Geschichte einer bewegten Medienmarke
Als Blick den Journalismus neu dachte

Vor 65 Jahren sorgte eine Zeitung für Bewegung in der Schweizer Medienlandschaft, ja bewegte die Schweiz. Blick hat damit bis heute nicht aufgehört – weil er selbst immer in Bewegung bleibt.
Publiziert: 16.10.2024 um 15:05 Uhr
|
Aktualisiert: 18.10.2024 um 12:34 Uhr
Adrian Meyer
Einer für alle: Eine Leserin freut sich über Schweizer Erfolge an Olympia 1968 in Grenoble (F).
Foto: Felix Aeberli

Seit 65 Jahren ist Blick dabei, wenn etwas passiert. Nah an den Menschen und ihren Geschichten: einordnend, erklärend, emotional. Während andere mit 65 an die Rente denken, durchläuft Blick eine Frischekur. Raus aus alten Mustern, rein in neue Formen, inhaltlich durch modernes und ­innovatives Storytelling, optisch durch ein frisches Logo.

Ladina Heimgartner, CEO Ringier Medien Schweiz: «Der neue Markenauftritt unterstreicht die Transformation, die Blick in den letzten Jahren durchlaufen hat: mehr Vertiefung, dennoch in Blick-Manier pointiert.»

Blick in den Newsroom: Blick entwickelte sich von der Zeitung zur multimedialen Marke.
Foto: Thomas Meier

Der neue Auftritt zeigt, was Blick immer auszeichnete: sich selbst neu zu erfinden. Wie mit der Lancierung des SonntagsBlicks vor 55 Jahren. Mit dem Blick für die Frau, der Pendlerzeitung Blick am Abend oder mit Blick TV. Oder jetzt mit dem innovativen und verantwortungsvollen Einsatz von künstlicher Intelligenz.

Mit KI werden demnächst die meistgelesenen Blick-Storys zusammengefasst. Mit einem Klick auf die Quellenangabe landet man beim Artikel. Am Ende der Texte erhalten die Userinnen und User passende Folge-Fragen zum Thema, die mit einem Klick durch die KI aus dem Archiv von Blick.ch beantwortet werden können.

Gemeinsam mit Google wird derzeit der erste KI-Chatbot erarbeitet, der nach publizistischen Grundsätzen handelt und schrittweise ausgerollt wird. User können BliKI Fragen stellen und dadurch tiefere Einblicke gewinnen. So erhalten sie eine völlig neue, interaktive Medienerfahrung.

Bei allen Neuerungen, etwas blieb immer gleich: Blick bringt auf den Punkt, was die Schweiz bewegt. Mehr als das. Blick bewegt die Schweiz seit 65 Jahren. Keine Zeitung hat die Schweizer Medienwelt so nachhaltig verändert.

«Der Diener ist nicht der Mörder», mit dieser legendären Schlagzeile erschien Blick am 14. Oktober 1959 erstmals. Kaufpreis: 20 Rappen. Erstauflage: 48 000 Exemplare. Die erste Schweizer Boulevardzeitung bewies sofort, dass sie nichts hielt von der behäbigen Berichterstattung der etablierten Presse. Blick bot grosse Bilder! Knallige Schlagzeilen! Emotionen, Schicksale und Skandale! Verbrechen und Sex, Promis und Sport! Du darfst alles, ausser langweilen, war das Motto.

Mörder, Grace, de Gaulle: Erste Blick-Frontseite, 14. Oktober 1959.

Blick war laut, bunt, anders. Die Erstausgabe war im Nu ausverkauft. Für die bürgerliche Elite aber war die Blick-Geburt ein Skandal. Zwei Wochen nach der Erstausgabe versammelten sich Studenten in mehreren Städten, um das verhasste Revolverblatt feierlich zu verbrennen. «Jeder Trottel liest den Blick», stand auf Plakaten. Der Verlegerverband verlangte von den SBB, den Blick-Verkauf an Bahnhofskiosken zu verhindern. Kirchenvertreter und ­Politiker sahen gar die Volksseele in Gefahr und forderten vom Bundesrat Massnahmen gegen die «Verbreitung derart bedenklicher Presseorgane».

Die Regierung antwortete verständnisvoll: Es gebe leider keine «gesetzlichen Einwirkungsmöglichkeiten» gegen sensations­lüsterne Presse, auch wenn zu befürchten sei, dass Blick «auf die geistige Haltung und Widerstandskraft seiner Leser einen schlechten Einfluss» habe. Indirekt bestrafte der Bundesrat die Zeitung dennoch: Er verbot der Bundesverwaltung, mit Blick-Journalisten zu reden. Zudem entzog die Post dem Ringier-Verlag den lukrativen Auftrag zum Druck der Schweizer ­Telefonbücher. Das tat weh.

Sorgte für Zunder: Blick-Proteste im Jahr 1959.
Foto: Jost Camenzind

Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen: Die Auflage stieg schnell. Bereits nach zwei Jahren lag sie bei rund 100 000 Exemplaren, 1967 wurde Blick mit einer Auflage von 200 000 Exemplaren zur grössten Schweizer Zeitung. Mit der Lancierung des SonntagsBlicks im Jahr 1969 gelang der nächste Coup. Nachrichten am Sonntag lesen, das konnte man in der Schweiz fast zwei Jahrzehnte lang nur im SoBli.

65 Jahre Blick

Vor 65 Jahren sorgte eine Zeitung für Bewegung in der Schweizer Medienlandschaft, ja bewegte die Schweiz. Blick hat damit bis heute nicht aufgehört – weil er selbst immer in Bewegung bleibt.

Dieser Artikel und 64 weitere sind Teil der Jubiläums-Beilage. Ein Geschenk an unsere Leser: Sie steckt am Samstag (19. Oktober) in jedem Blick und am Sonntag (20. Oktober) im SonntagsBlick – und hier gibt es die Beilage als PDF zum Download.

Vor 65 Jahren sorgte eine Zeitung für Bewegung in der Schweizer Medienlandschaft, ja bewegte die Schweiz. Blick hat damit bis heute nicht aufgehört – weil er selbst immer in Bewegung bleibt.

Dieser Artikel und 64 weitere sind Teil der Jubiläums-Beilage. Ein Geschenk an unsere Leser: Sie steckt am Samstag (19. Oktober) in jedem Blick und am Sonntag (20. Oktober) im SonntagsBlick – und hier gibt es die Beilage als PDF zum Download.

Blick erfüllte offensichtlich das Bedürfnis nach aufregenden Geschichten, die wirklich interessierten. Und dachte dabei den Journalismus neu. Seine Reporter waren schneller als die Konkurrenz, schossen exklusive Bilder und brachen Tabus. Sie kritisierten Politiker und Mächtige, überführten dank ihrer Recherchen Verbrecher, machten Sex und Stars zum Thema, waren unabhängig und unerschrocken. Auch im Ausland: Monatelang berichtete etwa Blick-Reporter Peter Balsiger von den Schrecken des Viet­nam­kriegs und lieferte Bilder, die selbst im Fernsehen nicht zu sehen waren. «Blick ist dabei» – das war damals nicht nur ein Werbeslogan, sondern eine Haltung.

Blick begnügte sich derweil nie mit der Rolle des Nachrichtenüberbringers, sondern leistete zuweilen erstaunliches soziales Engagement – als Anwalt des kleinen Mannes. Die Redaktion hatte stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte jener, die nicht gehört wurden. «Dank Blick» – diese zwei Worte gehörten bald zur DNA der Zeitung wie die Ratgeberkolumne «Liebe Marta».

«
Dank Blick…
Diese beiden Worten gehören bald zur Blick-DNA
»

Ein genialer Schachzug war die Einführung des Bingo-Glücksspiels im Jahr 1982. Die Auflage wuchs dadurch massiv. Auf ihrem Höhepunkt 1986 erreichte sie 384 000 verkaufte Exemplare. In jener Zeit, unter dem langjährigen Chefredaktor Peter Uebersax, erfuhr Blick eine politische Wende nach rechts. Wirkte Blick zuvor sozialliberal, fuhr er nun populistische Kampagnen gegen Asylbewerber und Arbeitslose, gegen Umweltschutz und – sowieso – den Staat. Nie hatte Blick gesellschaftlich mehr Macht – und nie wurde er stärker angefeindet.

Von der Zeitung zur Newsplattform, Blick berichtet heute in vielen Formen: Videoreporterin Karin Frautschi in London am Rande der Krönung von König Charles III.

Die Ära Uebersax endete 1986. Danach änderte Blick seine Strategien so schnell wie die Redak­tionsspitzen: Zahlreiche Wechsel in der Chefredaktion liessen die Zeitung mal von links nach rechts pendeln, mal war Blick hart, mal brav, mal kulturell, dann wieder populistisch. Aber Blick war immer vorne dabei, wenn es darum ging, sich dem sich wandelnden Medienkonsum anzupassen. Bereits 1996 eroberte Blick das Internet, revolutionierte 2010 mit dem ersten Newsroom der Schweiz die Zeitungsproduktion über alle Kanäle, ging 2020 mit Blick TV digital auf Sendung und expandierte in die Westschweiz.

Alleine digital erreicht der Blick heute jeden Tag 1,3 Mil­lionen Leserinnen und Leser. 

Und heimlich liest Blick heute sicher ­keiner mehr.

Fehler gefunden? Jetzt melden