Knackigste Aussage, souveränster Auftritt, skurrilste Ausrede
Das war die erste Woche im Vincenz-Prozess

1750 Stunden brauchte Vincenz' Anwalt Lorenz Erni für die Prozessvorbereitung. Der Punkt für die knackigste Aussage geht allerdings an die Staatsanwaltschaft. Diese und weitere Highlights der ersten Prozesswoche.
Publiziert: 29.01.2022 um 00:44 Uhr
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Die erste Woche im Vincenz-Prozess lieferte einige Highlights.
Foto: Sven Thomann
Sarah Frattaroli

Die Pflöcke im Vincenz-Prozess sind eingeschlagen. Mit den ersten vier Tagen ist zwar noch nicht einmal die Hälfte der Verhandlung vorüber. Doch die spannendsten Traktanden sind abgehakt: Staatsanwaltschaft und Staranwalt Lorenz Erni (71), der Vincenz verteidigt, haben ihre Plädoyers gehalten. Die ersten vier Prozesstage im Detail zum Nachlesen gibts im Ticker. Oder kurz und knapp in dieser Zusammenfassung:

Die knackigste Aussage darf Staatsanwalt Thomas Candrian für sich verbuchen. Vincenz' Spesenauslagen zeigten eine «Tour de Suisse durchs Rotlichtmilieu», kritisierte der Staatsanwalt pointiert.

Das längste Plädoyer hielt ebenfalls die Staatsanwaltschaft: Kumuliert sechs Stunden lang sprachen die Staatsanwälte. Pro Kopf schlägt Vincenz-Verteidiger Lorenz Erni die drei Staatsanwälte aber, er sprach während fünf Stunden.

Die skurrilsten Ausflüchte gehen auf Vincenz' Konto. Er versuchte in der Befragung durch das Gericht etwa, das Bild eines unerfahrenen Jungbankers zu zeichnen, der schlicht und einfach nicht wusste, dass er seine Beteiligungen hätte offenlegen müssen; oder Rechnungen – etwa für eine demolierte Hotelsuite – «aus Versehen» mit der Firmenkreditkarte beglich. Besonders absurd war seine Aussage, das Abendessen mit einer Tinder-Bekanntschaft im Zürcher Edelhotel Storchen für 700 Franken sei ein «Bewerbungsgespräch» gewesen.

Den souveränsten Auftritt hingegen legte Vincenz' Ex-Kompagnon Beat Stocker (61) hin. Während Vincenz bei der Befragung durch das Gericht bisweilen fahrig wirkte, den Fragen auswich, waren Stockers Antworten präzise und souverän. Deutlich glaubhafter als Vincenz' Tinder-Geschichte war etwa Stockers Erklärung, warum seine Ehefrau auf Geschäftskosten mehrfach mit ihm nach Lugano TI flog: «Ich hatte eine Nervenstörung und konnte nur 1,5 Meter weit sehen.» Stocker leidet an Multipler Sklerose, daher erschien er auch am Stock vor Gericht. Er gab in der Befragung auch zu, dass er seine Beteiligungen an verschiedenen Firmen hätte deklarieren sollen. «Heute bin ich geläutert.» Geständig ist er dennoch nicht: Bewusst etwas verschleiert und Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet habe er bei den Übernahmen nicht.

Die grösste Überraschung war Vincenz' Schuldenberg. Mit 23 Millionen Franken steht er bei Stocker, Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler (63), Ex-FCSG-Präsident Dölf Früh (70) und anderen Gläubigern in der Kreide. Das verblüfft, kassierte Vincenz als Raiffeisen-CEO über die Jahre doch ein Salär von 40 Millionen Franken. Schuld sind seine Luxusimmobilien und sein ausschweifender Lebensstil, Millionen-Zockereien an der Börse inklusive.

Die eindrücklichste Zahl lieferte Vincenz' Verteidiger Lorenz Erni. 1750 Stunden habe er gebraucht, um sein Plädoyer vorzubereiten. Auf Acht-Stunden-Arbeitstage umgerechnet sind es 218 Tage oder 43 Arbeitswochen à fünf Tage. Wobei davon auszugehen ist, dass Erni nicht nach acht Stunden Schluss machte. Auch andere eindrückliche Zahlen machten am Prozess die Runde: etwa die 560'709.10 Franken Spesen, die Vincenz unrechtmässig bezogen haben soll, unter anderem für Besuche in Stripclubs.

Der nächste Schritt sind die fünf weiteren Verhandlungstage im Februar und März. Danach fällt das Gericht sein Urteil – voraussichtlich in Windeseile noch im März. Denn Anfang April verjährt der Commtrain-Fall, das wird das Gericht zu verhindern versuchen.

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