Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht
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Monster-Prozess in Zürich:Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht

Banken liessen Ex-Raiffeisen-Boss fallen, Freunde fingen ihn auf
Deshalb steht Vincenz mit 23 Mio Franken in der Kreide

Als Raiffeisen-CEO verdiente Vincenz über die Jahre 40 Millionen Franken, heute steht er vor einem Schuldenberg von 23 Millionen. Schuld ist ein Gezerre um seine Hypotheken – aber auch Missgeschicke an der Börse und ein ausschweifender Lebensstil.
Publiziert: 27.01.2022 um 20:45 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2022 um 21:45 Uhr
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Ex-Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz steht vor einem Schuldenberg von 23 Millionen Franken.
Foto: Sabine Wunderlin
Dorothea Vollenweider und Sarah Frattaroli

40 Millionen Franken hat Pierin Vincenz (65) in seiner Zeit als CEO von Raiffeisen verdient – trotzdem sitzt er auf Schulden von 23 Millionen Franken, wie er vor Gericht preisgab. Wie ist es möglich, dass ein Banker mit Millionensalär, ein Banker, dessen Job es ist, Geld anzulegen, Schulden bis unters Dach hat?

Ein Teil des Problems sind Vincenz' Immobilien. In Niederteufen besitzt er eine pompöse Villa. Im Tessin hält er gleich zwei Luxusimmobilien als Ferienresidenzen. Hinzu kommt eine Liegenschaft in Andiast GR. Die Immobilien haben einen Schätzwert von 25 Millionen Franken. Doch die Häuser gehören zu einem Grossteil der Bank, arbeitete Vincenz doch bei der Immobilienkönigin Raiffeisen schlechthin und profitierte dort von Vorzugskonditionen für seine Hypotheken.

Wie hoch seine Hypothekarschulden bei Raiffeisen sind, ist nicht abschliessend geklärt. Nur so viel: Raiffeisen weist im Geschäftsbericht aus, wie viele Kredite (darunter Hypotheken) die Geschäftsleitungsmitglieder bei ihr haben – in Vincenz' letztem vollen Jahr als CEO waren es 30 Millionen Franken. Wie viel davon auf ihn und wie viel auf die anderen sechs Geschäftsleitungsmitglieder entfällt, ist nicht bekannt. Da Vincenz als CEO aber den höchsten Lohn hatte, dürfte auch der Löwenanteil der 30 Millionen auf ihn entfallen.

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Kündigte Raiffeisen ihm die Hypotheken?

Spätestens mit der Eröffnung des Strafverfahrens im Jahr 2018 wurden seine Hypotheken für Vincenz aber zur Hypothek. Die Staatsanwaltschaft hat sein Vermögen eingefroren. Dazu gehören neben Bankkonten auch Immobilien. Seine Kreditwürdigkeit? Dahin. Raiffeisen musste reagieren. «Banken können ihren Kunden die Hypotheken kündigen», sagt Adrian Wenger (49), Spezialist für Hypotheken beim VZ Vermögenszentrum. Beispielsweise, weil der Kunde mit den Zinszahlungen in Verzug sei. «Oder wenn der Hypothekarnehmer nicht mehr kreditwürdig ist», so Wenger.

Weitere Gründe: offene Betreibungen oder viele Kleinkredite. Banken können auch prüfen, ob die Tragbarkeitsrechnung noch aufgeht – ob Einkommen und Vermögen also noch die erforderliche Höhe haben. «Auch wenn Geldströme nicht nachweisbar sind, muss eine Bank einschreiten», sagt Wenger.

Ob Raiffeisen Vincenz die Hypotheken gekündigt hat, bleibt offen. Bei der Bank heisst es auf Anfrage, man äussere sich aufgrund des Bankkundengeheimnisses nicht dazu. Möglich ist auch, dass Vincenz die Hypotheken selbst kündigte. «Kreditgeber haben das Recht, viele Informationen einzufordern», erklärt Wenger. Gut möglich, dass Vincenz diesen Informationsfluss nach seiner Verhaftung stoppen wollte.

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Reiche Freunde mussten einspringen

Klar ist, dass Vincenz im Jahr 2019 Millionenschulden anhäufte – wohl um seine Hypotheken bei der Raiffeisen abzulösen. Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler (63) schoss seinem Freund aus Studienzeiten 6,5 Millionen Franken vor. Das war Anfang 2019. Vincenz soll das Geld für die Ablösung einer Hypothek für seine Villa in Teufen AR verwendet haben. Auch Dölf Früh (70), ehemaliger Präsident des FC St. Gallen, hat Vincenz 4,3 Millionen Franken gepumpt, Anfang 2019 für ein Ferienhaus im Tessin.

Doch schon vor seinem tiefen Fall hatte Vincenz offenbar ständig Geldprobleme. Das zumindest behauptet sein ehemaliger Kompagnon Beat Stocker (61) vor Gericht. Vincenz soll an der Börse Millionenbeträge verzockt haben. Die «Sonntagszeitung» bezeichnete ihn einmal als «süchtig nach Börsendeals». Hinzu kommt Vincenz' ausschweifender Lebensstil – davon zeugen nicht zuletzt seine Spesenexzesse, Luxusreisen nach Dubai und hohe Ausgaben in Stripclubs inklusive.

Millionenlohn als CEO reichte ihm nicht

Stocker pumpte Vincenz 2014 und 2015 mehrere Millionen. Ob es sich tatsächlich um private Darlehen handelte oder ob die beiden mit den Zahlungen ihren Erlös aus krummen Geschäften teilten, muss das Gericht klären. Fakt ist, dass Vincenz Stocker rund sechs Millionen Franken schuldet.

Dies, obwohl Vincenz in den betreffenden Jahren noch seinen CEO-Lohn einstrich. Im Spitzenjahr 2008 kassierte er fast 14 Millionen Franken. Bekannt war das damals nicht. Ganz im Gegenteil sogar: Vincenz ätzte in der Öffentlichkeit gegen die hohen Saläre bei UBS und Co. am Zürcher Paradeplatz. Doch bald kamen auch Gerüchte über Vincenz' Lohn auf, Raiffeisen deckelte den CEO-Lohn Ende 2008 auf zwei Millionen Franken. Im Folgejahr verdiente Vincenz gerade noch 1,7 Millionen Franken – eine Reduktion um fast 90 Prozent.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen bei einer derart plötzlichen Lohnreduktion in die Schuldenfalle tappen, sagt Gregor Mägerle (47), Stellenleiter der Schuldenprävention der Stadt Zürich. «Bei einem solchen Einschnitt kann man das Leben nicht einfach weiterführen wie bis anhin, sondern muss sein Budget rasch verändern.»

Gemäss landläufiger Meinung strich Vincenz zwar weiterhin ein fürstliches Salär ein. «Aber das Schuldenrisiko hängt nicht nur von den Einnahmen, sondern auch von den fixen Ausgaben ab», erklärt Mägerle. «Wie in der ganzen Schweiz gibt es auch an der Goldküste und am Zürichberg Betreibungsämter. Da gehen halt eher Ärzte, Anwälte und Bankdirektoren ein und aus.» Für Vincenz ist das Betreibungsamt in Teufen AR zuständig. Es dürfte nach dem Ende des Strafverfahrens noch einiges zu tun haben.

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