Jeden Tag kommen neue Details zur Flucht von Carlos Ghosn (65) ans Licht. Sie fügen sich zu einem einzigartigen Bild zusammen. In der Summe ergeben sie einen Krimi der ganz besonderen Art. So etwas hat die Wirtschaftswelt noch nie gesehen.
Laut den neuesten Erkenntnissen half ein ehemaliger Elitesoldat dabei, den früheren Chef des Autobauers Renault-Nissan aus Japan zu schleusen. Die Operation war offenbar Monate im Voraus geplant. Essenziell war ein Fehler im Sicherheitssystem am internationalen Flughafen Kansai in Osaka (Japan), wie das «Wall Street Journal» berichtet.
Die Zeitung stützt sich auf gut informierte Personen. Demnach hat ein Fluchthelfer vor einigen Monaten entdeckt, dass das Terminal für Privatjets oft leer ist. Wichtiger aber: Übergrosse Gepäckstücke passen nicht in den Scanner des Flughafens.
Koffer mit Löchern im Boden
So gelang es Ghosn offenbar, unbemerkt in einem grossen schwarzen Koffer an Bord eines Flugzeugs zu kommen. Im Boden des Koffers waren Löcher, damit der Manager atmen konnte. Das «Wall Street Journal» hat ein Foto veröffentlicht, das den Koffer zeigen soll.
Auf der Passagierliste des Fluges von Osaka nach Istanbul stand offenbar auch der Name eines einstigen Mitglieds der US-Spezialeinheit Green Berets.
Der Mann gilt als Fluchthelfer von Ghosn. Früher arbeitete er auch verdeckt für US-Behörden und gründete später eine Sicherheitsfirma, die sich unter anderem auf die Befreiung von Geiseln konzentrierte. Die Firma erhielt unter anderem einen Auftrag im Wert von 54 Millionen Dollar, um Spezialeinheiten in Afghanistan auszubilden.
Jet-Firma hat Anzeige erstattet
Der Jet stammt von der türkischen Firma MNG. Das gab die Charter-Firma auf ihrer Webseite bekannt. Die Privatflugzeuge seien «illegal» benutzt worden, sagte das Unternehmen. Es hat Anzeige erstattet.
Den ersten Teil seiner Reise von Tokio nach Osaka soll Ghosn derweil im Schnellzug zurückgelegt haben. Das berichtete am Montag der japanische Fernsehsender «NTV». Dabei wurde er offenbar von mehreren – noch nicht identifizierten – Personen begleitet. Vom Bahnhof ging es dann per Taxi zu einem Hotel beim Flughafen Kansai.
Ghosn will sich am Mittwoch erstmals öffentlich äussern. Von der Türkei aus reiste er in den Libanon, wo er heute frei weilt. Das Land liefert keine Staatsangehörige an Japan aus und sieht sich nicht in der Pflicht, den einstigen Top-Shot der Autoindustrie in Haft zu nehmen. Ghosn hat unter anderem die libanesische Staatsangehörigkeit – neben der französischen und der brasilianischen.
Ghosn steht in Japan wegen Untreue und finanziellen Fehlverhaltens beim japanischen Renault-Partner Nissan unter Anklage. Er war im vergangenen Frühjahr gegen eine Millionen-Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen worden und wurde während seines Hausarrests streng überwacht. (ise)