«Bremsklotz für Klimaschutz»
Deutschland blockiert EU-Verbrenner-Verbot

Eigentlich hätte die endgültige Abstimmung der EU-Staaten übers Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 eine reine Formalität sein sollen. Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing verzögert das Verfahren nun auf unbestimmte Zeit. Die Gründe.
Publiziert: 11.03.2023 um 13:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2023 um 16:17 Uhr
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Mitte Februar stimmte das EU-Parlament dem Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu. Als allerletzter Schritt wäre nur noch die Zustimmung der einzelnen EU-Staaten nötig gewesen – eigentlich eine Formalie.
Foto: imago images / Christian Spicker
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

«Verbrenner-Aus in der EU bei Neuwagen kommt!» So titelte Blick am 14. Februar 2023. Damals hatte das EU-Parlament seine Zustimmung fürs Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 gegeben. 340 EU-Parlamentarier stimmten für das Verbot, 279 dagegen – 21 enthielten sich der Stimme. Damit die Verordnung in Kraft treten kann, wäre als allerletzter Schritt nur noch die Zustimmung der einzelnen EU-Staaten nötig gewesen – eigentlich eine Formalie. Doch seit vergangenem Freitag ist klar: Die für Dienstag, 7. März, geplante Abstimmung übers pauschale Verbot von Neuwagen mit Verbrenner ab 2035 muss auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Streitthema E-Fuels

Schuld daran ist Deutschland, namentlich der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (52), der mit seiner Partei FDP darauf besteht, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 noch neu zugelassen werden können – wenn sie nachweislich mit sogenannten E-Fuels betrieben werden. Sehr vereinfacht gesagt, entstehen diese synthetischen Treibstoffe so: Wasser, also H2O, wird mit grossen Mengen an Öko-Strom zu Wasserstoff aufgespalten. Zusammen mit Kohlendioxid CO2, das zuvor aus der Atmosphäre entnommen wird, entsteht daraus künstlich hergestelltes Rohöl, was in einem weiteren Schritt zu Kerosin, Diesel oder Benzin weiterverarbeitet werden kann. Bilanztechnisch gesehen sind E-Fuels CO2-neutral – egal, wie viel ein Auto, Schiff oder Flugzeug später davon in seinem Motor verbrennt (auch interessant: 7 Fragen und Antworten zu E-Fuels).

Gute Gründe gegen E-Fuels

Eigentlich scheint Volker Wissings Technologieoffenheit vernünftig. Allerdings sehen Experten für den breiten Einsatz von E-Fuels als Treibstoff für die Individual-Mobilität mittelfristig schwarz: Zum einen ist die Herstellung extrem energieintensiv und riesige Mengen an grüner Energie erforderlich, deren Bedarf für eine erfolgreiche Energiewende ohnehin stetig wächst. Zudem wird es in absehbarer Zeit viel zu wenige Anlagen zur Produktion von E-Fuels geben, um den Bedarf für Millionen oder gar Milliarden von PWs zu decken.

Wenn E-Fuels zum Einsatz kommen, dann in Bereichen des Verkehrssektors, die nicht so einfach wie Autos elektrifiziert werden können – Flugzeuge und Schiffe zum Beispiel. Mal ganz davon abgesehen, dass Verbrennungsmotoren einen vergleichsweise geringen Wirkungsgrad von 30 bis 40 Prozent aufweisen, einen Grossteil der eingesetzten Energie also gar nicht in Bewegung, sondern mehrheitlich in Wärme umwandeln.

«Bundesregierung als Chaostruppe»

Wissing blockiert mit seiner Forderung an die EU-Kommission, einen Vorschlag für den Einsatz von synthetischen Treibstoffen in Verbrennungsmotoren nach 2035 zu unterbreiten, einen spruchreifen Gesetzesentwurf. Zum Ärger von deutschen Europaabgeordneten wie Michael Bloss von den Grünen: «Die heutige Verschiebung der Abstimmung zum Verbrenner-Aus ist eine Blamage für Deutschland – vor der EU und global. Wir schaffen Chaos, machen uns komplett unglaubwürdig und werden zum Bremsklotz beim Klimaschutz», sagte Bloss gegenüber der Deutschen Presseagentur am Freitag.

Selbst politisch gleichgesinnte Kollegen wie der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU, Jens Gieseke, glaubt nicht, dass Wissing die Position der FDP in der Bundesregierung mehrheitsfähig machen könne und kommentiert: «Die Bundesregierung präsentiert sich in Brüssel als Chaostruppe.»

Auch Italien blockiert

Dass die finale Abstimmung jetzt verschoben werden musste, liegt aber auch an der Position anderer EU-Länder wie Polen, Bulgarien und Italien, die den Plänen anscheinend so nicht zustimmen wollten. Die Italiener etwa bestehen darauf, den CO2-Ausstoss von Neuwagen mit Verbrenner ab 2035 nur um 90 statt wie von der EU gefordert um 100 Prozent zu reduzieren. Gegenüber der Zeitung «Corriere della Sera» sagte Italiens Wirtschaftsminister Adolfo Urso (65), dass die Zeiten und Wege, die Europa seinem Land vorgebe, nach seiner Einschätzung nicht mit der Realität in Europa und insbesondere in Italien übereinstimme.

Für die Annahme des Verbrenner-Verbots ab 2035 wäre eine Zustimmung durch 15 von 27 EU-Mitgliedstaaten notwendig, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Ohne die Zustimmung Deutschlands wäre diese Hürde nicht erreicht worden. Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte am Freitag, man werde sich nun noch einmal genau anschauen, was von ihr genau gefordert werde. Wie lange das dauert? Unbekannt.

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