Die USA haben zwei tragische Wochen hinter sich: Mit knapp 600'000 Infizierten am Montagabend (Ortszeit) und mehr als 23'000 Todesopfern ist das Land in beiden Kategorien weltweiter Spitzenreiter. Und doch: Es gibt Hoffnung. Die Corona-Pandemie hat übers Wochenende laut zahlreichen Experten ihren Höhepunkt erreicht. Somit wird auch in den Vereinigten Staaten Licht am Ende des Tunnels sichtbar.
Von Zuversicht war am Montag in Washington aber nichts zu spüren, als um 18:15 Uhr Ortszeit ein sichtlich aufgebrachter US-Präsident das Medienzentrum des Weissen Hauses betrat.
Kritik von Medien und Fauci
Donald Trump (73) wird seit Beginn der Pandemie für sein zaghaftes Handeln kritisiert. In den vergangenen Tagen haben Journalisten von mehreren US-Medien minuziös die Verfehlungen der Regierung in der Corona-Krise aufgezeigt. Besonders viel Beachtung erhielt ein Stück der «New York Times» am Sonntag. Dort wird dokumentiert, wie Trump angeblich im Januar, Februar und März Corona-Warnung um Corona-Warnung in den Wind geschlagen hatte. Bis er sie nicht mehr ignorieren konnte.
Hinzu kommt ein Interview von Trumps Chef-Immunologe Anthony Fauci (73). Der sagte am Sonntagabend gegenüber CNN ungeniert: «Wenn wir direkt am Anfang alles runtergefahren hätten, hätten wir nun ein anderes Bild. Aber es gab damals eine Menge Widerstand gegen einen solchen Schritt.» Kritik, die Donald Trump nicht vertragen kann. Noch am gleichen Abend verbreitete der US-Präsident einen Tweet mit dem Hashtag #FireFauci. Die Tage des Corona-Experten und Liebling der Amerikaner schienen gezählt zu sein. Doch dann kam die irre Pressekonferenz am Montagabend.
Fauci stärkt Trump nach Entlassungsgerüchten den Rücken
Nachdem Trump sein Mitgefühl an die Opfer der heftigen Unwetter in Amerikas Südstaaten ausgesprochen hatte, übergab er das Mikrofon an Anthony Fauci. «Vielleicht kannst du ja einige Worte sagen, bevor wir weitermachen», so Trump. Der Karriere-Virologe mit Schweizer Wurzeln setzte zur Erklärung an: «Man hat meine Aussage in besagtem Interview so verstanden, dass vielleicht irgendjemand schuldig sein könnte», so Fauci, der damit Trump meinte. Dem sei nicht so. «Als ich zusammen mit Deborah Birx zum ersten Mal eine formelle Empfehlung für einen 'Shutdown' abgegeben habe, haben natürlich einige ihre Besorgnis geäussert. Dennoch: Der Präsident hat auf uns gehört.» Auch als Fauci und seine Kollegin Birx eine zweite, formelle Empfehlung abgegeben hatten, habe Trump ihrem Rat wieder Folge geleistet. «Wir haben gesagt, es braucht 30 und nicht nur 15 Tage. Und der Präsident hat auch das umgesetzt.»
Sichtlich zufrieden trat Trump wieder ans Mikrofon, sagte: «Anthony ist ein guter Mann.» Fauci verneinte im Anschluss eine Journalisten-Frage vehement, dass er zu diesen Aussagen gedrängt wurde. «Alles was ich mache, tue ich freiwillig. Bitteschön! Implizieren Sie so etwas doch nicht!»
Trump gegen Biden und Medien – das sind die Fakten
Anstatt im Anschluss zum Coronavirus überzugehen – der eigentliche Sinn dieser täglichen Medieninformation – hielt Trump eine lange Wutrede gegen die Medien und Demokraten. Joe Biden (77), der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, wurde von Trump der Doppelmoral bezichtigt. «Als ich Anfang Januar Einreisebestimmungen gegen China erlassen habe, hat mich Biden als Rassist beschimpft», so Trump, der sein frühes Handeln gegen China oft als Beweis für seine angeblich gute Corona-Politik hervorbringt.
Tatsache ist: Biden hat bei einer Wahlkampfveranstaltung am gleichen Tag den US-Präsidenten als «Rassist» bezeichnet, allerdings nicht im Zusammenhang mit seiner China-Politik. Beide Politiker überspitzen ihre jeweiligen Argumente. Trump sagte, er sei «extrem früh gewesen» mit seinem Handeln gegen China. Biden meinte in einem Interview Anfang April, Trump sei mit dem Einreisestopp gegen die Chinesen «sehr langsam gewesen.» Fakt ist: Amerika handelte im weltweiten Vergleich im Bezug auf den sogenannten «China-Stopp» weder früh noch spät, sondern zur gleichen Zeit wie die meisten anderen Länder auch.
Analysen zur US-Corona-Krise
Sender protestieren gegen Trumps Propaganda-Videos
Der Höhepunkt von Trumps Wutrede war letztlich, als er eine Journalistin als «Schande» bezeichnete. «Du weisst genau, dass du falsch bist», so der US-Präsident zu ihr.
Dann liess der Präsident das Licht im Saal dämmen und zeigte den anwesenden Medienvertreter einen Propaganda-Film seiner Regierung. «Das gehört zu seiner Wahlkampfveranstaltung, aber sicher nicht in eine offizielle Corona-Pressekonferenz», entrüsteten sich gleich mehrere Journalisten auf Twitter. Die grössten amerikanischen Fernsehsender, darunter CNN und MSNBC, kippten demonstrativ die Leitung und schalteten zurück ins Studio.
Mehr zur US-Corona-Krise
US-Einreisestopp für Schweizer und Co. bleibt bestehen
Als Donald Trump zum Coronavirus überging, war bereits rund eine Stunde verstrichen. Der US-Präsident sagte, dass es sehr wichtig sei, das Land «baldmöglichst» wieder zu öffnen. Er versprach wie schon am Samstag, dass er dabei auf die «Experten hören werde.» Trump fügte aber auch an, dass er als Präsident eine absolute Entscheidungsmacht hat. «Wenn jemand Präsident der Vereinigten Staaten ist, hat er allumfassende Macht», betonte er. Tatsache ist jedoch: Die Macht eines US-Präsidenten ist verfassungsrechtlich durch die Gewaltenteilung und den Föderalismus begrenzt.
Weiter gab Trump bekannt, dass der US-Einreisestopp für Ausländer aus Europa vorerst bestehen bleibt. Italien und Spanien gehe es in der Corona-Krise noch immer nicht gut und Frankreich habe gerade erst Massnahmen zur Eindämmung des Virus verlängert, sagte Trump. Derzeit gelte ein «sehr starker» Einreisestopp und dieser bleibe in Kraft, bis es den Ländern besser gehe. Sobald dies der Fall sei, wolle man den Einreisestopp «sehr schnell» beenden, machte der US-Präsident deutlich. «Aber wir wollen sicherstellen, dass alles gut ist.» Bei der Ankündigung des Einreisestopps Mitte März hatte Trump gesagt, dass die Regelung auf 30 Tage begrenzt sei. Vor zwei Wochen kündigte er bereits an, dass die Massnahme länger gelten solle. Damit können Schweizer Staatsangehörige bis auf Weiteres nicht in die Vereinigten Staaten einreisen.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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