Jeder Autoredaktor hat Geschichten erlebt, die nur Italien schreibt. Wie man auf Testfahrt im neusten Alfa auf Parkplatzsuche falsch abbiegt, einen darum die Polizei stoppt – aber keine Busse, sondern einen Parkplatz an der Wache gibt. Wie dem Ferrari zwei Nonnen winken. Wie der neue Fiat 500 anno 2007 den Verkehr lahmlegt, weil alle herbeilaufen. Welch grandioses Autoland!
Welch trauriges Autoland: Erst killt sich Alfa Romeo fast selbst, dann ignoriert Fiat die Marke und zerstört nebenher Lancia. Da startet etwa Alfa durch, wird aber der Fiat Punto aufgegeben. Oder da steht im Display eines Autos von Fiat-Chrysler (FCA) allen Ernstes «Reichweite 380 km/h». Hallo? Trotzdem liebt man sie, die Autos voller Italianità. Nur immer weniger: Fiat begründete einst Marken wie Seat oder Simca, jetzt lebt FCA von US-Pick-ups. Noch 1990 war Italien mit 2,1 Millionen Fahrzeugen fünft grösstes Auto-Herstellerland. Und 2019? Reichte es für 900'000 Stück: Platz 19 hinter der Türkei und Indonesien, knapp vor dem Iran.
Gekonntes Verkehrschaos
Fast nirgends ist die Autodichte pro Einwohner so hoch und definitiv nirgends die Autobegeisterung so immens. In der Verkehrstoten-Rate ist Italien im Mittelfeld: schlechter als Deutschland, besser als Belgien. Im Verkehr wird viel geflucht und gehupt, aber kaum blockiert oder bestraft. Improvisiertes Mit- statt wie bei uns stures Gegeneinander. Das hat zwar Vor-, aber auch Nachteile. Nirgends sonst machen Fahrer in der City so flott und kreativ Platz, wenn von hinten die Sirena bitonale der Ambulanza tönt. Aber grün heisst nicht immer, dass alles frei ist.
Die schönsten Strassen durch schönste Landschaften – und die schlechtesten in Europa. Nicht erst, seit die Ponte Morandi in Genua 2018 wegen Schlamperei einstürzte. Unter lethargischen Behörden und zwei Dutzend privaten Autobahn-Betreibern haben sich 20 abrissreife Autobahnbrücken summiert. Bei hunderten hat man nie festgelegt, wer sie überprüfen müsste. 200 Tunnel gelten als unsicher.
Dacias Duster ist ein Hit
Aber was fahren die 60 Millionen Italiener auf einer Fläche, die so gross ist wie Deutschland minus die Schweiz? Die Rangfolge der Bestseller 2019: Fiat Panda mit fast dreifachem Absatz gegenüber dem Zweitplatzierten, dem nur noch in Italien und billig verkauften Lancia Ypsilon. Rang drei: Dacia Duster. Dann Fiat 500X, Renault Clio, Jeep Renegade, Citroën C3, VW T-Roc, Toyota Yaris und Jeep Compass. Fiat 500 und Smart Fortwo? Der Cinquecento wurde vom Modellwechsel geschwächt, aktuell liegt er auf Rang sieben. Smart hat der Wechsel auf Elektro ausgebremst. Bei den Marken liegt Fiat vor VW und Ford.
Doch so pleite Italien und seine Automarken gerne wirken – es geht trotzdem weiter, denn ein bisschen trügt der Schein: Trotz schwerfälliger Bürokratie ist der südeuropäische Stiefel pro Kopf das acht stärkste Industrieland der Welt! Besonders gut unterwegs sind der Autobereich, Maschinenbau, Pharmazie und Textil – oft dank der unzähligen KMU. Und der Tourismus? Er bestreitet 13 Prozent der Wirtschaft.
Bussen füllen leere Kassen
Wer Regeln bricht, wird deftig gebüsst: Es blitzt seltener, aber dann richtig. Bei 20 km/h zu viel sind 175 Euro (ca. 190 Fr.) fällig, Handy am Steuer ist nur zehn Euro günstiger. Chronisch klamme öffentliche Kassen werden auch mal durch neue Regeln gerne zur – so ein Zufall – Feriensaison gefüllt. Und gerne wird auch mal das fehlende CH-Schild an Schweizer Autos (hier alle Regeln für Ferien mit dem Auto in Italien) mit einem Strafzettel honoriert. Egal: Bella Italia ist uns stets eine Reise wert.