San Diego, Kalifornien, USA: Etwa 500 aufgewühlte Amerikaner ziehen am Samstag mit Schildern um die Strassen von Pacific Beach, einem hübschen Vorort San Diegos. Kaum einer von ihnen hält die Distanzregeln ein, auch auf das Tragen einer Schutzmaske wird verzichtet – obwohl dies seit Freitag gesetzliche Pflicht ist in der Stadt. «Fertig mit dem Lockdown» oder «Gebt uns die Freiheit zurück», steht auf den selbstgebastelten Plakaten.
Die Anti-Corona-Proteste finden seit einigen Wochen in den ganzen USA statt, teils sogar ausgestattet mit Militärwaffen. Zu ihren grössten Fans gehört Donald Trump (73). Der US-Präsident stachelte die Corona-Ignoranten Mitte April an, schrieb auf Twitter: «Befreit Minnesota», «Befreit Michigan» und «Befreit Virginia». Vergangene Woche eskalierte die Situation so sehr, dass die Demonstrante lokale Regierungsgebäude belagerten und Sicherheitspersonal bedrohten.
Kalifornien: Stetig mehr Corona-Fälle – trotz Lockdown
Die Protestler sind meist Trump-Fans und drängen, wie auch ihr Präsident, auf eine schnelle Öffnung der Wirtschaft. Zumindest in Kalifornien ist man davon noch weit entfernt. Zwar können ab kommender Woche einige geschlossene Läden, etwa für Spielzeuge, Sportartikel, Kleidung oder Blumen, ihren Betrieb stufenweise wieder aufnehmen, allerdings mit grossen Einschränkungen. Bis Restaurants oder Coiffeursalons in Kalifornien wieder öffnen dürfen, könnte es nach Ansicht von Experten noch bis zum Spätsommer dauern.
Die Situation in der Sonnenstube des Landes ist kritisch. Der Lockdown von Gouverneur Gavin Newsom (52) steht besonders in der Kritik, weil er kaum Wirkung zeigt. Im Gegenteil: Im Vergleich zu Anfang April gibt es mittlerweile prozentual mehr Corona-Infizierte als zuvor. Und die Massnahmen sind in Kalifornien bereits seit Mitte März in Kraft. Immerhin: Die Ansteckungskurve steigt nicht stark an, eine Überlastung des Gesundheitssystems konnte bislang verhindert werden. Experten sind überzeugt: Ohne frühen Lockdown hätte der Sonnenstaat wie New York enden können – das Epizentrum der Corona-Pandemie in den USA mit knapp 19'000 Todesopfern. Kalifornien hingegen verzeichnet derzeit etwas mehr als 2000 Tote.
Behörden-Papier zeichnet schockierende Corona-Zukunft
Die Corona-Pandemie ist in den USA längst nicht ausgestanden. Noch immer verzeichnet das Land zwischen 1300 und 2000 Todesopfern täglich. Mittlerweile sind über 69'000 Menschen an Covid-19 gestorben und somit mehr, als man in Washington gerechnet hat. Trump schätzte die Anzahl Todesopfer Mitte April noch auf 60'000 bis 65'000. Er korrigierte seine Prognose am Sonntag auf 75'000 bis 100'000 und fügte erneut an, welch «hervorragenden Job» seine Regierung gemacht hätte.
Für Wirbel und Angst sorgte am Montag indes ein internes Dokument seiner Behörden, das in die Hände der «New York Times» gelangte. Demnach könnte sich die Corona-Krise in den USA weiter zuspitzen, obwohl der Präsident öffentlich das Gegenteil behauptet. Das Papier vom Gesundheitsministerium und der Katastrophenschutzbehörde Fema enthält zwei Diagramme mit dem Vermerk «nur für den Dienstgebrauch», so die «New York Times».
In einem Diagramm wird prognostiziert, dass die Zahl der neuen Coronavirus-Fälle bis zum 1. Juni auf rund 200'000 pro Tag zunehmen könnte. Zuletzt hatte die Gesundheitsbehörde CDC von Samstag auf Sonntag einen Anstieg um knapp 30'000 verzeichnet. Die Experten erwarten einem weiteren Diagramm zufolge, dass die Zahl der Todesfälle infolge einer Covid-19-Erkrankung bis zum 1. Juni auf etwa 3000 pro Tag steigen könnten – also nochmals deutlich mehr als zum jetzigen Zeitpunkt!
Einige Bundesstaaten öffnen Restaurants trotzdem wieder
Das Weisse Haus wies am Montag den Bericht und die Prognosen zurück. Sie spiegelten weder die Modelle der Coronavirus-Arbeitsgruppe im Weissen Haus noch die von ihr analysierten Daten wider, teilte der Vizesprecher des Weissen Hauses, Judd Deere (32), am Montag mit. Er betonte, Trumps Richtlinien für eine graduelle Öffnung der Wirtschaft orientierten sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit denen die Gesundheitsexperten in der Regierung übereinstimmten. Oberste Priorität für Trump bleibe die Gesundheit der Amerikaner.
Klar ist derzeit: Die Corona-Kurve hat sich in Amerika in den vergangenen Wochen auf einem hohen Niveau stabilisiert. Während das Epizentrum New York rückläufige Zahlen aufweist, gibt es neue Hotspots im Land. Trotzdem lockern viele Bundesstaaten den Lockdown. In Florida und Texas beispielsweise können seit Montag Restaurants und Shopping Malls wieder Gäste empfangen.
Seit Donald Trump 2016 zum 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt wurde, wirbelt er die internationale Politik durcheinander. Bleiben Sie auf dem Laufenden mit allen Bildern, News & Videos aus den USA.
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