Alles rund um den CO₂-neutralen Sprit
7 Fragen und Antworten zu E-Fuels

Europas Autoindustrie setzt derzeit voll auf Elektroantriebe – schliesslich soll 2035 Schluss sein mit Verbrennungsmotoren. Die könnten aber dank sogenannter E-Fuels noch eine Galgenfrist erhalten. Blick erklärt den synthetischen Treibstoff und seine Vor- und Nachteile.
Publiziert: 07.04.2023 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2023 um 18:57 Uhr
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In Europa wollen alle Hersteller langfristig aus der Verbrenner-Technik aussteigen und rein elektrisch unterwegs sein – manche früher (Maserati 2025, Opel 2028), manche später (Bild: Kommende Toyota-E-Autos).
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Unsere Autozukunft wird elektrisch. In Europa wollen alle Hersteller langfristig aus der Verbrenner-Technik aussteigen und rein elektrisch unterwegs sein – manche früher (Maserati 2025, Opel 2028), manche später. Aber zumeist schon vor dem geplanten gesetzlichen Verbrennerverbot in der Europäischen Union (EU) ab 2035. Doch das Thema ist umstritten: Viele Experten oder auch der Verband der deutschen Automobilindustrie fordern die Zulassung von sogenannten E-Fuels, die dem Verbrennungsmotor noch eine Hintertür für seinen Fortbestand lassen könnten. Mit der Entscheidung für eine entsprechende Ausnahmeregelung hat die Europäische Union nach heftigem Widerstand aus Deutschland diese beim Verbrennerverbot tatsächlich eingebaut. Aber sind diese Treibstoffe tatsächlich eine Alternative zum E-Antrieb?

1. Was sind E-Fuels?

Benzin und Diesel werden aus Rohöl destilliert und bestehen chemisch aus natürlichen Kohlenwasserstoffen. Bei ihrer Verbrennung wird zusätzliches, vorher im Rohöl gebundenes Kohlendioxid (CO₂) in die Atmosphäre emittiert. E-Fuels dagegen sind künstlich mit Hilfe von erneuerbaren Energien hergestellte Treibstoffe – für ihre Produktion brauchts also kein Erdöl. Vielmehr werden die nötigen Kohlenwasserstoffe künstlich hergestellt. Dennoch lassen sie sich wie herkömmliche Treibstoffe in Verbrennungsmotoren oder Jet-Triebwerken nutzen.

2. Wie werden sie produziert?

Zur Herstellung von synthetischem Treibstoff wird vor allem regenerativ erzeugter Strom aus Wasser-, Wind- oder Solarenergie in ausreichender Menge benötigt. Porsche nutzt beispielsweise bei seinem E-Fuel-Projekt in Chile Windenergie, die dort in Patagonien in grossen Mengen zur Verfügung steht, für die es in der dünn besiedelten Region aber kaum Abnehmer gibt. Der Öko-Strom wird per Elektrolyse genutzt, um aus Wasser Wasserstoff zu gewinnen, der dann mit CO₂ zu einem flüssigen Rohöl synthetisiert wird. Dieses CO₂ entnimmt man der Atmosphäre, es entsteht in Biogas-Reaktoren oder als Abfallprodukt in der industriellen Produktion. Aus dem künstlich hergestellten Rohöl lassen sich dann Treibstoffe destillieren.

Es gibt auch Alternativen: Das Schweizer Unternehmen Synhelion, ein Spin-Off der ETH Zürich, nutzt die Hitze aus gebündelter Sonneneinstrahlung als Prozesswärme, um CO₂ und Wasserstoff zu Treibstoff zu synthetisieren. Und Toyota forscht an synthetischem Sprit aus Bioethanol – aber ohne dafür wie einst Rohstoffe aus der Nahrungskette zu verwenden.

3. Sind E-Fuels CO₂-neutral?

Im Prinzip ja – aber: Bei der Herstellung von E-Fuels wird genau so viel CO₂ als Rohstoff eingesetzt, wie bei der Verbrennung des synthetischen Sprits wieder ausgestossen wird. Betrachtet man nur den Treibstoff und seine Nutzung, besteht damit ein geschlossener CO₂-Kreislauf. Allerdings nur dann, wenn 100 Prozent regenerativ erzeugter Strom zur Produktion verwendet wird. Und: Giftige Abgasbestandteile wie Kohlenmonoxid oder Stickoxide fallen in ähnlichem Masse wie bei herkömmlichem Treibstoff an; also müssen die Abgase wie in heutigen Autos nachbehandelt werden.

4. Warum sind E-Fuels für Porsche, Lamborghini & Co. wichtig?

E-Fuels sind die einzige Möglichkeit, um Verbrennungsmotoren CO₂-neutral betreiben zu können – auch in bestehenden Fahrzeugen. Gerade hochpreisige Fahrzeuge werden pfleglich behandelt und allermeist Klassiker: Über 70 Prozent aller je gebauten Porsche sind noch auf der Strasse – und E-Fuels könnten ihren CO₂-neutralen Betrieb sicherstellen. Ausserdem planen viele Marken ihren Einsatz im Motorsport: Wenn Audi 2026 beispielsweise in die Formel 1 einsteigt, könnte synthetischer Sprit Kritik von Klimaaktivisten an der Rennserie entkräften. Und Porsche plant, künftig neu produzierte Fahrzeuge vor der Auslieferung mit E-Fuels zu betanken.

5. Sind E-Fuels eine Alternative zum Elektroantrieb im Auto?

Energetisch definitiv nein. Vergleicht man die zur Produktion eingesetzte Menge an regenerativem Strom mit dem Energieertrag, so kommen je nach Produktionsverfahren durch die zahlreichen Umwandlungsschritte nur zwischen zehn und 35 Prozent der Energie im E-Fuel an. Gleichzeitig liegt der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren bei nur rund 35 Prozent – der von Elektromotoren aber bei 96 Prozent und mehr. Naturstrom wird also in Elektroautos um ein Vielfaches effizienter eingesetzt als bei der Nutzung in Verbrennungsmotoren. Aber: Im Gegensatz zum Naturstrom lassen sich E-Fuels ohne aufwändige Infrastruktur wie Hochspannungstrassen und mit existierender Technologie transportieren, speichern und auch vertreiben. Sie können also als eine Art Zwischenlager für überschüssigen, nicht sofort verbrauchten Naturstrom dienen.

Ihr grösstes Potenzial liegt aber bei Schiffen und Flugzeugen: Aufgrund des hohen Energiebedarfs lassen sich Boote und Flieger kaum batterieelektrisch betreiben. Die dazu nötigen Batterien wären zu gross, zu schwer und zu teuer. Verbrennen Schiffsdiesel und Jet-Triebwerke aber E-Fuels, sinkt ihr CO₂-Ausstoss beträchtlich, ohne dass teure neue Antriebstechnologie nötig wäre.

6. Was kosten E-Fuels?

Noch zu viel, um sie zur akzeptablen Alternative zu Benzin und Diesel zu machen. Denn trotz zahlreicher Unternehmen am Markt befinden sich deren Produktionsanlagen noch immer im Anlauf- oder Versuchsbetrieb. Beziffern lässt sich der Preis mangels Markt und Verfügbarkeit derzeit noch nicht. Ökonomisch sinnvoll werden E-Fuels für Autos erst, wenn sich ihr Preis unter dem von herkömmlichen Treibstoffen aus Erdöl einpendelt. Dafür müssten aber grössere Mengen produziert werden, um Skaleneffekte bei der Einpreisung nutzen zu können. Porsche plant bei seiner chilenischen Anlage ab 2026 mit einer Jahresproduktion von 550 Millionen Liter, was rund 426'000 Tonnen E-Fuel entspricht. Zum Vergleich: Allein die Schweiz verbrauchte 2021 mit 2,13 Millionen Tonnen Benzin ziemlich genau das Fünffache. Nicht hinzugerechnet der Dieselverbrauch von rund 2,72 Millionen Tonnen.

7. Was wird aus E-Fuels beim Verbrenner-Verbot?

Im Sommer beschloss das Parlament der EU das Verbot von Verbrennungsmotoren in Neuwagen ab 2035. Ab diesem Zeitpunkt dürfen also keine Neuwagen mehr mit Benzin- oder Dieselmotor neu eingelöst werden; Bestandsfahrzeuge dürfen aber weiter laufen. Aber ab 2050 will die gesamte EU komplett klimaneutral sein. Wären E-Fuels für Neuwagen dennoch zugelassen? Die EU-Kommission hatte zunächst in ihrem Beschlussvorschlag nur die Neuzulassung von Elektroautos vorgesehen; die EU-Umweltminister hatten aber danach im Gesetzgebungsprozess die Formulierung auf «klimaneutrale Neuwagen» geändert. Derzeit besteht damit eine Hintertür für E-Fuels – aber die 27 Mitgliedstaaten müssen sich noch auf einen definitiven Beschluss einigen.


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