Seit 22 Jahren dauert die schwarze Serie an. Nun steht Lara Gut-Behrami (32) kurz davor, Sonja Nef (51) als letzte Schweizer Riesenslalom-Königin abzulösen. Wie denkt die Appenzellerin darüber? Und was unterscheidet sie von der Tessinerin? Blick konfrontiert Nef mit zehn teils provokativen Thesen.
Lara hat 95 Punkte Vorsprung – da geht nichts mehr schief!
Wenn Lara gesund am Start ist, glaube ich nicht, dass sie sich das noch nehmen lässt. Ihre Chancen auf den Gewinn der Kugel sind sehr, sehr gross. Erstens müsste Brignone gewinnen, und sie dürfte nicht in die Top 15 fahren – das ist sehr unwahrscheinlich. Ich bin mir übrigens sicher, dass Lara ein taktisches Rennen fahren wird. Vor allem im ersten Lauf wird sie nicht alles riskieren, sondern sauber und kontrolliert fahren. Danach kann sie schauen, wo Brignone steht und sich einen Plan für den zweiten Durchgang schmieden. Lara hat so viel Erfahrung, dass sie das kann.
Dass Gut-Behrami Sie ablösen wird, kratzt an Ihrem Ego!
Darauf wäre ich wirklich nie gekommen (lacht). Es wäre mir eine Ehre, von Lara abgelöst zu werden. Mit dem Riesen-Gold 2021 in Cortina war sie schon meine Nachfolgerin als Weltmeisterin – und nun ist sie es wohl bald auch im Weltcup. Ich würde ihr von Herzen gratulieren, denn ich weiss, wie komplex der Riesenslalom sein kann, wenn es nicht läuft. Und bei Lara lief es jahrelang nicht. Wie sie den Turnaround geschafft hat, ist einfach super.
Gut-Behrami verzichtet auf Social Media. Sie hätten damit Millionen verdient!
Schwierig, das zu beurteilen. Aber ich bin extrem dankbar, dass es zu meiner Zeit weder Facebok, Twitter, Instagram noch Tiktok gab. Ich bin gar kein Fan von Social Media. Immer und überall alles posten – ich finde das eine sehr ungesunde Entwicklung. Dass Lara darauf pfeift, obwohl sie damit viel mehr Geld verdienen könnte, finde ich lobenswert.
Gut-Behrami zieht ihr Ding durch – egal, was andere sagen. Sie hatten keine so dicke Haut!
Leider stimmt das. Es war mir überhaupt nicht egal, was andere über mich dachten. Wegen meiner Knie, die immer wieder Probleme machten, musste ich oft mein eigenes Süppchen kochen. Dabei hätte ich wie viele lieber immer im Team trainiert! Ich bekam immer wieder mit, wie andere hinter meinem Rücken über mich tuschelten – sie verstanden meinen Alleingang nicht. Das machte mich traurig und kostete Energie. Auch als die Medien negativ über mich berichteten, ging das nicht spurlos an mir vorbei. Lara ist da seit jeher viel abgebrühter. Immerhin: Heute bin ich reifer und stehe viel mehr über der Sache.
Mit der Form von 2002 und den Ski von heute würden Sie Gut-Behrami schlagen!
Mit solchen Vergleichen über die Ski-Generationen habe ich gar nichts am Hut. Ich finde auch nicht, dass es den Besten oder die Beste aller Zeiten gibt. Es gibt Athleten, die in ihrer Generation oft unerreicht waren – aber es gibt immer wieder neue Stars.
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Im Gegensatz zu Gut-Behrami galten Sie als Ski-Schätzchen!
Das habe ich immer wieder über mich gehört. Und wahrscheinlich ist es auch richtig, weil ich für die Leute sehr greifbar war und meinen Emotionen auch vor der Kamera freien Lauf liess. Das ist einfach mein Naturell. Man ist so, wie man ist.
Sie profitierten bei Ihren Kugel-Gewinnen nicht wie Gut-Behrami von verletzten Gegnerinnen!
Natürlich hilft es Lara, dass Mikaela Shiffrin, Petra Vlhova und Sofia Goggia wegen ihrer Verletzungen lange nicht fahren oder die Saison sogar beenden mussten. Aber vielleicht muss man sich auch fragen: Wieso ist Lara nicht verletzt? Was macht sie besser?
Ihre Karriere war Ihnen mehr wert als Ihre Gesundheit – bei Gut-Behrami ist es anders!
Es mag nach aussen so erscheinen, dass ich Raubbau an meinem Körper betrieben habe. Aber das ist nicht der Fall! Ich habe zwar schon seit vier Jahren eine Prothese in meinem berühmten, linken Knie. Aber ich bin fit und gesund und gehe mit meinen Kindern auch heute noch regelmässig Ski fahren – ohne Schmerzen.
Sie eckten im Gegensatz zu Gut-Behrami nie mit Journalisten an!
Ich war ein total anderer Typ als Lara und hatte wirklich tolle und freundschaftliche Beziehungen mit einigen Journalisten. Ihr seid ja auch tolle Menschen und macht euren Job. Klar, die Journalisten haben mich manchmal schon auch genervt – aber ich war ab und zu auch nervig (schmunzelt). Aber wo ist das im normalen Leben nicht auch so? Auch meine Kinder und mein Ehemann regen mich zuweilen auf – aber das ist völlig natürlich.
Sie traten nicht auf dem Höhepunkt ab – Gut-Behrami wird es nach Saalbach tun!
Ich glaube, dass Lara noch nicht mit ihrer Karriere fertig ist – sie wird weiterfahren. Als ich 2006 die Ski an den Nagel hing, hatte ich den Abgang auf dem Höhepunkt definitiv verpasst (schmunzelt). Aber spielt das wirklich eine Rolle? Für mich wäre es 2002 zu früh gewesen, um aufzuhören. Es musste so kommen, wie es gekommen ist. Und auch Lara wird den für sie passenden Zeitpunkt erwischen.