Showdown um die Pensionskassen-Reform
Gewerbler und Bauern legen sich mit Frauen an

Am Mittwoch kommt es im Ständerat zum Showdown um die Pensionskassen-Reform. Ein entscheidender Diskussionspunkt ist die Ausweitung der Beitragspflicht auf die Lohnsumme. Gewerbler und Bauern wehren sich gegen die drohenden Mehrkosten.
Publiziert: 13.06.2022 um 12:53 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:30 Uhr
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Die versicherte Lohnsumme soll steigen – das bedeutet insbesondere in der Landwirtschaft deutliche Mehrkosten für die Arbeitgeber.
Foto: imago images/Kirchner-Media
Ruedi Studer

Jetzt geht es bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) um die Wurst. Am Mittwoch beugt sich der Ständerat über das Geschäft. Doch schon im Vorfeld geraten sich nun Gewerbler, Bauern und Frauen in die Haare. Grund dafür: Die versicherte Lohnsumme soll steigen. Das bedeutet Mehrkosten für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aber eben auch bessere Renten für Tieflöhnerinnen und Teilzeitangestellte, also vor allem Frauen.

Im Fokus steht dabei der sogenannte Koordinationsabzug von aktuell 25'095 Franken pro Jahr. Konkret: Arbeitgeber können diesen Betrag vom Jahreslohn abziehen. Was unter dem Strich übrig bleibt, ist der in der zweiten Säulen versicherte Lohn. Wer also 40'000 Franken verdient, bezahlt heute nur auf 14'905 Franken BVG-Beiträge – ebenso der Arbeitgeber. Das wirkt sich negativ auf die spätere Rente aus.

Mit der Pensionskassen-Reform soll die versicherte Lohnsumme insbesondere im Tieflohnbereich nun steigen. Der Nationalrat will den Koordinationsabzug deshalb auf 12'548 Franken halbieren. Im Ständerat hingegen steht ein eigentlicher Systemwechsel zur Debatte: Anstelle eines fixen ist ein flexibler Abzug von 15 Prozent der Lohnsumme angedacht. Bei einem Lohn von 40'000 Franken würden im Nationalratsvorschlag nur auf 27'452 Franken Beiträge bezahlt, im flexiblen Modell hingegen auf 34'000 Franken. Im Vergleich zu heute steigen die Beiträge in beiden Fällen deutlich.

Gewerbler steigen auf die Barrikaden

Das treibt die Vertreter der typischen Tieflohnbranchen jetzt auf die Barrikaden. In einem gemeinsamen Brief «an die Ständerätinnen und Ständeräte der bürgerlichen Parteien», welcher Blick vorliegt, wehren sich Gewerbeverband, Gastrosuisse und Hotelleriesuisse sowie Bauernverband, Obstverband und Gemüseproduzenten gegen die von der ständerätlichen Sozialkommission vorgeschlagenen «Lösungsansätze, die die Reform insbesondere für das Gewerbe und die Landwirtschaft massiv verteuern würden und die so nicht mitgetragen werden können».

Die Verbände stören sich an den höheren Beiträgen, welche geleistet werden müssten. Vor allem Kleinverdienern würden «in ihrer aktiven Zeit enorme Geldmittel entzogen, welche sie dringend für den Lebensunterhalt brauchen». Auch die Arbeitgeber würden mit «überproportional höheren BVG-Kosten belastet» – in der Landwirtschaft würden die Beiträge je nach Variante um bis zu 85 Prozent ansteigen.

Diese Mehrbelastungen seien schlicht «nicht verkraftbar», heisst es im Brief, den unter anderem Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer (60), Bauern-Präsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter (55, SG) und Gewerbe-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (59, TI) unterzeichnet haben.

Gewerbler und Bauern wollen den Koordinationsabzug stattdessen auf 60 Prozent des Lohnes festlegen – mit einem maximalen Abzug von 21'510 Franken. Bei einem 40'000-Franken-Lohn wären also nur 16'000 Franken versichert. Gleichzeitig soll die Eintrittsschwelle, ab welcher ein Lohn überhaupt unters BVG-Obligatorium fällt, wie heute bei 21'510 Franken bleiben. Der Nationalrat will die Schwelle auf 12'548 Franken senken, die Ständeratskommission schlägt 17'208 Franken vor.

Frauen fordern Fairness

Damit legen sich Gewerbler und Bauern – der Brief ist von zwölf Männern unterschrieben – mit den Frauen an! Das flexible 15-Prozent-Modell hat nämlich die grüne Ständerätin Maya Graf (60, BL) eingebracht. Sie ist Co-Präsidentin des Frauendachverbands Alliance F – und dieser wendet sich gemeinsam mit dem Katholischen Frauenbund, dem Dachverband Gemeinnütziger Frauen sowie dem Bäuerinnen- und Landfrauenverband an die Ständerätinnen und Ständeräte aller Parteien.

Frauenorganisationen und Politikerinnen über fast alle Parteien hinweg würden schon seit über 35 Jahren die Abschaffung des «Systemfehlers des fixen Koordinationsabzuges» fordern, heisst es im gemeinsamen Schreiben der Verbandspräsidentinnen. Das heutige System wirke sich insbesondere auf kleinere Einkommen negativ aus. Mit Folgen: «Heute beziehen Frauen im Durchschnitt ein Drittel weniger Altersrente als Männer, das macht 20'000 Franken pro Jahr aus.»

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Das neue Modell soll vorab einer besseren Altersvorsorge für Frauen und damit mehr Gleichstellung den Weg ebnen. «Ein prozentualer Koordinationsabzug ist fair, denn er versichert endlich auch kleinere Einkommen, Teilzeit und Mehrfachbeschäftigte anteilsmässig gleich gut wie höhere Einkommen», sagt Graf zu Blick. Sie nimmt einen 25'000-Franken-Lohn als Beispiel: «Diese Person erhält neu eine jährliche Altersrente von 5865 Franken anstatt heute von 1219 Franken.»

Auch für Tieflöhner und Teilzeitangestellte sei es wichtig, genügend Alterskapital ansparen zu können. «Diese Vermögen dürfen ja auch für Wohneigentum oder Selbständigkeit bezogen werden», führt Graf einen weiteren Aspekt ins Feld. «Etwas, das nicht nur höheren Einkommen vorbehalten sein soll.»

SVP-Support für Frauen

Der Vorschlag hat gute Erfolgschancen. In der Ständeratskommission stellte sich einzig eine FDP-Minderheit dagegen. Support erhält das Frauenanliegen hingegen von SVP-Ständerat Alex Kuprecht (64). Das flexible Modell sei «bedenkenswert», so der Schwyzer. «Es ist im Grundsatz einfach und von keiner kaum merkbaren Zahl abhängig.»

Zudem verursache es in etwa gleich hohe Kosten wie eine Halbierung des Koordinationsabzugs, so Kuprecht. «Darum unterstütze ich im Grundsatz die einfachere Variante, die den Effekt eines künftig höheren Endkapitals und somit einer höheren künftigen Rente mit sich bringt.»

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