Der prominente Immunologe und US-Regierungsberater Anthony Fauci (79) hat in der Corona-Krise vor übertrieben schneller Rückkehr zur Normalität gewarnt. «Das könnte wirklich ernste Konsequenzen haben», sagte Fauci am Dienstag in einer Video-Anhörung des Senats. Wenn die Richtlinien nicht beachtet würden, bestehe das reale Risiko eines Ausbruchs, den man nicht kontrollieren könne. Dies könnte unnötiges «Leid und Tod» zur Folge haben. Auch die Bemühungen um eine wirtschaftliche Erholung könnten zurückgeworfen werden.
Sein Gegenspieler ist ausgerechnet Donald Trump, der Mann, den Fauci tagtäglich berät. Angesichts der verheerenden wirtschaftlichen Folgen treibt der US-Präsident Lockerungen voran. Er ermutigt zu Protesten in Bundesstaaten, die die Schutzmassnahmen seiner Ansicht nach nicht schnell genug zurückfahren. Dabei erfüllen viele Staaten die Kriterien nicht, die Trump in Richtlinien zur Wiederöffnung selbst vorgestellt hat – zum Beispiel eine Abnahme der Zahl der Infektionen über 14 Tage. Trump schrieb auf Twitter, die Fallzahlen «in den meisten Landesteilen» gingen zurück. Die USA wollten «sich wieder öffnen und in Gang kommen», was auf sichere Art und Weise geschehe. Die Pandemie ist jedoch vielerorts nicht unter Kontrolle.
«Wir sind noch nicht aus dem Gröbsten heraus»
Fauci mahnte bei der Anhörung am Dienstag auch, es sei möglich, dass im Herbst eine zweite Welle des Virus kommen werde. Er hoffe, dass man dann durch Testkapazitäten und dergleichen besser reagieren könne. Das Virus werde aber nicht einfach verschwinden. Trump hatte dies zu Beginn mehrfach behauptet. Auch der Chef der US-Gesundheitsbehörde, Robert Redfield (68), warnte in der Anhörung: «Wir sind noch nicht aus dem Gröbsten heraus.» Fauci betonte, die Entwicklung gehe in die richtige Richtung. Das bedeute aber keineswegs, dass es vollkommene Kontrolle über das Virus gebe.
Alarmierend ist eine neue Prognose von US-Wissenschaftler: Sie gehen in einer aktualisierten Modellrechnung davon aus, dass es in den Vereinigten Staaten bis Ende Juli fast 150'000 Corona-Tote geben wird. Die höhere prognostizierte Opferzahl liege unter anderem an der in vielen Landesteilen beginnenden Lockerung der Corona-Auflagen, erklärten die Forscher des Instituts IHME der Universität Washington in Seattle am Dienstag. Die ganzen Auswirkungen der Lockerungen würden wegen der Zeit zwischen Ansteckungen, Tests, möglichen Krankenhausaufenthalten oder Todesfällen erst in einigen Wochen klar werden, warnten sie.
Trump prognostizierte Mitte April noch rund 60'000 Todesopfer. Mittlerweile sind aber bereits über 82'000 Menschen am neuartigen Coronavirus gestorben.
Die Beziehung zwischen Fauci und Trump
Fauci sprach am Dienstag bei der Anhörung des Senats auch über seine Verhältnis mit Donald Trump. «Es gibt gewiss keine konfrontative Beziehung zwischen mir und dem Präsidenten», versicherte Fauci. Er berate Trump basierend auf wissenschaftlichen Informationen. Der Präsident höre sich das an, respektiere dies und bekomme auch von anderen Seiten Ratschläge. Andere Experten aus der Corona-Arbeitsgruppe des Weissen Hauses betonten bei der Anhörung im Senat ebenfalls, es gebe keine Konfrontationen mit Trump. Die Fachleute gäben in der Runde offen ihre Einschätzungen ab, und der Präsident höre zu.
Fauci hatte vor Wochen der Webseite des Fachjournals «Science» gesagt, dass Trump ihm zuhöre – «auch wenn wir in manchen Sachen nicht einer Meinung sind». Trump habe seinen eigenen Stil. «Aber in inhaltlichen Fragen hört er auf das, was ich sage.» Trump selbst hatte Fauci trotz inhaltlicher Meinungsunterschiede auch mehrfach ausdrücklich öffentlich gelobt. Er betonte, er schätze die Experten in seinem Coronavirus-Team sehr und werde weiter auf ihren Rat hören. (nim/SDA)
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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