Drei Gründe sprechen für Putin
Ukraine steht am schwierigsten Punkt seit Kriegsausbruch

Keine US-Hilfe mehr, interne Querelen, Russland-freundliche Prinzen und ein neuer Befehl an Putins Donbasstruppen: Kiew hat viel Grund zur Sorge – und wenig Grund zum Feiern. Vor allem drei Gründe deuten darauf hin, dass die Ukraine bald die weisse Flagge hissen muss.
Publiziert: 09.12.2023 um 13:07 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2023 um 14:48 Uhr
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Wolodimir Selenski besuchte diese Woche ein Mahnmal für die gefallenen Soldatinnen und Soldaten in Kiew.
Foto: IMAGO/Bestimage
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Ein verfluchter Advent ist das für Wolodimir Selenski (45). Die internen politischen Querelen, die in der Ukraine wegen dem Misserfolg der Gegenoffensive ausgebrochen sind, sind noch das kleinste Problem des ukrainischen Präsidenten.

Drei Entwicklungen bescheren der Ukraine ihre bislang schwierigsten Stunden seit dem Kriegsausbruch: Die USA, der Hauptgeld- und Waffenlieferant der Ukraine, blockieren jede weitere Unterstützung. Russlands Machthaber Wladimir Putin (71) reist frischfröhlich durch die Welt. Und ein neuer Befehl an die russischen Truppen im Donbass lässt die ukrainischen Kämpfer erzittern.

1) US-republikanisches Weihnachtsgeschenk an Putin

Lange hat der Westen sein Versprechen gehalten und der Ukraine geliefert, was sie zur Abwehr der russischen Eindringlinge braucht. Waffen und Kriegsmaterial im Wert von rund 100 Milliarden Dollar hat Kiew erhalten, einen Grossteil davon vom mächtigen Verbündeten aus Übersee.

Jetzt aber blockieren die Republikaner im Senat, dem Ständerat der USA, ein weiteres Hilfspaket an die Ukraine in der Höhe von 61 Milliarden. Die Partei von Donald Trump (77) fordert Verschärfungen im amerikanischen Migrationssystem sowie mehr Geld für den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko im Gegenzug für ihre Zustimmung.

Das Weisse Haus warnt, dass jetzt nicht Zeit sei für politische Spielchen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (70) ging offenbar so weit, dass er republikanische Vertreter hinter verschlossenen Türen gewarnt habe, dass man bald ihre Söhne in den Krieg mit Russland schicken müsse, wenn man Putin jetzt in der Ukraine nicht stoppe.

Fakt ist: Die Ukraine erhält 87 Prozent weniger Hilfe als noch vor einem Jahr. Die Produktion eigener Waffen kommt nur schleppend voran. Und ohne finanzielle Unterstützung fehlt dem Land die Planungssicherheit für die extrem schwierigen bevorstehenden Monate. Halten die USA ihre Blockade aufrecht und springt Europa nicht in die Bresche (wofür es bisher keine Anzeichen gibt), dann verliert die Ukraine den Krieg.

2) Die Russland-Isolation funktioniert nicht

Verschärft wird die Situation durch die Unterstützung, die Putin derzeit entgegenschwappt. Der Kreml-Chef bereiste diese Woche Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. In Abu Dhabi zauberten Flugzeuge blau-weiss-rote Rauchschwaden an den Himmel. Und in Riad liess Prinz Mohammed Bin Salman (38) den «lieben Freund» mit den höchsten Ehren empfangen.

Kurz nach seiner Rückkehr erhielt Putin in Moskau Besuch vom iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi (62), mit dem Russland noch dieses Jahr ein neues Freihandelsabkommen abschliessen will.

Die russische Wirtschaft wächst, das russische Öl findet Absatz und Putin will 2024 rund 100 Milliarden ins Militär investieren – so viel wie seit den Sowjetzeiten nicht mehr.

Am Freitag dann ein weiterer Dämpfer für die Ukraine: Das Internationale Olympische Komitee hat entschieden, dass russische Athleten als neutrale Teilnehmer an den Olympischen Spielen in Paris 2024 antreten dürfen. Von der internationalen Isolation Russlands, die der Westen mit seinen Sanktionen zu erreichen versuchte, keine Spur.

3) Neuer Zielbefehl gibt russischem Morden freie Hand

Zu schaffen machen den ukrainischen Soldaten an der Front die Tausenden russischen Drohnen, die – so formuliert es ein ukrainischer Kommandant gegenüber Blick – «wie ein Bienenschwarm» über den militärischen Stellungen kreisen. Die russische Drohnenproduktion läut auf Hochtouren. 2023 hat man bislang bereits 33 Prozent mehr der unbemannten Kampfgeräte produziert als noch im Vorjahr.

Laut russischen Militärbloggern hat Moskau seinen Angriffstruppen kürzlich sogar die Erlaubnis erteilt, mit Kamera-gesteuerten und mit Sprengsätzen versehenen Drohnen einzelne Soldaten anzugreifen. Bislang waren Moskaus Truppen angehalten, aus «Spargründen» nur dann Drohnen explodieren zu lassen, wenn man damit ein strategisch «wichtigeres» Ziel als einen einzelnen Soldaten ausschalten konnte.

Das zeigt: Während Kiew angesichts der stockenden Hilfslieferungen zusehends sparsam mit seinem Kriegsgerät haushalten muss, kann Russland richtiggehend klotzen. Solange Putin, der am Freitag seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen am 17. März verkündet hat, wegen der zahlreichen russischen Opfer zu Hause politisch nichts zu befürchten hat, stehen die Zeichen derzeit schockierend gut für seinen brutalen Plan.

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