Leser fragen, Schriftsteller Thomas Meyer antwortet
Wie weiter bei einem Burnout?

Ich habe ein Burnout. Wie werde ich wieder leistungsfähig?
Publiziert: 06.01.2017 um 16:10 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:45 Uhr

Es geht für Sie an dieser Stelle nicht darum, rasch wieder zu jener Dynamik zurückzukehren, der Sie Ihre Erschöpfungsdepression zu verdanken haben, sondern zu ergründen, wieso Sie in dieser bedenklichen Verfassung immer noch nicht an sich denken. Ein Burnout ist schliesslich nichts anderes als die laute Warnung Ihres Körpers – die leisen haben Sie ja offenbar alle überhört –, dass Sie sich seit längerem auf Abwegen befinden: Während Sie alles daran gesetzt haben, einem gloriosen Bild Ihrer selbst zu entsprechen, sind Ihre seelischen Bedürfnisse offenbar auf der Strecke geblieben.

Der Grund dafür ist, wie so oft, in der Angst zu finden, nicht liebenswert zu sein. Die wird nun vermutlich geradezu explodieren, da es Ihnen nicht mehr möglich ist, die imposanten Leistungen zu erbringen, mit denen Sie sie jahrelang kompensiert haben. Das ist ein grosser Segen, denn jetzt sind Sie gezwungen, innezuhalten und Antworten zu finden auf Fragen folgender Art: Was an Ihnen ist liebenswert, wenn nicht Ihr Erfolg? Was macht Ihnen Freude? Was brauchen Sie wirklich, um glücklich zu sein? Worauf haben Sie spontan Lust? Mit wem möchten Sie Ihre Zeit verbringen?

Sie werden vielleicht feststellen, dass Ihr bisheriger Tätigkeitsbereich keine brauchbaren Auskünfte liefert. Und Ihre private Situation wohl auch nicht. Die aktuelle Zäsur wird daher zu einer Kündigung führen oder zu einer Trennung oder zu beidem. Auch das ist nicht erfreulich, aber notwendig, denn wie Sie sehen, passt das, was bisher Ihr Leben ausgemacht hat, nicht mehr zu Ihnen. Und nachdem Sie nicht den Mumm zur Kurskorrektur hatten, hat nun eben Ihr Körper das Ruder übernommen. Danken Sie ihm dafür und schliessen Sie Freundschaft mit ihm und sich. Es ist höchste Zeit.

Zur Person

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?