So will die französisch-japanische Allianz Kosten sparen
Nissan und Renault teilen sich die Welt auf

Die Allianz aus Nissan, Renault und Mitsubishi will mit engerer Zusammenarbeit und klarer Kompetenzteilung ihre Kosten um rund 40 Prozent senken. Und sie distanziert sich vom glamourösen Ex-Chef Carlos Ghosn.
Publiziert: 28.05.2020 um 11:36 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2020 um 15:47 Uhr
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Renault und Nissan stellen sich neu auf: Damit will die Allianz ihre Kosten um rund 40 Prozent senken – dank klarer Kompetenzteilung und bis zu zwei Dritteln Gleichteile.
Foto: Renault
Andreas Faust

Diese Show hat Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ganz sicher gefallen. Gleich eine ganze Managerequipe hat Renault aufmarschieren lassen für die Präsentation der neuen Strategie der Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi. Am Tag zuvor hatte Macron noch acht Milliarden Euro für die französische Autobranche gesprochen, davon eine allein für Kaufprämien. Und jetzt zeigt der zu 15 Prozent dem Staat gehörende Autobauer Renault mit Übergangs-Chefin Clotilde Delbos und Präsident Jean-Dominique Senard Stärke. Für ihre Kollegen bei Nissan und Mitsubishi bleiben in der Inszenierung nur Statistenrollen.

Senard verkündet: Die seit 1999 bestehende Allianz – Mitsubishi kam erst 2016 dazu – stellt sich neu auf. Die Gründe lägen – natürlich – in den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und dem sich rasant verschärfenden Wettbewerb in der Automobilbranche. Richtig: Schon ohne die globale Pandemie lag die Allianz weit hinter ihrem vom einstigen starken Mann bei Renault und Nissan, Carlos Ghosn, vorgegebenen Ziel, bis 2022 der grösste Autohersteller weltweit zu sein. Noch stehen ihnen VW und Toyota in der Sonne. Nissan hat bereits den Verlust von rund 12'500 Stellen weltweit angekündigt. Renault braucht akut einen Zustupf von fünf Milliarden Euro.

Ära Ghosn ist beendet

Gleich mehrfach distanziert sich Senard von Ghosn und betont immer wieder den Zusammenhalt in der Allianz. In den letzten Monaten hatten Renault und Nissan ihren Ghosn-Zwist offen und heftig ausgetragen. Der brasilianisch-libanesisch-französische Manager wurde 2018 in Tokio unter dem Vorwurf der Untreue und Steuerziehung entlassen, verlor danach alle Posten in der Allianz und floh im Januar dieses Jahres spektakulär in einem Koffer aus Japan. Er selbst stellte die Affäre als interne Intrige da, mit der Nissan eine von ihm immer wieder vorangetriebene definitive Fusion mit Renault verhindern wolle. Senard stellt klar, dass die Fusion definitiv vom Tisch ist. «Wir haben intelligentere Lösungen, um effizienter zu werden.» Der Grösste werden? Passé.

Auf den ersten Blick scheint alles beim Alten zu bleiben: Nissan und Renault wollen weiterhin vertieft zusammenarbeiten bei Entwicklung, Einkauf und Vertrieb. Schon jetzt bietet man Modellpärchen wie Renault Clio und Nissan Micra, Kadjar und Quashqai, Alaskan und Navara an, die sich im Schnitt rund einen Drittel der Teile teilen. Gleichzeitig soll den Unternehmen so viel Selbstständigkeit wie möglich bleiben, um flexibel in ihren Märkten agieren zu können.

Eine Marke führt, die andere folgt

Auf den zweiten Blick werden jedoch tiefe Einschnitte gesetzt und damit manche Spekulationen im Vorfeld bestätigt: Neu sollen bis zu zwei Drittel der Teile übereinstimmen, ohne das markentypische Design in Frage zu stellen. Der VW-Konzern macht mit den Türen seiner SUV-Modelle bei Seat, Skoda und VW bereits vor, wie das gehen könnte. Vor allem aber soll die Zusammenarbeit nach dem Leader-Follower-Prinzip erfolgen: Eine Marke gibt den Ton an, die anderen übernehmen. Künftig stehen 80 Prozent der Allianz-Modelle auf gemeinsamen Plattformen – heute nur 40. Alle Modelle eines Segments werden markenübergreifend auf einem Band produziert – das dürfte einige Werke in die Bredouille bringen. Und die Marken teilen sich die Segmente auf: Bei Nutzfahrzeugen und im Klein- und Kompaktwagensegment inklusive passender SUVs führt Renault, Nissan bleibt der Lead bei den Mittelklasse-SUVs.

Ähnlich läufts bei den Schlüsseltechnologien. Nissan wird Chef beim autonomen Fahren und für die neue grosse Elektro-Plattform mit bis zu 500 Kilometern Reichweite, auf der als erstes Modell der Ariya kommen wird und die die Batteriekosten unter die magische Grenze von 100 US-Dollar je Kilowattstunde Kapazität drücken soll. Renault führt bei Elektronik, Vernetzung und Elektroantrieben, aber auch den konventionellen Benzinern und Dieselmotoren für Klein- und Kompaktwagen. Diese Aufteilung soll die Entwicklungskosten um rund 40 Prozent drücken.

Mitsubishis Rolle ist unklar

Und schliesslich teilen sich Nissan und Renault die Welt auf. Renault bedient künftig Europa und Südamerika, wo man traditionell stark ist. Nissan konzentriert sich auf Nordamerika, den Heimmarkt Japan, den Mittleren Osten sowie Südafrika und China. Dort hat Renault seine Aktivitäten bereits weitgehend eingestellt. Als Follower wird Nissan aber sicher in Europa verbleiben.

Nur eins bleibt in Senards Präsentation unklar: Welche Rolle soll künftig Mitsubishi spielen? Noch hat die Marke nur eigenständige Modelle im Programm – dort läge also noch deutliches Effizienzpotenzial. Regional soll sie sich auf Südostasien und Ozeanien fokussieren, wo sie bereits sehr erfolgreich unterwegs ist. Ausserdem wird sie verantwortlich für Modelle mit Plug-in-Hybridantrieb, wo sie auf ihrem Bestseller Outlander PHEV aufbauen kann. Aber die Stecker-Hybride kommen bei Senard nur am Rande vor; die Allianz setzt vor allem auf Batteriestromer. Und was wird aus dem wieder erstarkten Europa-Geschäft? BLICK fragt nach. «Das wird noch diskutiert, ich kann dazu noch nichts sagen», antwortet Mitsubishi-CEO Takao Kato.

Welche Konsequenzen der verschärfte Sparkurs für die einzelnen Marken haben wird, darüber wollen die Unternehmen in den nächsten Tagen informieren. Allein Renault soll bis zu zwei Milliarden Euro einsparen, über Stellenstreichungen und Werksschliessungen wird bereits spekuliert. Auch wenn Renault bei der Strategieshow immer wieder betont, dass beispielsweise die wichtige Batterieforschung und -produktion in Frankreich verbleibe. Es könnte zum grossen Krach mit den traditionell starken französischen Gewerkschaften kommen. Das würde Emmanuel Macron gar nicht gefallen.

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