Pensionskassen-Reform an Kommission zurückgewiesen
Ständerat versinkt im Renten-Chaos

Am Mittwoch ging es im Ständerat um unsere Renten. Die entscheidende Frage: Wie wird die Rentenlücke gefüllt, die mit der Senkung des Umwandlungssatzes entsteht? Das bleibt vorerst unbeantwortet. Denn die Sozialkommission muss nochmals über die Bücher.
Publiziert: 15.06.2022 um 06:23 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2022 um 13:37 Uhr
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Der Umwandlungssatz soll sinken. Da fragt sich: Wie viel Rente bleibt uns im Alter?
Foto: imago/photothek
Ruedi Studer

Jetzt geht das Hauen und Stechen um unsere Renten auch im Ständerat los. Am Mittwoch beugt sich die kleiner Kammer über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Der Nationalrat hat in einer ersten Runde vorgelegt, jetzt entscheidet das Stöckli, wie es mit den Pensionskassen-Renten weitergehen soll.

Die zuständige Ständeratskommission schlägt einige Korrekturen vor, heisse Diskussionen sind programmiert. Blick erklärt die wichtigsten Punkte, über welche entschieden wird:

Umwandlungssatz soll sinken

Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr.

Im Parlament ist die Senkung im Grundsatz unbestritten. Der grosse Streit dreht sich viel mehr darum, wie die drohende Rentenlücke ausgeglichen werden kann.

Rentenzuschlag soll Lücke füllen

Sinkt der Umwandlungssatz, sinkt die Rente. Eine Rentenzuschlag soll die Lücke füllen. Um das richtige Modell wird aber noch gestritten. Der Nationalrat will einen abgestuften Rentenzuschlag von maximal 200 Franken monatlich für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Nur gut 35 bis 40 Prozent der Neurentner würden einen Zustupf erhalten. Finanziert werden soll der Zuschlag hauptsächlich aus den Pensionskassen-Reserven. Kostenpunkt: 9,1 Milliarden Franken.

Dem gegenüber steht ein Vorschlag der ständerätlichen Sozialkommission, der auf FDP-Ständerat Josef Dittli (65, UR) zurückgeht: 20 Jahrgänge sollen einen abgestuften Zuschlag von bis zu 200 Franken monatlich erhalten. 88 Prozent der Versicherten dieser Übergangsgeneration würden davon profitieren. Allerdings schlägt das Modell mit 25,2 Milliarden Franken zu Buche. Deshalb hat es in dieser Form keine Chance in der kleinen Kammer.

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Das hat auch FDP-Mann Dittli gemerkt. Mit einem neuen Vorschlag versucht er den gordischen Knoten zu zerschlagen. Ein Modell, das weitgehend auf der Nationalratsvariante basiert, aber den Bezügerkreis auf 37 bis 47 Prozent ausweitet. Kostenpunkt: 11,9 Milliarden Franken.

Eine Minderheit um SP-Ständerat Paul Rechsteiner (69, SG) versucht dem Sozialpartner-Kompromiss von Arbeitgeberverband und Gewerkschaften nochmals Leben einzuhauchen. Dieses Ansinnen ist allerdings chancenlos.

Unklar ist, ob allenfalls die Mitte wegen des Chaos rund um den Renten-Ausgleich kurzfristig noch einen Rückweisungsantrag stellt, damit die Ständeratskommission sich noch einmal über die Problematik beugt. Entsprechende Überlegungen waren bei den Mitte-Ständeräten am Dienstag jedenfalls ein Thema.

Höhere Lohnsumme versichern

Gerungen wird auch darum, welcher Lohnanteil unter das BVG-Obligatorium fällt und deshalb zwingend versichert werden muss. Denn: Je höher der versicherte Lohn, umso mehr zahlen Arbeitnehmende und Arbeitgeber in die zweite Säule ein. Und je höher das angesparte Altersguthaben, umso höher die Rente. Insbesondere bei Geringverdienern und Teilzeitangestellten will das Parlament nachbessern.

Im Fokus steht dabei der sogenannte Koordinationsabzug von aktuell 25'095 Franken pro Jahr. Konkret: Arbeitgeber können diesen Betrag vom Jahreslohn abziehen. Was unter dem Strich übrig bleibt, ist der in der zweiten Säulen versicherte Lohn. Wer also 40'000 Franken verdient, bezahlt heute nur auf 14'905 Franken BVG-Beiträge – ebenso der Arbeitgeber.

Mit der Pensionskassen-Reform soll die versicherte Lohnsumme insbesondere im Tieflohnbereich nun steigen. Der Nationalrat will den Koordinationsabzug deshalb auf 12'548 Franken halbieren. Im Ständerat hingegen steht ein von Grünen-Ständerätin Maya Graf (60, BL) eingebrachter Systemwechsel zur Debatte: Anstelle eines fixen ist ein flexibler Abzug von 15 Prozent der Lohnsumme angedacht.

Bei einem Lohn von 40'000 Franken würden im Nationalratsvorschlag nur auf 27'452 Franken Beiträge bezahlt, im flexiblen Modell hingegen auf 34'000 Franken. Im Vergleich zu heute steigen die Beiträge in beiden Fällen deutlich und damit auch die Renten. Doch allzu hohe Beiträge sind Gewerblern und Bauern ein Dorn im Auge, weil sie für die Arbeitgeber auch hohe Mehrkosten bedeuten.

Das zweite Element, das sich auf die versicherte Lohnsumme auswirkt, ist die Eintrittsschwelle. Diese bestimmt, ab welchem Lohn überhaupt in die zweite Säule eingezahlt werden muss. Aktuell liegt die Schwelle bei 21'510 Franken. Der Nationalrat will sie auf 12'548 Franken senken, die Ständeratskommission nur auf 17'208 Franken. Statt 320'000 würden damit nur 140'000 Kleinverdiener neu in einer Pensionskasse versichert.

Altersgutschriften werden angepasst

Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden mit der Reform geglättet: Bis im Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 bzw. 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab Alter 45 sind es 14 Prozent (bisher 15 bzw. 18 Prozent). Hier sind sich die Räte einig. Denn damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.

Umstritten ist, ab welchem Alter die BVG-Pflicht beginnen soll. Der Nationalrat möchte das Eintrittsalter von heute 25 auf neu 20 Jahre senken. Junge müssen also früher in die Pensionskasse einzahlen. Die Ständeratskommission hingegen will bei 25 Jahren bleiben, um die Jungen nicht zusätzlich zu belasten. Dem dürfte die kleine Kammer folgen.

Zunehmende Zweifel

Während um die Eckwerte der Reform gefeilscht wird, mehren sich die Stimmen, die die Reform als Ganzes in Zweifel ziehen. «Der Ist-Zustand ist sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer besser als die bisherigen Reformvorschläge», sagt FDP-Ständerat Ruedi Noser (61, ZH) im Vorfeld der Debatte zu Blick. Die Problematik des zu hohen Umwandlungssatzes von 6,8 Prozent betreffe nur etwa 14 Prozent der Versicherten. «Da macht es keinen Sinn, wenn 40 oder 50 Prozent einen Rentenzuschlag erhalten.» Wenn nötig, lasse sich die Reform in der Schlussabstimmung versenken.

Ähnlich tönt es bei SVP-Ständerat Hannes Germann (65, SH). «Strukturell bringen die aktuellen Vorschläge wenig», sagt er. «Es wäre bald besser, wir würden die Reform rasch bodigen.»

Ohne Sozialpartner-Kompromiss hat die Vorlage auch im links-grünen Lager einen schweren Stand. Je nach Entwicklung droht die Vorlage also bereits im Parlament zu scheitern. Und wenn nicht, wird das Volk via Referendum das letzte Wort haben.

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