Die Schweiz ist bei der Reduktion der CO2-Emissionen im Rückstand. Laut dem Bund wird das nationale Klimaziel für 2020 wohl nicht erreicht – weder beim Verkehr, noch bei den Gebäuden, in der Industrie oder der Landwirtschaft.
2019 stiess die Schweiz insgesamt 46,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus, rechnet das Bundesamt für Umwelt (Bafu) in seinem neusten Treibhausgasinventar vor. Gegenüber dem Referenzjahr 1990 beträgt die Reduktion zwar 14 Prozent – das Reduktionsziel beträgt aber 20 Prozent per 2020.
Am schlechtesten steht dabei der Verkehr da, der mit 15 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten die grösste Belastung verursacht. Das ist sogar ein Prozent mehr als im Vergleichsjahr 1990. Damit werde das Ziel von minus 10 Prozent im Verkehrsbereich deutlich verfehlt, moniert das Bafu.
Zwar hätten effizientere Fahrzeuge zu sinkenden CO2-Emissionen pro Kilometer geführt. Doch weil die Zahl der zurückgelegten Kilometer stieg, wurde dieser Fortschritt wieder zunichtegemacht. «Bei gleichbleibendem Trend wird der Verkehrssektor das Ziel von minus 10 Prozent bis 2020 verfehlen.»
Angesichts der Zahlen geht das Bafu auch davon aus, dass die Schweiz ihr Klimaziel «insgesamt verfehlen wird». Und es plädiert für das neue CO2-Gesetz, welches am 13. Juni vors Volk kommt: «Um die Emissionen deutlich zu senken, ist eine Verstärkung der Massnahmen, wie sie das revidierte CO2-Gesetz vorsieht, unumgänglich.»
Strassenverband kontert Bafu-Zahlen
Der Verkehr als grosse Klimasünderin also! Zu starker Tobak für den Verband Strasseschweiz. «Der Strassenverkehr kommt bei seinen Anstrengungen für den Klimaschutz zu schlecht weg», findet Olivier Fantino, Direktor des Verbands des Strassenvekehrs.
Das Bild werde verzerrt, denn: «In den Zahlen des Bafu sind für 2019 und 2020 keine Massnahmen zur Kompensation der CO2-Emissionen von Treibstoffen berücksichtigt, obwohl dies ein zentraler Mechanismus des geltenden Gesetzes und des am 13. Juni dem Volk vorgelegten Gesetzes ist.»
Strasseschweiz zeichnet mit eigenen Berechnungen ein ganz anderes Bild. Würden die Kompensationsmassnahmen vollständig berücksichtigt, würden die Emissionen des Strassenverkehrs 2019 «leicht unter dem Niveau von 1990 liegen – zirka minus zwei Prozent», erklärt Fantino.
Zudem seien in den Bafu-Schätzungen für 2020 die Auswirkungen der Coronavirus-Krise nicht berücksichtigt. Im Vergleich zum Vorjahr hätten die Steuereinnahmen der Mineralölsteuer um 7,5 Prozent abgenommen. «Dementsprechend müssten letztes Jahr auch die Treibhausgasemmissionen im Strassenverkehr deutlich zurückgegangen sein», ist Fantino überzeugt.
Für 2020 rechnet die Analyse des Strassenverbands mit einem Minus von 10,5 Prozent gegenüber 1990. «Der Strassenverkehr wird also wahrscheinlich das nationale Reduktionsziel von minus 10 Prozent im Jahr 2020 erreichen», sagt Fantino. Im privaten Strassenverkehr seien in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte erreicht worden. «Die effektiven CO2-Emissionen pro Fahrzeugkilometer sind seit dem Jahr 2000 um fast 30 Prozent gesunken.»
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Keine Umbuchungen in Emissionsstatistik
Dass die Zahlen des Bafu und von Strasseschweiz derart auseinandergehen, hat durchaus seinen Grund. So werden zum Beispiel über die heutige CO2-Kompensationsabgabe auf Treibstoffen auch Klimaprojekte finanziert. Wenn damit zum Beispiel ein Fernwärmeprojekt finanziert wird, schlägt dies im Treibhausgasinventar eben nicht im Verkehrssektor zu Buche, sondern im Gebäudesektor.
«Im Treibhausgasinventar müssen die Emissionen dort ausgewiesen werden, wo sie entstehen», erklärt eine Bafu-Sprecherin. Für die Statistik sei es unerheblich, wie eine Verminderung zustande gekommen und finanziert worden sei. «Wenn also durch ein Kompensationsprojekt Emissionen ausserhalb des Verkehrssektors reduziert werden, schlägt sich das im entsprechenden Sektor nieder. Ein Umbuchen von Emissionen vom einen in den andern Sektor ist in der Emissionsstatistik nicht zulässig.»
Was das Corona-Jahr 2020 betrifft, betont sie, dass sich die Pandemie zwar auf die Emissionen im Jahr 2020 auswirken werde. Doch konkrete Zahlen fehlen noch. «Ein möglicher Effekt der Pandemiemassnahmen auf den Treibhausgas-Ausstoss der Schweiz lässt sich erst mit dem Treibhausgasinventar 2020 im Jahr 2022 errechnen, wenn die Gesamtenergiestatistik 2020 vorliegt», so die Sprecherin.
«Falsches Bild» – just vor Abstimmung
Diese Erklärungen mögen Fantino nicht zu besänftigen. «Wenn die Schweiz Massnahmen im Ausland finanziert, werden die Kürzungen uns angerechnet. Macht ein Unternehmen in einem anderen Sektor dasselbe, werden ihm auch die Ermässigungen angerechnet. Wieso gilt dieses Prinzip nicht auch beim Strassenverkehr?», fragt er.
Und er ärgert sich: «Der Bund vermittelt just vor der Abstimmung über das CO2-Gesetz ein falsches Bild der Realität.» Man wisse doch schon lange, dass sich die Situation wegen der Krise geändert habe. «Das dürfte in den nächsten Jahren – gerade auch wegen einer erhöhten Kompensationspflicht und vermehrtem Homeoffice – so bleiben», meint er.
Dass sich das Bafu für das CO2-Gesetz starkmache, komme einer Abstimmungsempfehlung der Verwaltung gleich. «Dies finde ich total inakzeptabel.» Sein Verband bekämpft nämlich das revidierte CO2-Gesetz – und sieht sich nun erst recht gestärkt. «Das neue Gesetz wurde vor der Krise geschrieben und sieht neue Abgaben sowie höhere Kosten vor, mit einem Fokus auf die Bevölkerung und die KMU, die häufig keine Alternative haben», so Fantino.
Bafu will weniger Benzinverbrauch
Für das Bafu hingegen ist klar, dass es trotz Corona-Krise auch künftig weitere Anstrengungen braucht, um die Klimaziele zu erreichen. «Damit auch im Verkehr der CO2-Ausstoss sinkt, sorgt das revidierte CO2-Gesetz dafür, dass effizientere Neuwagen auf den Markt kommen, die weniger Benzin verbrauchen», so die Sprecherin. «Zudem wird mit dem Gesetz neu der Bau von Ladestationen für Elektroautos unterstützt. Aus diesen und weiteren Gründen unterstützt auch der TCS das Gesetz.»
Das neue CO₂Gesetz soll sicherstellen, dass die Schweiz ihre im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele erreicht. Konkret sollen die jährlichen CO₂-Emissionen gegenüber den Werten von 1990 bis 2030 halbiert werden.
Das soll mit Lenkungsabgaben erreicht werden: Wer wenig CO₂ verursacht, profitiert finanziell. Wer viel CO₂ verursacht, bezahlt mehr. So wird die CO₂-Abgabe auf Heizöl und Erdgas erhöht sowie neu eine Flugticketabgabe eingeführt.
Rund zwei Drittel der Abgabeerträge werden an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt, beispielsweise via Krankenkasse. Ein Drittel der Erträge – maximal 450 Millionen Franken – fliesst in das Gebäudeprogramm zur Förderung energetischer Sanierungen und erneuerbarer Energien. Weitere 25 Millionen Franken gehen in einen Technologiefonds.
Gegen das Gesetz wurde das Referendum ergriffen. Am 13. Juni kommt es zur Abstimmung.
Das neue CO₂Gesetz soll sicherstellen, dass die Schweiz ihre im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele erreicht. Konkret sollen die jährlichen CO₂-Emissionen gegenüber den Werten von 1990 bis 2030 halbiert werden.
Das soll mit Lenkungsabgaben erreicht werden: Wer wenig CO₂ verursacht, profitiert finanziell. Wer viel CO₂ verursacht, bezahlt mehr. So wird die CO₂-Abgabe auf Heizöl und Erdgas erhöht sowie neu eine Flugticketabgabe eingeführt.
Rund zwei Drittel der Abgabeerträge werden an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt, beispielsweise via Krankenkasse. Ein Drittel der Erträge – maximal 450 Millionen Franken – fliesst in das Gebäudeprogramm zur Förderung energetischer Sanierungen und erneuerbarer Energien. Weitere 25 Millionen Franken gehen in einen Technologiefonds.
Gegen das Gesetz wurde das Referendum ergriffen. Am 13. Juni kommt es zur Abstimmung.