich die WHO noch nicht zu den Neuigkeiten aus dem Weissen Haus geäussert. Am vergangenen Mittwoch, ein Tag nach Trumps Androhung, gab sich WHO-Chef Ghebreyesus noch kämpferisch. Er konterte Trumps Kritik mit einem dramatischen Appell. Das Coronavirus für politische Zwecke zu missbrauchen, sei das Schädlichste, was jetzt passieren könne, sagte er. «Das ist ein Spiel mit dem Feuer.» Es gehe nun um nationale Einheit, das Arbeiten über ideologische und Parteigrenzen hinweg und schliesslich um internationale Solidarität. «Das Schlimmste steht uns noch bevor, wenn wir uns nicht beeilen, Einigkeit sicherzustellen.»
Dann sprach Ghebreyesus bildlich, und verschärfte so noch seinen Ton. «Nur Einigkeit hilft jetzt, wenn man nicht noch viel mehr Leichensäcke riskieren will.» Trumps Kritik, dass die WHO die Pandemie verschlafen habe, wollte der WHO-Chef nicht gelten lassen. Er erinnerte daran, dass seine Organisation bereits seit Anfang Januar ihre Mitgliedsstaaten umfassend über die aufziehende Gefahr gewarnt habe.
Die in Genf ansässige WHO ist die wichtigste Sonderorganisation der Vereinten Nationen im Gesundheitsbereich. Ihr Budget besteht nach Angaben der Organisation zu weniger als einem Viertel aus den verpflichtenden Beiträgen der Mitgliedsstaaten.
Die USA sind in diesem Kreis aber der grösste Zahler: Für die Jahre 2020 und 2021 sind jeweils fast 116 Millionen US-Dollar fällig. Chinas Beitrag liegt für diese beiden Jahre bei jeweils rund 57 Millionen US-Dollar. Chinas Beiträge sind in den vergangenen Jahren aber deutlich gestiegen: 2018 und 2019 lagen sie noch bei je 37,9 Millionen US-Dollar, während sie bei den USA fast gleich blieben. Deutschland muss derzeit 29 Millionen US-Dollar pro Jahr zahlen.
Die Höhe der Mitgliedsbeiträge hängt laut WHO von der Bevölkerungsgrösse und dem Wohlstand des Landes ab.
Die in Genf ansässige WHO ist die wichtigste Sonderorganisation der Vereinten Nationen im Gesundheitsbereich. Ihr Budget besteht nach Angaben der Organisation zu weniger als einem Viertel aus den verpflichtenden Beiträgen der Mitgliedsstaaten.
Die USA sind in diesem Kreis aber der grösste Zahler: Für die Jahre 2020 und 2021 sind jeweils fast 116 Millionen US-Dollar fällig. Chinas Beitrag liegt für diese beiden Jahre bei jeweils rund 57 Millionen US-Dollar. Chinas Beiträge sind in den vergangenen Jahren aber deutlich gestiegen: 2018 und 2019 lagen sie noch bei je 37,9 Millionen US-Dollar, während sie bei den USA fast gleich blieben. Deutschland muss derzeit 29 Millionen US-Dollar pro Jahr zahlen.
Die Höhe der Mitgliedsbeiträge hängt laut WHO von der Bevölkerungsgrösse und dem Wohlstand des Landes ab.
Trump will Lockdown «bald» lockern
Neben der WHO-Kritik spricht Trump am Dienstagabend auch über ein mögliches Ende des Lockdowns. Einige Bundesstaaten könnten schon vor Monatsende ihre Beschränkungen des öffentlichen Lebens wieder aufheben, in anderen schwerer betroffenen Staaten werde es wohl länger dauern, so Trump. In Kürze soll es eine entsprechende Ankündigung geben.
Die von der Regierung in Washington seit Mitte März empfohlenen Schutzmassnahmen gelten derzeit noch bis Ende April. Trump will die Beschränkungen möglichst bald wieder lockern, um den bereits dramatischen Einbruch der amerikanischen Wirtschaft abzubremsen. In den USA gab es der Universität Johns Hopkins zufolge bis Dienstagabend (Ortszeit) rund 600'000 bekannte Infektionen. Rund 25'000 Menschen sind demnach infolge der Infektion in den USA ums Leben gekommen.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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