Streit um E-Fuels in der Europäischen Union beigelegt
Deutschland setzt sich durch – und jetzt?

Auch nach 2035 sollen laut einem Kompromiss zwischen der Europäischen Union und Deutschland noch Verbrenner-Neuwagen möglich sein – wenn sie mit E-Fuels betankt werden. Doch welchen Nutzen hat diese Regelung?
Publiziert: 27.03.2023 um 14:58 Uhr
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Deutschland setzt sich durch: Auch nach 2035 sollen in der Europäischen Union noch Verbrenner-Neuwagen verkauft werden dürfen – wenn sie mit synthetischen und CO2-neutralen E-Fuels betrieben werden.
Foto: Keystone
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Deutschland hat sich im Streit ums Verbrennervorbot in der Europäischen Union (EU) durchgesetzt. Neuwagen mit herkömmlichen Diesel- oder Benzinmotoren sollen demnach ab 2035 nicht mehr neu zulassen werden können. Aber Fahrzeuge, die nur und ausschliesslich mit synthetisch hergestellten sogenannten E-Fuels betankt werden können, können ab dann weiterhin neu in Verkehr gebracht werden.

Damit haben der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (52) und die deutsche Regierungspartei FDP eine Ausnahmeregelung erstritten. Noch im letzten Sommer galt das ausnahmslose Verbrennerverbot ab 2035 als beschlossene Sache – selbst Wissing und die FDP hatten keine Einwände. Erst in allerletzter Sekunde vor einer abschliessenden Abstimmung im Rat der Mitgliedsstaaten schwenkten beide um und kritisierten die geplante Regelung massiv: Ihrer Meinung nach werde damit nicht CO2-Neutralität herbeigeführt, sondern faktisch eine Technologie verboten, die im Hinblick auf die Entwicklung klimafreundlicher Antriebe durchaus noch Potenzial biete.

Mit Benzin würde der Motor nicht starten

Konkret hat Wissing dabei die E-Fuels im Sinn: Diese Treibstoffe werden aus CO2 aus der Umgebungsluft oder Industrieprozessen und nachhaltig erzeugtem Strom synthetisch hergestellt. Bilanziell gelten sie damit als CO2-neutral, da bei ihrer Verbrennung kein zusätzlicher fossiler Kohlenstoff freigesetzt wird, wie es bei Erdöl oder Kohle der Fall wäre. Technisch haben E-Fuels den Vorteil, dass sie in bestehenden Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können und die normale Tankstelleninfrastruktur weiter genutzt werden kann.

Der gefundene Kompromiss erfordert aber technische Lösungen, um sicherzustellen, dass für E-Fuels zugelassene Neuwagen tatsächlich nur solche tanken können – und nicht doch mit herkömmlichem und wohl billigerem Benzin oder Diesel betrieben werden. Möglich wäre dies durch spezielle Tankstutzen, wie es sie bereits bei Dieselfahrzeugen gibt, um die Fehlbetankung mit Benzin und damit Motorschäden zu verhindern. Auch wäre der Zusatz von Marker-Chemikalien möglich. Fehlen sie, würde der Motor nicht starten.

Es hagelt Kritik

Deutschland hat sich also beim Thema E-Fuels durchgesetzt. Doch um welchen Preis? Aus dem EU-Parlament wird kritisiert, dass ein eigentlich schon getroffener Beschluss nach der deutschen Meckerei in letzter Minute wieder aufgeschnürt wurde – das beschädige die Glaubwürdigkeit der EU. «Brüssel hat Europa einen Bärendienst erwiesen», kritisiert der deutsche Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer (71). «Das wenig professionelle Vorgehen der EU-Kommission hat die Diskussion beflügelt, ob es wirklich richtig ist, so kompromisslos auf das Elektroauto zu setzen.»

Doch vor allem ist der Nutzen von E-Fuels im Automobilbereich umstritten. Nachteile von E-Fuels sind die Ineffizienz ihrer Produktion, die derzeit noch winzigen Mengen und ihr Transport per Tankschiff mit Flüssiggasantrieb oder per Diesel-Lastwagen. Derzeit läuft ihre Produktion im grösseren Massstab erst an. Aber selbst im Endausbau wird beispielsweise das Projekt des deutschen Sportwagen-Herstellers Porsche in Chile laut dem Fachblatt Auto-Motor-Sport nur 2,5 Prozent des Benzin-Gesamtbedarfs allein in Deutschland decken können. Das Schweizer Start-up Synhelion wird seine E-Fuels vor allem als CO2-neutrales Kerosin an die Swiss liefern. Im Flugverkehr, aber auch in der Schifffahrt, lassen sich mit dem Einsatz von E-Fuels derzeit deutliche höhere CO2-Reduktionen erzielen als im Strassenverkehr.

Industrie ist schneller als die EU

Ab wann E-Fuels tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zur Treibstoffwirtschaft liefern können, ist derzeit fraglich. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (64) begrüsste zwar den Kompromiss mit der EU. Aber er gestand laut dem deutschen Magazin «Spiegel» auch ein: «Wie viele davon Gebrauch machen und ob das überhaupt relevant wird, das kann niemand sagen.» VW- und Porsche-Chef Oliver Blume (54) hatte sich in der Diskussion ums Verbrennerverbot zwar immer für E-Fuels ausgesprochen, sieht sie aber eher als «Nischenanwendungen». Zumal die allermeisten Autobauer in Europa bereits bis 2030 zu 100 Prozent auf batterieelektrische Autos umstellen wollen. Und damit weit vor dem geplanten Verbrenner-Aus in der EU.

Für Dudenhöffer könnte das Hin und Her somit vor allem eine Auswirkung haben: «Alle Zulieferer, die Teile und Komponenten für Verbrennungsmotoren liefern, wittern neue Chancen für den alten Antrieb.» So könnte der Kompromiss den Weg des Strassenverkehrs in die CO2-Neutralität sogar noch bremsen.

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