Am Sonntag gewinnt Lara Gut-Behrami (32) den Riesenslalom- und Gesamtweltcup. Sie schwebt auf Wolke sieben. Nur wenige Stunden später ändert sich alles: Die Tessinerin erfährt, dass ihr Erfolgscoach Alejo Hervas (48, Sp) bereits mit dem Männer-Team gesprochen hat – dort will man ihn, und er will auch. Gut-Behrami platzt der Kragen, sie schickt Hervas nach Hause. Alpin-Direktor Hans Flatscher nimmt erstmals ausführlich Stellung.
Blick: Der Eklat rund um Lara Gut-Behrami und ihrem Trainer sorgt für Schlagzeilen. Nervt Sie das?
Hans Flatscher: Es ist einfach schade. Denn bei einem Weltcupfinale sollte der Sport im Fokus stehen. Aus Schweizer Sicht haben wir die Chance, in den nächsten Tagen noch vier weitere Kristallkugeln zu gewinnen. Das ist doch wunderbar. Wie wir in die nächste Saison gehen, ist für uns erst ab Montag Thema.
Gut-Behramis Reaktion war heftig. Haben Sie mit ihr gesprochen?
Ja. Und ich kann ihre Enttäuschung verstehen.
Wo ist Hervas jetzt?
Zu Hause, in Spanien.
Warum konnte ihn Gut-Behrami selbst fortschicken? Immerhin ist Hervas bei Swiss-Ski angestellt.
Stimmt. Aber die Betreuung von Gut-Behrami ist seine Hauptaufgabe. Und in einer solchen Situation hätte es keinen Sinn gemacht, wenn er in den kommenden Tagen noch auf der Piste stehen würde. Damit hätte man niemandem einen Gefallen getan.
Hervas hatte Ende Oktober im Blick erklärt, dass er bis zu Gut-Behramis Karriereende mit ihr arbeiten würde. Ein Fehler?
Er war seit fünf Jahren ihr Trainer und hat mit ihr riesige Erfolge gefeiert. Es war eine super Zusammenarbeit. Nun ist es sein persönlicher Entscheid, dies jetzt zu ändern – das respektieren wir.
Hervas bekam von Gut-Behrami keine 100-prozentige Zusage, dass sie nächsten Winter noch fahren wird. Dann hörte er vom Interesse des Männer-Teams. Eine neue, reizvolle Aufgabe, die er fast nicht ablehnen konnte. Was halten Sie von dieser These?
Wer sagt, dass er keine 100-prozentige Zusage hatte, ob sie weiter fährt? Ich denke nicht, dass Lara nach dem Entscheid von Alejo so reagiert hätte, wenn sie nicht das Ziel hätte, weiterzufahren. Aber …
… ja?
Es ist Alejo auch bewusst, dass Lara nicht mehr fünf Jahre fahren wird. Und es ist legitim, dass er sich langfristig Gedanken um seine berufliche Zukunft macht.
Sie haben erklärt, dass man ab nächster Woche mit der Planung der neuen Gruppen bei Swiss-Ski starten werde. Ist es ausgeschlossen, dass sich Gut-Behrami und Hervas versöhnen?
Aus meiner Sicht wird es diese Zusammenarbeit in der Zukunft nicht mehr geben – mit dem, was jetzt passiert ist.
Könnten Sie sich vorstellen, dass Gut-Behrami fordert, dass Hervas nicht mehr bei Swiss-Ski arbeiten soll – egal wo?
Nein. Wieso?
Weil sich ihre Wege auch dann kreuzen würden, wenn Hervas die Männer betreut.
Wir versuchen, für Lara die bestmögliche Struktur zu bieten, damit sie ihre Leistung bringen kann. Aber wie wir die Trainerposten letztlich besetzen, ist Sache von Swiss-Ski. Es würde mich aber auch überraschen, sollte sich Lara ausserhalb ihres Teams einmischen – sie hat kein Interesse an Politik. Gleichzeitig schätzen wir Alejo als Trainer und Menschen sehr – wir würden gerne mit ihm weitermachen.
Rückblickend betrachtet: Wer hat in dieser Affäre Fehler gemacht?
Ich will den schwarzen Peter nicht hin- und herschieben. Fakt ist: Man hätte noch ein paar Tage warten können, um über Wünsche und Personalfragen zu reden.
Könnte es sein, dass Gut-Behramis Enttäuschung so gross ist, dass sie nun zurücktritt?
Lara ist eine sehr erfolgreiche und zielstrebige Athletin und hat in ihrer Karriere schon sehr viel erlebt. Wieso sollte diese Geschichte jetzt der Auslöser für einen Rücktritt sein? Lara liegt der Sport am Herzen, und das ist das Wichtigste.
Sie kennen sie so gut wie kein anderer im Verband.
Jede Athletin und jeder Athlet entscheidet selber, wie lange die Karriere dauern soll. Wichtig ist, dass sie Freude am Skifahren haben und bei Lara hat man diese Freude diesen Winter oft gesehen. Es ist ganz allein ihre Entscheidung, wie lange sie Skifahren will und wird.
Letzte Frage: Wer wird Gut-Behrami im nächsten Winter trainieren?
Lara braucht jemand, das ist klar. Wir werden uns mit ihr und ihrer Familie zusammensetzen, um ihre Vorstellungen anzuhören. Fakt ist, dass auf den Trainerposten keine grossen Rochaden haben werden. Wir setzen seit Jahren auf Kontinuität – das zahlt sich aus. Und ich bin überzeugt, dass wir auch bei Lara eine gute Lösung finden werden.