Auf den Tag genau vor zwei Jahren begann ein Konflikt, dessen Ausmass und Intensität die internationale Gemeinschaft bis heute in Atem hält. Der Ukraine-Krieg, ein Ereignis, das in die Geschichte eingehen wird, begann mit einer unheilvollen Ankündigung und entfaltete sich zu einem erbitterten Kampf um Freiheit, Souveränität und menschliche Würde.
Drei Tage hätte der Krieg dauern sollen, wenn es nach Kremlchef Wladimir Putin (71) gegangen wäre. Jetzt, 24 Monate nach dem Angriff Russlands, blicken wir in einem Dutzend Kapiteln zurück auf die bis dato wichtigsten Ereignisse des Kriegs.
Der Beginn der russischen Invasion
Wir schreiben den 24. Februar 2022. Kremlchef Wladimir Putin kündigt in einer Fernsehansprache den Beginn einer «militärischen Spezialoperation im Donbass» an. Kurz darauf überfällt die russische Armee aus mehreren Richtungen die Ukraine. Der Krieg beginnt.
Schnell erobern die russischen Truppen die Sperrzone um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl und den Flughafen Hostomel nördlich der Hauptstadt Kiew. Doch die ukrainischen Streitkräfte erobern den Flughafen zurück, auch an den Städten Kiew und Charkiw scheitern die Russen.
Im Süden der Ukraine kann Russlands Armee Erfolge verzeichnen: Putins Truppen besetzen die strategisch wichtige Schlangeninsel und überqueren von der Krim her den Fluss Dnepr – was in der Besetzung der Stadt Cherson resultiert.
Die Belagerung von Mariupol
Die Belagerung von Mariupol begann Anfang März 2022, als russische Streitkräfte die Stadt umzingelten. Eines der erschütterndsten Ereignisse war der Angriff auf das Theater von Mariupol am 16. März 2022, bei dem das Gebäude bombardiert wurde, das als Zufluchtsort für Hunderte von Zivilisten diente. Trotz grosser Aufschriften, die das Vorhandensein von Kindern signalisierten, wurde das Theater getroffen, was zu zahlreichen Opfern führte. Die genaue Zahl der Toten ist bis heute umstritten.
Ein weiterer tragischer Vorfall war die Zerstörung der Geburtsklinik in Mariupol, bei der ebenfalls Zivilisten, darunter schwangere Frauen, getötet wurden. Die Angriffe auf zivile Ziele führten zu internationaler Empörung. Die Weltgemeinschaft warf Russland Kriegsverbrechen vor.
Die vollständige Eroberung Mariupols durch russische Truppen und verbündete separatistische Kräfte im Mai 2022 markierte ein entscheidendes Ereignis in dem Konflikt.
Das Massaker von Butscha
Während sich die russischen Truppen am Bollwerk Kiew die Zähne ausbissen, beging ein Teil der Soldaten schreckliche Kriegsverbrechen rund um die ukrainische Ortschaft Butscha.
Nachdem die russischen Streitkräfte Anfang April 2022 nach etwas mehr als einem Monat abgezogen waren, wurden laut ukrainischen Angaben bis August 2022 (Schlussbilanz) 458 Leichen gefunden, von denen 419 Anzeichen dafür trugen, dass die Opfer erschossen, gefoltert oder erschlagen worden waren. Fast alle Toten waren Zivilistinnen und Zivilisten.
Russland weist den Vorwurf, Kriegsverbrechen begangen zu haben, bis heute entschieden von sich. Alle Fälle werden weiterhin von Ermittlern untersucht.
Der Kampf um die Schlangeninsel
Am ersten Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine liefen der russische Kreuzer Moskwa und eine Korvette die ukrainische Schlangeninsel an. Trotz Aufforderung per Funk ergab sich die ukrainische Einheit dem russischen Angreifer nicht, vielmehr antwortete der Soldat Roman Hrybow per Funk: «Russisches Kriegsschiff, fick dich!» Die Russen nahmen 82 ukrainische Soldaten fest, bis heute sind noch 36 in russischer Gefangenschaft.
Beim Kampf um die Schlangeninsel verlor Russland sein Flaggschiff, die Moskwa. Nach ukrainischen Angaben wurde das Schiff am frühen Abend des 13. April 2022 mit zwei ukrainischen Seezielflugkörpern vom Typ Neptun beschossen und dadurch in Brand gesetzt. Einige Tage später gab das russische Verteidigungsministerium an, die Moskwa sei auf dem Weg nach Sewastopol in «stürmischer See» gesunken. Am Tag nach dem Untergang des Schiffs griff Russland die Fabrik für Neptun-Raketen bei Kiew an.
Der Brand auf der Krim-Brücke
Es ist bis heute einer der grössten Gegenschläge der Ukraine: Im Oktober 2022 attackierten die ukrainischen Truppen die Krim-Brücke, die einzige Verbindung der Halbinsel zum russischen Festland. Russland übte Vergeltung und bombardierte die Energieinfrastruktur der Ukraine und zahlreiche zivile Ziele im Westen des Landes.
Die russische Annexion von Luhansk und Donezk
Im September 2022 erklärte Russland offiziell die Annexion der Oblaste Luhansk und Donezk, nach der Durchführung von sogenannten Referenden in diesen Gebieten. Diese Abstimmungen wurden international als illegal und als Verstoss gegen internationales Recht verurteilt, da sie unter militärischer Besatzung und ohne Beachtung internationaler Standards durchgeführt wurden.
Die Annexion führte zu einer weiteren Verschärfung des Konflikts in der Region. Der Westen beschloss neue Sanktionen und intensivierte die militärische Unterstützung für die Ukraine.
Die Schlacht um Bachmut
Die Schlacht um Bachmut, eine Stadt im Osten der Ukraine, war einer der längsten und blutigsten Kämpfe im Ukraine-Krieg. Bachmut, strategisch an wichtigen Versorgungsrouten gelegen und umgeben von einer Reihe von Verteidigungsstellungen, wurde zu einem symbolischen sowie taktischen Ziel.
Im Mai 2023 verkündete Russland die Einnahme der Stadt. Für Russland war die Einnahme von Bachmut ein entscheidender Schritt zur Sicherung des Donbass-Gebiets, die Ukraine sah in der hartnäckigen Verteidigung der Stadt ein Zeichen des Widerstands und der Entschlossenheit.
Die ukrainische Gegenoffensive
Nach Monaten intensiver Vorbereitungen und mit verstärkter Unterstützung durch westliche Länder, die hochmoderne Waffen und Ausrüstungen lieferten, startete die Ukraine im Frühling und Sommer 2023 eine umfassende Militäroperation, um von Russland besetzte Gebiete zurückzuerobern.
Trotz signifikanter Erfolge war die Gegenoffensive nicht so erfolgreich, wie es sich die Ukraine erhoffte. Darüber sind sich Experten einig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Das grösste Hindernis: Die russischen Truppen haben den Osten der Ukraine in ein einziges Minenfeld verwandelt. Laut Angaben der Kiewer Regierung haben sie 30 Prozent des Landes vermint.
Die Angriffe auf Russland
Im Jahr 2023 kam es zu mehreren Angriffen der Ukraine auf Russland. Zu den symbolträchtigsten Attacken gehörten Drohnenangriffe auf Moskau, die leichte Schäden an Wohngebäuden verursachten und zu Verunsicherung führten. Russland bezeichnete die Angriffe als «Terror», die Ukraine wies die Verantwortung zurück. Die russische Führung kündigte an, die Luftabwehr der Hauptstadt zu verstärken, und behielt sich «die härtesten möglichen Massnahmen» als Reaktion vor.
Ein weiteres signifikantes Ereignis war der Beschuss und die Gefangennahme russischer Soldaten durch pro-ukrainische Kämpfer in der Region Belgorod, was von offizieller russischer Seite als Bestätigung für Angriffe auf russischem Territorium angesehen wurde. International wurden diese Angriffe gemischt aufgefasst, allerdings bestätigte beispielsweise die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (43), die Ukraine darin, solche Angriffe auszuführen.
Die Sprengung des Kachowka-Damms
Die Sprengung des Kachowka-Damms bei Cherson im Sommer 2023 war folgenreich. Der Damm, Teil des Dnipro-hydroelektrischen Systems, liegt im südlichen Teil der Ukraine und spielt eine zentrale Rolle für die Wasserversorgung, Bewässerung und Energieerzeugung in der Region.
Die Ukraine und Russland beschuldigten sich gegenseitig, für die Sprengung verantwortlich zu sein. Die genauen Details und Absichten hinter der Zerstörung des Damms sind komplex und von gegensätzlichen Darstellungen geprägt.
Die unmittelbaren Folgen waren verheerend: Überschwemmungen, eine humanitäre Krise, ökologische Katastrophen und auch strategische Auswirkungen auf den Krieg.
Der Aufstand der Wagner-Söldner
Die Gruppe Wagner, eine russische private Militärfirma, die eng mit dem russischen Militär und Geheimdiensten verbunden ist und in verschiedenen Konfliktzonen operiert, einschliesslich der Ukraine, initiierte im Juni 2023 eine kurzlebige Rebellion gegen die russische Militärführung.
Der Aufstand begann, als Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (1961–2023) und seine Kämpfer begannen, sich gegen die russische Staatsführung zu wenden, mit dem erklärten Ziel, die militärische Führung zu «säubern», die sie für Inkompetenz und Missmanagement im Krieg um die Ukraine verantwortlich machten. Die Wagner-Kämpfer nahmen mehrere strategische Positionen in Russland ein und bewegten sich in Richtung Moskau, was zu einer ernsthaften Krise führte. Sogar ein Bürgerkrieg wurde befürchtet.
Die Rebellion endete jedoch relativ schnell, nach Verhandlungen, die Berichten zufolge vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vermittelt wurden. Prigoschin und seine Kämpfer erhielten Zusicherungen bezüglich ihrer Sicherheit und wurden aufgefordert, sich zurückzuziehen. Ende August 2023 stürzte das Privatflugzeug von Prigoschin ab, und er verstarb. Beobachter gehen davon aus, dass der Kreml hinter dem Tod des Wagner-Bosses steckt.
Der Fall von Awdijiwka
Die ukrainische Armee hat sich aus der umkämpften Stadt Awdijiwka im Osten des Landes zurückgezogen, was hauptsächlich symbolische Bedeutung hat. Der Rückzug erfolgte, um eine Einkreisung zu vermeiden und das Leben der Soldaten zu schützen. Russische Truppen hatten seit Oktober 2023 versucht, Awdijiwka zu erobern, wobei die Verteidiger unter schweren Bedingungen kämpften. Der Rückzug wird als grösster Rückschlag für die Ukraine seit Bachmut angesehen.