1992 auf den Bahamas
Wie Blick Milliarden-Pleiter Werner K. Rey aufspürte

Werner K. Rey (heute 81) galt als Finanzgenie – bis seine Omni Holding 1991 Konkurs ging und diverse Verfahren wegen Betrugs, Urkundenfälschung und betrügerischen Konkurses gegen ihn eröffnet wurden. Er tauchte unter. Bis ihn Blick-Journalist Max Fischer aufspürte.
Publiziert: 16.10.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2024 um 12:34 Uhr
Max Fischer
Auf dem Weg ans Obergericht in Nassau: Milliarden-Pleitier Werner K. Rey am 23. Juni 1997.
Foto: Keystone/Craig Lenihan

Wie ein Häufchen Elend, bleich, mit langen, grauen, nach hinten gekämmten Haaren, um Jahre gealtert – so finden Fotograf Hans Friedli und ich Ende August 1992 den international zur Fahndung ausgeschriebenen ­Finanzjongleur und Milliardenpleitier ­Werner K. Rey auf den Bahamas.

Die Behörden tappen im Dunkeln. Keiner weiss, wo Rey ist. Blick erhält von einem Kreuzfahrttouristen den Tipp: Er hat ihn im Casino «Crystal Palace» in Nassau gesehen. Für uns beginnt eine abenteuerliche Jagd wie in einem James-Bond-Thriller. Nacht für Nacht zeigen wir den Croupiers in den ­Spielhöllen «Crystal Palace» und «Paradise Island» Bilder von Rey. Am Tag streifen wir durchs Bankenviertel, klappern Luxushotels und Yachthäfen ab. Sprechen mit Schweizer Mitgliedern des örtlichen Rotary Clubs und diskutieren mit einheimischen Journalisten. Doch niemand hat Werner K. Rey gesehen.

65 Jahre Blick

Vor 65 Jahren sorgte eine Zeitung für Bewegung in der Schweizer Medienlandschaft, ja bewegte die Schweiz. Blick hat damit bis heute nicht aufgehört – weil er selbst immer in Bewegung bleibt.

Dieser Artikel und 64 weitere sind Teil der Jubiläums-Beilage. Ein Geschenk an unsere Leser: Sie steckt am Samstag (19. Oktober) in jedem Blick und am Sonntag (20. Oktober) im SonntagsBlick – und hier gibt es die Beilage als PDF zum Download.

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Vier Tage Knochenarbeit. Hurrikan Andrew verwüstet Teile der Bahamas, das ­erschwert die Arbeit zusätzlich. Am fünften Tag sind wir wieder im Bankenviertel. Ich wechsle unsere Travelers Cheques. Weil alle Parkplätze besetzt sind, kurvt Hans um die Blöcke. Nach fast einer Stunde bin ich zurück. Hans sagt: «Ein Mann mit längeren Haaren und Jeanshemd, der aussieht wie Rey, ging in das Bankgebäude dort.»

Ernst nehme ich das nicht. Wir haben uns in den vergangenen Tagen immer wieder mit solchen Sprüchen aufgezogen. Und: Er kannte Rey nur von Bildern, ich von Medienkonferenzen von der Bally-Übernahme her. «Lange Haare und ein Jeanshemd trägt er eh nicht», sage ich.

Doch wir warten. Auf einem Bänkchen vor einer Kirche. Die karibische Sonne brennt erbarmungslos. Nach knapp drei Stunden kommt der Mann heraus: gross, blaues Jeanshemd, eierfarbene Baumwollhose, Swatch Chrono, ein schwarzes Ledermäppchen. Kein Zweifel: Es ist Werner K. Rey!

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«Grüezi, Herr Rey. Fischer vom Blick. Dörf ich Sie en Momänt schtöre?»
Blick-Journalist Max Fischer zum untergetauchten Milliardenpleitier Werner K. Rey
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Wie von der Tarantel gestochen springe ich hoch, ignoriere den Verkehr und stürme auf den Mann zu: «Grüezi, Herr Rey. Fischer vom Blick. Dörf ich Sie en Momänt schtöre?» Rey ist perplex. Er klammert sich an sein Mäppchen, lehnt sich hilflos an ein Mäuerchen. Er stammelt: «Das ist eine furchtbare Gemeinheit, was man in der Schweiz mit mir gemacht hat. Man hat mein Lebenswerk zerstört – ich habe alles verloren, ich bin am schwärzesten Punkt meines Lebens.»

Wenn er spricht, schaut er an uns vorbei. Mit uns in die Schweiz zurückzukommen, lehnt er ab: «Ich kann mich nicht stellen, weil der ungerechtfertigte Haftbefehl gegen mich läuft. Man würde mich sofort einbuchten, ich hätte keine Möglichkeit, mich optimal zu verteidigen.»

Rey nutzt auf den Bahamas alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel aus. Es ­beginnt ein jahrelanges Auslieferungshickhack. Die Bahamas erteilen Rey 1994 gar eine Aufenthaltsbewilligung. Erst nach einem Regierungswechsel auf der Karibikinsel wird er 1996 verhaftet – und 1998 in einer Gulf­stream IV-SP in die Schweiz ausgeliefert, die die Berner Behörden für 200 000 Franken mieteten. 1999 wurde Rey vom Wirtschaftsgericht des Kantons Bern wegen Betrug zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.

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