Der Zulauf, den populistische Kräfte verzeichnen, hat mehrere Gründe. Einer davon ist tatsächlich der ganz normale, gesellschaftsfähige Rassismus. Er ist breit akzeptiert, weil er ausschliesslich mit Worten ausgeübt wird, zumal meist mit ruhigen und überlegten, was dem Täter das Gefühl gibt, sich harmlos, ja klug zu verhalten. Dabei übersieht er, dass die Behauptung, eine bestimmte Gruppe habe pauschal einen schlechten Charakter, nicht von einem guten eigenen kündet. Und auch nicht von allzu viel Intelligenz.
Diese Abneigung richtet sich in erstaunlicher Austauschbarkeit bald gegen Türken, bald gegen «Jugos» oder Flüchtlinge und traditionell gern auch gegen «die Juden». Sie hat ihren Ursprung nicht nur in einer fragwürdigen Moral, sondern auch in der menschlichen Arglosigkeit. Wir glauben praktisch alles, was wir hören – und was wir lesen erst recht. Je abenteuerlicher es ist, umso stärker haben wir das Gefühl, einer Elite anzugehören, die im Besitz der Wahrheit ist. Nur so ist der Erfolg all der grotesken Verschwörungstheorien zu erklären. Und Rassismus ist letztlich nichts anderes als die auf Menschen übertragene Behauptung, dass die Erde eine Scheibe sei.
Als dritte Ursache schliesslich steht die Angst. Die Angst vor einer Einschränkung des Lebensstandards, vor sozialem Abstieg, vor Terror und vor Krieg. Diese Befürchtungen sind durchaus begründet, wenn man das Gebaren gewisser Unternehmen und Staatsoberhäupter studiert. Dass jedoch Angela Merkel, die für notleidende Menschen die Grenzen geöffnet hat, als die grössere Gefahr angesehen wird als die Herren Putin und Assad, die für deren Vertreibung verantwortlich sind, ist einem weiteren Mangel an logischer Sorgfalt geschuldet. Aber nachdenken ist halt anstrengender als nachplappern.
Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»
Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»