102,5 Milliarden Franken! Auf diese gewaltige Summe beliefen sich per Ende 2021 die Ausschüttungsreserven der Nationalbank. Volksvermögen, das nach und nach Bund und Kantonen zugutekommen soll.
Oder der AHV, zumindest teilweise. Das verlangt nämlich der Gewerkschaftsbund (SGB) mit seiner Volksinitiative «Nationalbankgewinne für eine starke AHV», für die ab heute Dienstag Unterschriften gesammelt werden. Wenn die Nationalbank hohe Gewinne erzielt, soll auch die AHV ein Stück des Kuchens abbekommen.
Heute gilt: Zwei Drittel der Reinerträge fliessen an die Kantone, ein Drittel bekommt der Bund. Aktuell werden so jährlich 6 Milliarden Franken verteilt. Den Kantonszustupf lassen die Initianten unangetastet – diese sollen weiterhin zwei Drittel, maximal aber 4 Milliarden erhalten. Darüber hinaus soll aber auch die AHV profitieren – je nach Geschäftsverlauf geht es hier um Millionen oder eben Milliarden.
Auch rückwirkend soll die AHV zum Handkuss kommen: Die seit 2015 aufgelaufenen Erträge aus den Negativzinsen sollen ebenfalls der Altersvorsorge dienen. Diese haben sich mittlerweile auf über 11 Milliarden Franken summiert.
«Volksvermögen zurück zu den Menschen»
«Wenn die Rentensituation für breite Bevölkerungsschichten verbessert werden soll, dann läuft das am effizientesten und solidarischsten über eine Stärkung der AHV», sagte SP-Co-Chefin Mattea Meyer (34, ZH) vor den Medien in Bern. Die Nationalbankgewinne sollen dabei mithelfen, denn: «Gewinne aus dem Volksvermögen gehören zurück zu den Menschen, und es gibt keinen nachhaltigeren Ort als die AHV», so Meyer. «Alle profitieren gleichermassen davon.»
Allein die angesammelten Negativzins-Erträge würden ausreichen, die AHV-Finanzierung für das nächste Jahrzehnt zu sichern, betonte Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (54). Das sei nicht nur eine einfache, sondern auch eine gerechte Lösung, «da die Negativzinsen die Renten der zweiten Säule erheblich geschwächt haben». Eine Rückgabe via AHV sei «nichts als ein gerechter Ausgleich», so der Waadtländer.
Gegen geplanten AHV-Abbau
Dass die neue AHV-Initiative gerade jetzt lanciert wird, kommt nicht ohne Grund. Damit legen Linke und Gewerkschaften einen Alternativplan zum geplanten AHV-Abbau der Bürgerlichen vor.
Die Initiative ist ein Teil der Schlachtaufstellung im Kampf um die AHV-Reform. Denn im Herbst entscheidet das Stimmvolk über die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre, gegen welche die Linke das Referendum eingereicht hat.
«Wir haben die Wahl: Stabilisieren wir die AHV auf Kosten der Frauen, indem wir einen Rentenabbau machen? Oder stimmen wir einer solidarischen und sozialen Finanzierung über die Volksvermögen der Schweizerischen Nationalbank zu?», so Meyer. Sie erinnerte daran, dass allein die Negativzins-Erträge fast doppelt so hoch seien, wie durch das höhere Frauenrentenalter bis 2030 eingespart werden könne.
Doch nicht nur die jetzige Abbau-Vorlage will die Linke stoppen, vielmehr soll die AHV mit einer 13. AHV-Rente ausgebaut werden. Auch hier sollen die Nationalbank-Milliarden bei der Finanzierung mithelfen.
Konkurrenz von rechts
Mit ihrer Initiative kommen die Gewerkschaften dem Bund der Steuerzahler zuvor, welcher eine ähnliche Initiative plant. Diese geht allerdings weniger weit: Einzig die Einnahmen aus den Negativzinsen sollen in die AHV fliessen – kumuliert bisher über 11 Milliarden Franken, und jedes Jahr kommen aktuell ein bis zwei Milliarden Franken dazu.
«Der Initiativtext ist derzeit bei der Bundeskanzlei in der Vorprüfung», sagt SVP-Nationalrat Alfred Heer (60). Er geht davon aus, dass dieser in den nächsten Wochen bereinigt wird. «Voraussichtlich nach den Sommerferien starten wir mit der Unterschriftensammlung», so Heer.
Dass sich dannzumal zwei Volksbegehren mit derselben Problematik befassen, stört ihn nicht. «Dass gleich von zwei verschiedenen Seiten eine Initiative kommt, erhöht den Druck», sagt der Zürcher. «Das ist gar nicht so schlecht. Damit steigen die Erfolgschancen, dass zumindest unsere ‹mildere› Variante durchkommt.»
Ob er auch der Initiative der Gewerkschaften zustimmen wird, lässt er offen. «Ich werde sie mir genau anschauen. Entschieden ist noch nichts.»