Es ist das Top-Geschäft der Sommersession: Bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) geht es um die Finanzierung unserer Renten. Um Umverteilung. Um Milliardenbeiträge. Ganz grundsätzlich um die Neuausrichtung der zweiten Säule.
Kernstück der Reform ist die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent im BVG-Obligatorium. Das heisst: Auf 100'000 Franken Altersguthaben gibt es künftig nur noch 6000 statt 6800 Franken Jahresrente. Damit droht ein Rentenabbau.
Der Hauptstreitpunkt im Parlament: Mit welchen Ausgleichsmassnahmen lässt sich die Rentenlücke füllen? Im Ständerat kommt es zum Showdown, in welche Richtung es gehen soll.
Dittli-Modell vor dem Absturz
Fährt das Parlament einen harten Kurs, wie ihn der Nationalrat bereits vorgezeichnet hat, erhalten nur 35 bis 40 Prozent der Versicherten einen Rentenzuschlag von maximal 200 Franken monatlich. Die Ausgleichsmassnahme gibt es nur für 15 Jahrgänge. Kostenpunkt: 9,1 Milliarden Franken.
Eine von der ständerätlichen Sozialkommission vorgeschlagene Variante sieht einen Rentenzuschlag von maximal 200 Franken für 20 Jahrgänge vor. Bei diesem von FDP-Ständerat Josef Dittli (65, UR) angeregten Modell würden bis zu 88 Prozent der Versicherten einen Ausgleich erhalten – mit Kosten von rund 25 Milliarden Franken.
Bloss, das Dittli-Modell wird von SVP und Mitte abgelehnt und ist selbst in den FDP-Reihen umstritten. Im Ständerat droht ihm der Absturz, denn gegen das neue Modell wird massiv lobbyiert.
«Arbeitslunch» für Parlamentarier
An vorderster Front bekämpft der Pensionskassen-Verband Asip den Vorschlag. Dessen Direktor Hanspeter Konrad (64) geisselt das Modell im Blick-Interview als unfair. Und plädiert für die Nationalratslösung: «Wir müssen gezielt auf die Direktbetroffenen fokussieren, statt mit der Giesskanne Rentenzuschläge an alle zu verteilen.»
Eine Botschaft, die er auch unter die Parlamentarier bringen will. So lädt die parlamentarischen Gruppe BVG – für die der Asip das Sekretariat führt – kommende Woche zu einem «Arbeitslunch» ins Restaurant Lorenzini in Bern. Im Salotto Siena nimmt nicht nur Asip-Direktor Konrad eine «Lagebeurteilung» vor, sondern etwa auch ein Vertreter des Beratungsbüros C-alm, das in dieser Frage beim Pensionskassen-Verband im Solde steht.
Das Ziel der «Lagebeurteilung» ist klar: Das Dittli-Modell soll abgeschossen und der Nationalratsvariante auch im Ständerat der Weg geebnet werden.
Migros, UBS, Groupe Mutuel
Nicht nur der Asip weibelt für einen harten Kurs bei den Kompensationsmassnahmen. Die Ständeräte wurden in den vergangenen Tagen und Wochen massenweise mit Stellungnahmen und Mails eingedeckt. Bodigen will das Dittli-Modell etwa das Versicherungsunternehmen Groupe Mutuel. Es warnt vor der Einführung eines auf dem Umverteilungsprinzip basierenden Elements, das das BVG-System «verzerrt». Die UBS warnt vor «umfangreichen Mehrkosten».
Mehr zur Renten-Reform
Die Migros spricht gar von einer «Reform auf Abwegen» und einer «Verschlimmbesserung» durch die zuständige Ständeratskommission. Deren Variante führe «zu einer unnötigen Überkompensation für viele nach dem Giesskannenprinzip und zu entsprechend hohen Kosten für Arbeitnehmende und Arbeitgebende». Und für das Centre Patronal hat die Nationalratslösung einen gewichtigen Vorteil: «Es werden nicht höhere Renten ausbezahlt, als das heutige System vorsieht.»
FDP-Müller: «Briefe aus der Hochlohnbranche»
Was auffällt: Druck machen vor allem die Gegner des Dittli-Modells. Sie wollen es um jeden Preis zu Fall bringen. Je näher der Entscheid rückt, desto eindringlicher wird gewarnt. «Wir werden mit Briefen aus Hochlohnbranchen eingedeckt und von Experten allerlei Art heimgesucht», sagt FDP-Ständerat Damian Müller (37, LU) zu Blick.
«Die Berater der Pensionskassen-Lobby sollen die Parlamentarier vom Modell überzeugen, das von möglichst geringer Solidarität mit KMU und Gewerbe geprägt ist», so Müller. «Und Renteneinbussen selbst für Geringerverdiener in Kauf nimmt und Erwerbstätige aus dem tieferen Mittelstand finanziell im Regen stehen lässt.» Für ihn ist denn auch klar: «Ausgerechnet die Banken, die an der beruflichen Vorsorge gutes Geld verdienen, mögen sich an den Kosten der Stabilisierung des obligatorischen BVG nicht beteiligen.»
Müller selbst plädiert im Grundsatz für das Dittli-Modell. «Wenn nötig, können wir den Bezügerkreis einengen, um einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu schaffen. 20 Jahrgänge sind aber zwingend. Eine Reform mit Rentenkürzungen für Kleinverdiener werde ich nicht mittragen.»
«Sehr viele Interessenkreise involviert»
Auch Kommissionspräsident und Mitte-Ständerat Erich Ettlin (60, OW) beobachtet mehr Lobbyaktivitäten rund um die BVG-Reform als bei anderen Geschäften. «Es sind sehr viele Interessenkreise involviert und es geht auch um sehr viel», so Ettlin. «Insofern ist das Lobbying normal.»
Er selbst plädiert bei der Übergangsgeneration für das Nationalratsmodell. Dem Dittli-Vorschlag gibt er wenig Chancen. «In der FDP hat man selbst gemerkt, dass es nicht der Weisheit letzter Schluss ist.» Allerdings hält er es für möglich, dass noch über einen Einzelantrag ein mehrheitsfähiger Anpassungsvorschlag eingebracht wird. «Es laufen noch immer viele Diskussionen.»