Für Marco Odermatt (26) und Justin Murisier (32) ist seit Anfang Mai Schluss mit lustig! Nach rund zwei Wochen Urlaub haben der dreifache Gesamtweltcupsieger und der Walliser, der sich in der letzten Weltcup-Saison viermal in den Top-8 klassierte, das Training für den kommenden WM-Winter bereits wieder aufgenommen. Die beiden quälen sich in einer Stadt, die ansonsten viel eher mit entspannten Urlaubstagen in Verbindung gebracht wird – Granada!
Mehr zu Marco Odermatt
Wenn Odermatt und Murisier im Garten ihrer Unterkunft entspannen, haben sie einen spektakulären Ausblick auf die Alhambra, dem weltbekannten Wahrzeichen dieser Region. Die geschichtsträchtige Burg- und Festungsanlage wird alljährlich von mindestens zwei Millionen Menschen besucht und gehört damit zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Spaniens.
In der viertgrössten Stadt Andalusiens (rund 237'000 Einwohner) kann man aber auch einem Mann begegnen, der schon zahlreiche herausragende Erfolge im Alpin-Zirkus gefeiert hat. Sein Name: Alejo Hervas. Nachdem er Spaniens Riesenslalom-Königin María José Rienda Contreras (48, 6 Weltcupsiege) und dann Kanadas Slalom-Frauen geschliffen hat, modellierte der 47-jährige Athletiktrainer ab dem Frühling 2019 Lara Gut-Behrami zur Olympiasiegerin und Weltmeisterin.
Obwohl sie vor fünf Wochen in Saalbach auch die grosse Kristallkugel für den Sieg im Gesamtweltcup in Empfang nehmen durfte, ist die Tessinerin nicht mehr gut auf ihren Erfolgsgaranten aus Südspanien zu sprechen. Weil Hervas vor den finalen Rennen verkündet hat, dass er in Zukunft für die Riesen-Trainingsgruppe von Odermatt, Murisier und Gino Caviezel arbeiten werde, wurde er von Gut-Behrami umgehend nach Hause geschickt.
Mehr zum Trainerknall bei Gut-Behrami
Marco Odermatt wehrt sich aber gegen den Vorwurf, dass er mit seinen Kameraden Lara den Trainer ausgespannt hat: «Wir haben uns in dieser Angelegenheit absolut korrekt verhalten.» Murisier nickt und erzählt, was in dieser Angelegenheit wirklich passiert ist: «Ich hatte schon länger einen guten Kontakt zu Alejo. Und nachdem im Februar klar war, dass unser Konditionstrainer Kurt Kothbauer Swiss Ski verlassen wird, habe ich ihn gefragt, ob er sich eine Zusammenarbeit mit Lara, Marco, Gino und mir vorstellen könnte.»
Neue Reizpunkte für Gut-Behrami
Letztendlich war es Hervas, der gänzlich ins Männer-Team wechseln wollte. Seine Erklärung: «Mir ist es mit Lara gleich ergangen, wie dem Kollegen Kotbauer mit Marco, Gino und Justin. Ich hatte wirklich eine fantastische Zeit mit ihr. Aber nach fünf Jahren ist die Zeit reif für eine Veränderung. Sehr wahrscheinlich wäre es mir gelungen, dass Lara ihr jetziges Level bezüglich Kraft und Kondition hätte halten können. Aber ich hätte sie mit meinen Methoden nicht mehr besser machen können. Deshalb ist es auch für Lara selber wichtig, dass sie durch einen anderen Trainer neue Reizpunkte erhält.»
Odermatt erlebt gerade eine vergleichbare Situation, bleibt aber völlig entspannt: «In der Zwischenzeit ist klar, dass mein langjähriger Coach Kurt Kothbauer künftig neben Lucas Braathen auch Marcel Hirscher betreuen wird. Trotz dieses Wechsels ins Lager von zwei sehr starken Konkurrenten bin ich Kurti überhaupt nicht böse. Stattdessen bin ich dankbar für die wunderbare Zeit, die ich mit ihm verbringen durfte, und für die enorm wertvollen Dinge, die ich von ihm erlernen konnte.»
Und jetzt freut er sich zusammen mit seinen Teamkollegen auf die neuen Inputs von Alejo Hervas. Odermatt und Murisier sind sich nach den ersten Trainings in Granada sicher, «dass wir mit Alejo den idealen Nachfolger für Kurti gefunden haben.»
Wenig Verständnis für Zermatt-Entscheid
Dennoch steht jetzt schon fest, dass die Saisonvorbereitung unserer Ski-Stars in diesem Sommer nicht wie gewünscht verlaufen wird. Nachdem die Matterhorn-Abfahrt aus dem Weltcup-Kalender gestrichen wurde, wollen die Zermatter heuer keine Elite-Athleten auf ihren Gletscherpisten trainieren lassen.
Mehr zum Knatsch zwischen Swiss Ski und Zermatt
Odermatt zeigt wenig Verständnis für die Reaktion der Oberwalliser: «Wir Schweizer Athleten können nicht wirklich etwas dafür, dass die Rennen gestrichen wurden. Das war ein internationaler Entscheid. Swiss Ski hat sehr viel für diese Rennen getan. Aber nach dieser Entscheidung der Zermatter werden wahrscheinlich noch mehr Teams gezwungen, den Flieger zu buchen, um in Südamerika zu trainieren. Aber zum Glück gibt es ja auch noch das Gletschergebiet in Saas Fee. Dort werden wir mit offenen Armen empfangen, die Leute in Saas Fee machen alles für uns. Dafür sind wir sehr dankbar.»
Und dann macht Odermatt die Entscheidungsträger im Mattertal darauf aufmerksam, dass in den letzten Jahren nicht nur Swiss Ski von Zermatt, sondern auch Zermatt von Swiss Ski profitiert hat: «Es ist unbestritten, dass die Zermatter in den letzten Jahren hervorragende Trainingsbedingungen für uns geschaffen hat. Gleichzeitig haben wir gefühlt jeden Werbespot in der Matterhorn-Region gedreht und wir Athleten haben in den sozialen Medien unzählige Postings mit grosser Reichweite aus Zermatt versendet.»
In den kommenden Monaten wird es also keine Rennfahrer mehr geben, die fürs Matterhorn Werbung machen. Dagegen dürften Odermatt und Murisier dafür sorgen, dass Alhambra in unseren Breitengraden noch bekannter wird.