Gut-Behramis Kristallkugel auf Triumphzug durchs Tessin
«Sie war immer schon um 7.30 Uhr auf der Piste»

In wenigen Tagen darf Lara Gut-Behrami ihre zweite grosse Kristallkugel hochstemmen. Blick hat der Trophäe bereits ihre neue Heimat gezeigt und an Orte gebracht, die für die Tessinerin prägend waren.
Publiziert: 21.03.2024 um 07:15 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2024 um 16:15 Uhr
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Die grosse Kristallkugel auf der Piste, wo Lara Gut-Behrami das Skifahren erlernt hat.
Foto: Pius Koller
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Carlo Emanuele FrezzaReporter Fussball

Seit Sonntag ist es vollbracht. Lara Gut-Behrami (32) steht als neue Gesamtweltcupsiegerin fest. Zum zweiten Mal nach 2016. Bis sie die grosse Kugel in Empfang nehmen kann, muss sie sich aber noch wenige Tage gedulden.

Damit die Ski-Kristallkugel über ihre neue Besitzerin aber schon Bescheid weiss, hat Blick ihr ein paar Geschichten über Gut-Behrami erzählen lassen. Dafür sind wir mit der Kugel – es ist eines der drei Exemplare, die Vreni Schneider in ihrer Karriere gewann – in einem extra dafür angefertigten Koffer ins Tessin gereist. Bei bestem Wetter empfängt uns die Schweizer Sonnenstube. Kaum stechen wir aus dem Gotthard-Tunnel, legen wir auch gleich unseren ersten Halt ein.

Woher Blick die grosse Kristallkugel hat

Als auf der Blick-Redaktion die Idee entstand, mit der grossen Kristallkugel durchs Tessin zu reisen, führte das zu einem klitzekleinen Problem: Woher die Kugel nehmen? Doch einmal mehr reichte ein Anruf bei Skilegende Vreni Schneider. Die Elmerin hatte bereits in vergangenen Jahren bei ähnlichen Ideen mit dem exklusiven Kristallmaterial ausgeholfen. So auch diesmal: Total unkompliziert durfte Blick bei Schneider die Gesamtweltcup-Kugel von ihrem Triumph 1989 ausborgen.

Als auf der Blick-Redaktion die Idee entstand, mit der grossen Kristallkugel durchs Tessin zu reisen, führte das zu einem klitzekleinen Problem: Woher die Kugel nehmen? Doch einmal mehr reichte ein Anruf bei Skilegende Vreni Schneider. Die Elmerin hatte bereits in vergangenen Jahren bei ähnlichen Ideen mit dem exklusiven Kristallmaterial ausgeholfen. So auch diesmal: Total unkompliziert durfte Blick bei Schneider die Gesamtweltcup-Kugel von ihrem Triumph 1989 ausborgen.

«Es war absehbar»

Pesciüm heisst unser erster Stopp. Es ist das Skigebiet von Airolo, welches man mit der Gondel in weniger als fünf Minuten erreicht. Hier oben auf über 30 Kilometer Skipisten hat Gut-Behrami das Fundament ihres Meisterwerks gelegt. Und tatsächlich gibt es an diesem prächtigen März-Skitag noch den einen oder anderen, der sich an das kleine Mädchen von damals erinnern. Nicht etwa die Skiliftarbeiter – das sind an diesem Tag hauptsächlich italienische Saisonniers –, sondern Skilehrer wie Fausto Lucchini und Marco Puricelli.

«Man sah schon, als sie ein Kind war, wie talentiert sie war und welch grossen Willen sie hatte», erzählt Puricelli drauflos. Dass sie eine ganz Grosse werde, sei absehbar gewesen, ergänzt er. Lucchini erinnert sich seinerseits noch genau an die Tage, als die junge Lara mit ihrem Vater Pauli hier fleissig trainierte. «Sie waren immer schon um 7.30 Uhr auf der Piste. Als wir dann mit der Skischule zwischen 9.30 und 10 Uhr da angekommen sind, hatte sie ihr Trainingseinheiten auf dem Schnee schon beendet.»

In Airolo gab und gibt es niemand Besseres

Beide Skilehrer sind davon überzeugt, dass die Pisten von Pesciüm weder vorher noch danach eine so gute Fahrerin wie Gut-Behrami gesehen haben. Dabei haben oberhalb von Airolo auch andere namhafte Athletinnen mit imposanten Palmarès wie Doris de Agostini (†62) oder Michela Figini (57) das Skifahren erlernt.

«Laras Leistungen sind beeindruckend und sie hat dich völlig verdient», sagt Lucchini zur Kugel, bevor er sie wieder in unsere Hände gibt. Wir verabschieden uns von den beiden und gehen mit der Gondel zurück zum Auto und fahren südwärts. Knapp 88 Kilometer sind es bis nach Comano. In diesem Dorf hoch über Lugano ist Gut-Behrami aufgewachsen. In der Via Dangio.

«Der Stolz von Comano»

Mitten im Dorf steigen wir aus. Es ist schon deutlich wärmer als in der Leventina. Es geht nicht lange, als die Kristallkugel die ersten Blicke auf sich zieht. Wir haben sie eben erst auf einer kleinen Mauer vor der Kirche für ein Foto platziert, als uns eine Frau fragt: «Ist das die grosse Ski-Weltcupkugel, die Lara gewinnt?» Die Patrouilleurin, die Schulkinder beim Queren der Strasse unterstützt, ist hellauf begeistert und erzählt, dass sie sich gut an Lara erinnere. «Sie ist der Stolz von Comano.»

Gleich klingt es, als wir den Dorfladen – «La Bottega di Comano» – betreten. Zwar kennt die Verkäuferin Lara und die Familie Gut nicht persönlich. «Wir haben diesen Laden erst vor Kurzem übernommen», erklärt sie. Trotzdem habe sie schon viele Geschichten über sie gehört und sei entsprechend stolz, wie sie Comano in der Welt vertritt.

Der Helfer in der Not

Vielleicht wäre Gut-Behrami aber nie jene Skifahrerin geworden, die sie ist, gebe es einen gewissen Enzo Filippini nicht. Der gebürtige Leventiner und heute 72-Jährige hat einen schönen Batzen in Laras Karriere investiert. Seit langem wohnt und arbeitet er im Nachbardorf von Comano – in Savosa. Da treffen wir den früheren Präsidenten (2001-2020) vom Tessiner Skiverband in seinem Büro seiner Firma Filippini Holding und zeigen ihm die Kugel, die bald Gut-Behrami gehört. Er ist fasziniert.

Filippinis finanzielle Unterstützung für die Familie Gut hat im Sommer 2005 seinen Lauf genommen. «Pauli suchte einen Sponsor für Lara, um ein Trainingslager in Südamerika zu organisieren. Schliesslich habe ich ihm einen Bankdirektor aus der Region für die Finanzierung vermittelt. Als es dann aber vor dem Abflug ernst wurde, war dieser für die Guts nicht mehr erreichbar. Pauli ist in der Not zu mir gekommen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich Lara zwei Jahre gesponsert.» Im Gegenzug war auf ihrem Helm das Logo von seinem damaligen Unternehmen Oftrader zu sehen.

«Sicher den einen oder anderen Fehler begangen»

Filippini ist aber nicht nur ein erfolgreicher Investor, sondern auch ein Stück weit Ski-Prophet: «Als ich Lara zum ersten Mal auf den Ski sah, habe ich total begeistert beim Tessiner Fernsehen angerufen und gesagt: ‹Kommt nach Airolo, ihr müsst unbedingt einen Beitrag mit der zukünftigen Gesamtweltcupsiegerin machen.›» Das RSI erfüllte seine Bitte und machte eine schöne Story über die kleine Tessiner Hoffnungsträgerin.

Filippini hat mit seiner Vision Recht behalten. Er findet es aber schade, dass die Erfolge von Gut-Behrami im Tessin nie die grosse Anerkennung gefunden haben, die sie verdient hätten. «Auch wenn sie mit ihrer Kommunikation sicher den einen oder anderen Fehler begangen hat.» Sein persönlicher Kontakt zu ihr sei mit den Jahren stets sporadischer geworden. Trotzdem hören sie sich heute noch ab und zu.

Nach dem gut einstündigen Gespräch verlassen wir Filippinis Büro. Wir legen die Kristallkugel wieder ins Auto und fahren vom Lago di Lugano zum Lago Maggiore. Inzwischen ist es Nachmittag und das Thermometer zeigt fast 20 Grad an. Bestes T-Shirt-Wetter – Mitte März.

Auch in der Schule war sie top

In Ascona nehmen wir ein letztes Mal die schwere Kugel aus dem Kofferraum und tragen sie zum Collegio Papio. Es ist die katholische Schule, wo Gut-Behrami ihre Matura absolviert hat. Hier erwartet uns Don Patrizio Foletti. Er erzählt uns, dass sie nicht in eine Regelklasse ging, sondern Einzelstunden besuchte. «Da sie zu jener Zeit bereits im Weltcup aktiv war. Aber wenn sie da war, wussten es irgendwie immer alle Schüler», erinnert er sich.

Zwischen 2010 und 2014 hat Gut-Behrami ihre Maturaprüfungen in vier Etappen abgelegt. «Das Fach, in dem sie am meisten Hilfe brauchte, war Physik. Aber sie hatte ihre Sachen immer gut im Griff», sagt Foletti. Davon zeugt ihre Maturanote, die über einer 5 liegt. Damit war sie besser als viele andere. So wie auf den Ski.

Hätte die Kristallkugel Gefühle, sie würde vor Neugierde platzen, weil sie die Ausnahmekönnerin Gut-Behrami endlich persönlich kennenlernen will. Deshalb spannen wir sie nicht länger auf die Folter. Wir verlassen die Sonnenstube und fahren mit ihr wieder auf die andere Seite des Gotthards. Gleichzeitig versichern wir der Kugel, dass sie bald ihre neue Besitzerin kennenlernt. Noch dreimal schlafen. Am Samstag ist es so weit.

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