Allianz aus Öl-Lobby, Auto-Industrie und SVP will das CO2-Gesetz versenken
Öllobby und SVP lancieren Kampagne gegen CO2-Gesetz

In drei Monaten befinden Herr und Frau Schweizer über das revidierte CO2-Gesetz. Uns erwarten ein hitziger Abstimmungskampf – und viele Zahlenspiele.
Publiziert: 28.03.2021 um 00:29 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2021 um 08:54 Uhr
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Die Gegner des CO2-Gesetzes werden von der Erdöllobby angeführt.
Foto: Nathalie Taiana
Sven Zaugg

Im Eiltempo ist das Referendum gegen das revidierte CO2-Gesetz zustande gekommen, am 13. Juni kommt es zum Showdown an der Urne. Die Schweizer Stimmberechtigten werden dann die klimapolitischen Weichen für die kommenden Jahrzehnte stellen.

Die Gegner des CO2-Gesetzes werden von der Erdöllobby angeführt. Das ist nicht weiter verwunderlich – im Visier der Vorlage steht einerseits die Vielfliegerei, denn neu soll es eine Flugticketabgabe geben. Andererseits soll die Lenkungsabgabe auf Heizöl und Erdgas erhöht werden (siehe Box). Heizen mit fossilen Brennstoffen würde künftig also teurer. Die Gegner sind darum bereits vor Wochen in den Ring gestiegen. Mit einer grossflächigen Plakatkampagne und in Inseraten warnen sie vor einem Gesetz, das ihrer Auffassung nach Milliardenkosten verursacht. Mehr Bürokratie, mehr Verbote, mehr Vorschriften und neue Steuern und Abgaben, so der Tenor.

Unterstützt wird das Referendum von der SVP, die Parteidelegierten haben gestern Samstag an einer virtuellen Versammlung die Nein-Parole gefasst. Dem Klima bringe dieses Gesetz nichts, betonte der Solothurner SVP-Nationalrat Christian Imark diese Woche vor den Medien. Tatsächlich hat sich die grösste Partei des Landes fast gänzlich aus dem Klimadiskurs verabschiedet, während grüne und soziale Anliegen Konjunktur haben.

Das revidierte CO2-Gesetz ist eben ein solcher Ausdruck des Zeitgeistes. Im vergangenen September wurde es nach zähem Ringen vom Parlament verabschiedet. Möglich gemacht hatte es ein jüngeres, weiblicheres und grüneres Parlament – sowie die Kompromissbereitschaft von SP und Grünen, die sich mit weiteren Forderungen zurückhielten. Damit haben die beiden Parteien dann prompt Kritik von Teilen der Klimajugend geerntet.

Grünen-Präsident Balthasar Glättli spricht von der «wichtigsten klimapolitischen Vorlage seit Jahrzehnten». «Wir müssen die Stimmberechtigten davon überzeugen, dass es ein Investitionsprogramm ist, von dem jeder profitiert, die Menschen und damit auch die Volkswirtschaft», sagt Glättli.

Wegweisende Vorlage

Tatsächlich hängt alles davon ab, welche Interpretation des CO2-Gesetzes sich durchsetzen wird: Ist es ein finanzieller Hosenlupf für Familien, wie die Gegner sagen? Oder eine Investition in eine grünere Zukunft, die vor allem von Vielfliegern und anderen Umweltsündern bezahlt wird?

«Die von den Gegnern ins Feld geführte angeblich höhere Belastung des Familienbudgets wird zur wichtigsten Konfliktlinie», sagt Politgeograf Michael Hermann. «Wer die Deutungshoheit über die Kosten erlangt, hat gute Karten, die Abstimmung zu gewinnen.»

Dabei verfolgen die Gegner des Gesetzes eine ausgeklügelte Strategie. Die grossen Plakate werden an stark befahrenen Strassen ausgehängt. Die Inserate gegen das CO2-Gesetz wiederum sind bislang ausschliesslich in Zeitungen in ländlichen Regionen erschienen – im «Wohler Anzeiger» etwa, im «Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern» oder im «Boten der Urschweiz». Das Kalkül dahinter: Hier wohnt eine eher konservative Bevölkerung, die grünen Anliegen gegenüber weniger aufgeschlossen zu sein scheint.

Die Ironie an den Inseraten in den Landzeitungen: In der Tendenz ist es gerade die Bevölkerung ausserhalb der grossen Zentren, die vom CO2-Gesetz profitiert. Sie fliegt weniger als die städtische Bevölkerung. Und: Mit Öl wird insbesondere in den Städten geheizt. Dagegen heizt in den Kantonen Wallis, Graubünden, Appenzell Innerrhoden, Uri und Obwalden mehr als die Hälfte der Haushalte fossilfrei. Das heisst: In diesen Kantonen bezahlt die Mehrheit gar keine CO2-Abgabe. Im Gegenteil: Sie profitiert sogar finanziell von der Rückverteilung der Lenkungsabgabe.

SVP fürchtet sich vor Mehrkosten

SVP-Nationalrat Christian Imark will von diesen Einwänden nichts wissen. Er schert alle Schweizer Haushalte über einen Kamm und sagt: «Insgesamt muss mit mindestens 1000 Franken Mehrkosten pro vierköpfigen Haushalt gerechnet werden.» Heizöl, Benzin, das Fliegen – alles werde sich verteuern, beteuert er.

Für FDP-Präsidentin Petra Gössi sind Imarks Zahlenspielereien «reine Willkür». Sie sagt: «Durch die Rückvergütung eines Grossteils der Lenkungsabgaben an die Bevölkerung profitieren gerade diejenigen, die wenig CO2-Belastung verursachen. Sie haben am Ende mehr Geld im Portemonnaie als vorher.»

Ob Gössis Bekräftigung, die Haushalte würden nicht über Gebühr belastet, auch bei der Stimmbevölkerung verfängt, bleibt abzuwarten. «Das revidierte CO2-Gesetz wird nicht zum Selbstläufer», sagt Politologe und Co-Leiter von GFS Bern Lukas Golder mit Verweis auf den Kanton Aargau.

Vergangenen September lehnte das Aargauer Stimmvolk in einer Referendumsabstimmung das kantonale Energiegesetz ab und erteilte damit der Energiestrategie des Bundes eine Absage. «Das zeigt», so Golder, «dass für das Nein-Komitee noch einiges drinliegt.» Grüner Zeitgeist hin oder her.

Lenkungsabgaben fliessen zurück an Bevölkerung und Wirtschaft

Das revidierte CO2-Gesetz soll sicherstellen, dass die Schweiz ihre im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele erreicht. Konkret sollen die jährlichen CO2-Emissionen gegenüber den Werten von 1990 bis 2030 halbiert werden. Bereits seit 2008 wird auf fossile Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas eine Lenkungsabgabe erhoben. Sie soll einen Anreiz setzen zu sparsamem Verbrauch und vermehrtem Einsatz klimafreundlicher Energieträger. Das revidierte CO2-Gesetz verlangt eine höhere Abgabe für Brennstoffe sowie eine Flugticketabgabe. Rund zwei Drittel der Abgabeerträge werden an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt, beispielsweise via Krankenkasse. Ein Drittel der Erträge – maximal 450 Millionen Franken – fliesst in das Gebäudeprogramm zur Förderung energetischer Sanierungen und erneuerbarer Energien. Weitere 25 Millionen Franken gehen in einen Technologiefonds.

Das revidierte CO2-Gesetz soll sicherstellen, dass die Schweiz ihre im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele erreicht. Konkret sollen die jährlichen CO2-Emissionen gegenüber den Werten von 1990 bis 2030 halbiert werden. Bereits seit 2008 wird auf fossile Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas eine Lenkungsabgabe erhoben. Sie soll einen Anreiz setzen zu sparsamem Verbrauch und vermehrtem Einsatz klimafreundlicher Energieträger. Das revidierte CO2-Gesetz verlangt eine höhere Abgabe für Brennstoffe sowie eine Flugticketabgabe. Rund zwei Drittel der Abgabeerträge werden an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt, beispielsweise via Krankenkasse. Ein Drittel der Erträge – maximal 450 Millionen Franken – fliesst in das Gebäudeprogramm zur Förderung energetischer Sanierungen und erneuerbarer Energien. Weitere 25 Millionen Franken gehen in einen Technologiefonds.

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