Fast alle Parteien sind sich einig. Für die Rettung des Klimas braucht es ein neues CO₂-Gesetz. Einzige Ausnahme ist die SVP. «Das CO₂-Gesetz ist Psychohygiene und bringt keine Lösung. Der Staat lenkt nur um, kontrolliert und reguliert», kritisiert Nationalrat Christian Imark (39).
Er findet: Die Schweiz sei bereits auf einem sehr guten Weg. Nun soll sie statt Regulierungen das Potenzial von technischer Entwicklung nutzen. Als Alternative zum neuen CO₂-Gesetz stellt Imark deshalb gemeinsam mit dem Industriegas-Unternehmen Messer Schweiz AG einen eigenen Plan vor.
Wasserstoff als Energieträger der Zukunft
Der 10-Punkte-Plan soll das CO₂-Gesetz überflüssig machen. Er setzt vor allem auf Wasserstoff-Technologien. Überschüssiger Strom aus Sonnen-, Wasser- und Windenergie soll künftig der Wasserstoff-Herstellung dienen, weil dieser besser speicherbar sei.
Der Wasserstoff könnte anschliessend etwa ins Erdgasnetz eingespeichert werden. Auch die Industrie soll Wasserstoff selbst herstellen und als Alternative zu Erdgas einsetzen. Ausserdem seien künftig Personenwagen, Lastwagen, Züge oder Schiffe entweder mit synthetischem Erdgas oder Wasserstoff unterwegs.
Swisscleantech-Chef ist skeptisch
Christian Zeyer (58), Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Swisscleantech, ist skeptisch: «Aktuell gibt es kaum Überschussstrom. Das heisst, es müssten zuerst viele neue Anlagen gebaut werden, welche erneuerbare Energie erzeugen», so der ETH-Ingenieur.
Ausserdem sei die Herstellung von Wasserstoff momentan noch zu teuer. «So, wie die SVP es vorschlägt, wären die Kosten der gesamten Produktionskette heute so hoch, dass eine Kilowattstunde erneuerbarer Wasserstoff fünfmal teurer als fossiler Brennstoff wäre», sagt er.
Doch Imark setzt nicht nur auf Wasserstoff. Er will auch CO₂ besser nutzen: Das Gas sei in der Industrie sehr gefragt und es herrsche konstanter Mangel am Markt. Es müsse jeweils aus der Erde gefördert oder durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Imark schlägt daher CO₂-Rückgewinnungsanlagen vor. Diese entnehmen das CO₂ der Industriebetriebe direkt dem Rauchgas. Das stoppe die Emission nicht, sondern verzögere sie nur, wendet Zeyer ein.
Eine neue Hypothek
Auch im Gebäudesektor – der immer noch für ein Viertel aller CO₂-Emissionen verantwortlich ist – will Imark ansetzen. Etwa mit neuen Baustoffen wie einem Beton, der mehr CO₂ speichert als er selbst zur Produktion braucht. So könnte man CO₂ langfristig einlagern. Für Zeyer ist das Verfahren zwar vielversprechend – momentan allerdings noch im experimentellen Zustand.
Imark schlägt zudem vor, Photovoltaik an Fassaden, Fenstern oder Dächern zu installieren. Das schliesst allerdings das CO₂-Gesetz gar nicht aus. Die Finanzierung solcher Anlagen ist für Hausbesitzer jedoch eine Herausforderung. Der 10-Punkte-Plan der SVP schlägt auch hier eine Lösung vor: eine neue Art Hypothek.
«Das CO₂-Gesetz löst kein Problem, wenn es Abgaben auf Heizungen erhebt», sagt Imark. «Die Menschen bauen deshalb nicht ihre Heizungen ausserhalb des Investitionszyklus aus.» Sein Vorschlag: Gebäudehypotheken sollen nicht mehr an Personen hängen, sondern an Objekten. «Auf diese Weise können Investitionsgesellschaften die Sanierung übernehmen. Der Hauseigentümer muss dann nur den Zins in der Höhe der Energieeinsparungen überweisen», sagt Imark.
«Kosten wären viel höher»
Auch hier findet er sich mit Zeyer. «Die SVP hat zwar recht mit dieser Analyse, doch im neuen CO₂-Gesetz gibt es die Möglichkeit, langfristige tiefverzinsliche Darlehen für Hauseigentümer bereitzustellen», hält dieser entgegen.
Insgesamt lässt Zeyer am Zehn-Punkte-Plan kaum ein gutes Haar. Für ihn ist die SVP-Alternative zum CO₂-Gesetz vor allem eins: zu teuer. «Die Kosten für eine Umsetzung wären um ein Vielfaches höher als die heute von den Fachleuten ausgearbeiteten Dekarbonisierungskonzepte.» So würden die vorgeschlagenen Speichertechnologien momentan nur eingesetzt, wenn Strom nicht direkt verwendet werden könne. Das sei selten der Fall.