Schrecken ohne Ende – der damalige Blick-Chef erinnert sich
Das entsetzliche Jahr 2001

Die Terrorattacken in den USA, eine Serie von unglaublichen Tragödien in der Schweiz – 2001 war ein Schreckensjahr. Auch auf der Blick-Redaktion wurden die Journalistinnen und Journalisten dünnhäutig, wie sich Jürg Lehmann erinnert.
Publiziert: 16.10.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2024 um 12:34 Uhr
11. September 2001: Die Terroranschläge von 9/11 fordern fast 3000 Tote, die allermeisten in New York.
Foto: Corbis via Getty Images
Jürg Lehmann, Blick-Chefredaktor 1999–2003

Seit sechs Jahren ist Moritz Leuenberger für die SP im Bundesrat. Im Jahr 2001 wird er erstmals Bundespräsident. Blüht auf. Begegnet den Menschen mit Witz. Sie mögen ihn. Auch Mario Corti verbreitet ­Optimismus. Der Nestlé-Finanzchef tritt am 16. März seinen neuen Job bei der SAir Group an. Er soll die schwer angeschlagene Gruppe mit dem Flaggschiff Swissair wieder auf Kurs bringen. Frühling und Sommer gehen ins Land.

Dann kommt der 11. September 2001. ­Blauer Himmel über New York. Um 8.46 Uhr rast eine Boeing 767 in den Nordturm des World Trade Centers. Um 9.04 Uhr zerschellt eine zweite ­Boeing 767 am Südturm. Beide Kolosse stürzen ein. Fast 3000 Menschen sterben. Eine Boeing zerschellt in Pennsylvania, eine weitere steuert ins Pentagon. Es sind gewaltige Terroranschläge gegen die westliche Supermacht USA.

65 Jahre Blick

Vor 65 Jahren sorgte eine Zeitung für Bewegung in der Schweizer Medienlandschaft, ja bewegte die Schweiz. Blick hat damit bis heute nicht aufgehört – weil er selbst immer in Bewegung bleibt.

Dieser Artikel und 64 weitere sind Teil der Jubiläums-Beilage. Ein Geschenk an unsere Leser: Sie steckt am Samstag (19. Oktober) in jedem Blick und am Sonntag (20. Oktober) im SonntagsBlick – und hier gibt es die Beilage als PDF zum Download.

Vor 65 Jahren sorgte eine Zeitung für Bewegung in der Schweizer Medienlandschaft, ja bewegte die Schweiz. Blick hat damit bis heute nicht aufgehört – weil er selbst immer in Bewegung bleibt.

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Bei uns ist es kurz vor 15 Uhr. Entsetzt und schockiert verfolgen wir die TV-Livebilder. Hektik breitet sich aus. Dann schaltet die Redaktion in den Krisenmodus. Am 12. September haben wir neun Seiten zum Anschlag, am Tag darauf 18 Seiten, weiter mit elf Seiten. Das volle Programm: Osama bin Laden und sein islamistisches Terrornetzwerk, Augenzeugen, Opfer, Analysen, Reaktionen und Bilder, Bilder. Täglich verschlingen Menschen weit über 300 000 Blick-Exemplare.

Kaum atmen wir etwas auf, der nächste Schock. Am Morgen des 27. Septembers betritt ein 57-jähriger Schweizer den Zuger Kantonsrat und schiesst mit einem Repetiergewehr um sich. «Tage des Zorns für die Zuger Mafia», titelt er ein Schreiben, in dem er sich als Opfer eines Komplotts wähnt. Er tötet 14 Menschen und verletzt 15. Danach erschiesst er sich.

27. September 2001: Bundespräsident Moritz Leuenberger vor dem Zuger Parlament, wo 14 Menschen erschossen wurden.
Foto: Keystone/Walter Bieri

Fünf Tage später geht ein Aufschrei durch die Schweiz: Am 2. Oktober bleibt die Swiss­air-Flotte rund um den Globus am Boden. Mario Corti hat kein Geld mehr für das Flugbenzin. Der Bund hilft der Airline mit 450 Millionen Franken vorübergehend wieder in die Lüfte. Wir arbeiten wie in Trance. Was für ein Wahnsinn. Aber er ist noch nicht vorbei.

2. Oktober 2001: Grounding. Die Swiss­air-Maschinen bleiben am Boden, die Airline ist am Boden.
Foto: Comet Photoshopping/Dieter Enz

Am 24. Oktober wird der Gotthard-Strassentunnel zur Flammenhölle. Zwei Laster stossen zusammen. Elf Menschen verbrennen oder ersticken an Giftdämpfen. Der türkische Fahrer eines der Laster hatte Alkohol im Blut.

24. Oktober 2001: Inferno im Gotthard-Strassentunnel, elf Menschen sterben.
Foto: Ti-Press/Claudio Grassi

Und dann noch der 24. November: Eine Crossair-Maschine aus Berlin steuert am Abend Zürich-Kloten an. Das Flugzeug streift Baumwipfel und stürzt kurz vor der Landung ab. 24 Menschen sterben, neun überleben.

24. November 2001: Ein Crossair-Flugzeug stürzt bei Bassersdorf ab, 24 der 33 Insassen kommen ums Leben.
Foto: Blick

Die Terrorattacken in den USA, die Serie von unglaublichen Tragödien in der Schweiz. Wir erleben einen anderen Moritz Leuenberger als zu Beginn des Jahres. Gebeutelt eilt der Bundespräsident als Tröster von Katastrophe zu ­Katastrophe. Das Unfassbare gräbt tiefe Falten in sein Gesicht. Er wird dünnhäutig. Wir beim Blick sind es auch. Erst gegen Ende seines Amtsjahrs blitzt der Schalk Leuenbergers gelegentlich wieder auf. Aber die Wunden aus dem Schreckensjahr 2001 bleiben. Sie dringen tief ins kollektive Gedächtnis ein.

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