Diese sieben Aspekte versöhnen uns ein wenig mit 2020
Das Autojahr war nicht nur Corona

Absatzeinbruch, Produktionsausfälle, CO2-Problematik: Nicht nur die Corona-Pandemie machte 2020 für die Autoindustrie zu einem Jahr zum Vergessen. Aber es gab auch ein paar Lichtblicke in der Branche.
Publiziert: 07.01.2021 um 08:15 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2021 um 15:12 Uhr
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Ein Thema bestimmte das Jahr 2020 – auch in der Autowelt: Fahrlehrer Willi Wismer und BLICK-Autoredaktor Raoul Schwinnen probierten im Frühjahr aus, wie Fahrschule unter Corona-Bedingungen geht.
Foto: Selina Berner
Andreas Faust

Neuer Schwung für das Auto

Dieselskandal, CO2-Emissionen, Klimawandel und Dichtestress auf den Strassen – diese Themen setzten und setzen das Automobil als Mobilitätskonzept mächtig unter Druck. Doch in der Corona-Pandemie zeigte es, was es kann, und, dass es ein wichtiger Bestandteil unseres Verkehrssystems ist. Als im ÖV die Zahl der Verbindungen halbiert und es enger in den Zügen wurde, brachte es Menschen mit systemrelevanten Berufen mit minimalem Ansteckungsrisiko an ihre Arbeitsplätze. Manch hartnäckiger Autoverweigerer griff gar temporär zu einer Occasion oder einem Abo- oder Mietfahrzeug. Eine Renaissance des Automobils? Setzt sich der Trend zu alternativen und elektrifizierten Antrieben fort, wird es auch künftig einen gewichtigen Teil unserer Mobilitätsbedürfnisse erfüllen.

Jetzt kommen die Stromer!

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Mehr neue Elektro-Modelle, grössere Preisspanne: Audi lancierte 2020 den E-Tron S Sportback (ab 102'000 Franken).
Foto: sagmeister_potography

Seit Jahren immer wieder angekündigt, wurde es ausgerechnet in diesem Krisenjahr endlich ernst mit der Elektromobilität. Stand Ende November rollten rund 13 Prozent der Neuwagen mit einem Stecker in die Schweiz. Entweder mit rein elektrischem Antrieb oder als Plug-in-Hybrid (PHEV) mit zusätzlichem Verbrenner, die indes nur dann Sprit und CO2 einsparen, wenn bei jeder Gelegenheit nachgeladen wird. Dennoch: Der Importeursverband Auto-Schweiz hat sein selbst gesetztes Ziel von zehn Prozent für 2020 deutlich übertroffen. In absoluten Zahlen haben sich die neuen Steckerfahrzeuge gegenüber 2019 fast verdoppelt. Warum jetzt? Mehr Modelle, tiefere Einstiegspreise, die Ladeinfrastruktur wächst, und manches Reisebudget dürfte in Corona-Zeiten wohl in ein neues Auto investiert worden sein. Die Importeure freuts, weil Steckerautos mit ihren tiefen Emissionen für 2020 doppelt gezählt werden und so die CO2-Flottenbilanz drücken.

Jubel von Amag bis Skoda

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Diese runden Geburtstage gabs 2020: 100 Jahre alt wurde der japanische Autobauer Mazda (Bild: Mazda Cosmo Sport 1964), der 1920 als Korkhersteller startete.
Foto: Zvg

Ein wenig Partylaune trotz Corona: Mazda startete vor 100 Jahren – mit der Produktion von Korkmatten, Fahrzeuge kamen erst 1930 ins Programm. Skoda wurde vor 125 Jahren noch als Laurin & Klement gegründet. Und die Amag wurde 75 Jahre alt. Ausserdem feierte Audi 40 Jahre Quattro-Allrad-Antrieb, die VW-Tochter Seat startete vor 70 Jahren mit Fiat-Nachbauten und die Formel 1 dreht auch schon seit 70 Jahren ihre Runden. Alfa Romeo wurde 110, Toyota 130 und Peugeot geradezu biblische 210 Jahre alt. Und auch das Postauto hat schon 125 Jahre auf dem Buckel: Am 18. März 1895 nahm im deutschen Siegen der allererste Omnibus, gebaut bei Daimler, den Betrieb auf.

Helfer in der Zwangspause

Masken statt Sitzbezüge: Gleich zu Beginn der Pandemie sattelte Sportwagenbauer Lamborghini auf die Massenfertigung um.
Foto: werk

Corona stoppte im Frühjahr die Produktion und kappte die Lieferketten. Also verlegte sich die Autoindustrie aufs Maskennähen (Lamborghini) oder die Produktion von 600 Beatmungsgeräten (Seat). Verteilte in der Schweiz Autos ans Pflegepersonal (BMW) oder an Hilfsorganisationen wie das Schweizerische Rote Kreuz (Land Rover, Mazda, Renault). Lieferte Lebensmittel an Angehörige von Risikogruppen (Amag) oder braute Desinfektionsmittel (Ölhersteller Panolin). Audi wiederum versteigerte einen Kochkurs mit Starkoch Andreas Caminada oder Didier Cuches Skischuhe zugunsten der Organisation Save the Children. Im Rückblick wirken 1000 Lamborghini-Masken pro Tag wie ein niedlicher Versuch. Aber als nichts mehr ging, lief so dennoch etwas.

Die trauen sich was

Der Schweizer Automarkt ist gesättigt. Rund 300'000 Autos plus ein paar Tausende mehr oder weniger – so sah es bei den Neueinlösungen in den letzten Jahren immer aus. Unter diesem Gesamtzahl-Deckel herrscht Verdrängungsdruck: Neue Marktanteile gewinnt man nur, wenn andere verlieren. Zwei Marken wagten in diesem Jahr dennoch den Start: Seat-Tochter Cupra will das Programm nach dem ersten eigenen Modell namens Formentor in den kommenden Jahren deutlich ausbauen, statt bloss Seat-Varianten zu liefern. Und Volvos Nobelableger Polestar traut sich den Markteinstieg sogar ohne Händlernetz, allein per Onlinevertrieb. Mutig.

Mit Abstand die Besten

Zum zehnten Mal kürte die «Schweizer Illustrierte» zusammen mit u. a. AutoScout24 und BLICK in diesem Jahr das «Schweizer Auto des Jahres». Wahl oder Nicht-Wahl – das war Anfang Jahr während des Lockdowns noch die Frage. Aber mit Schutzkonzept, Masken und Flexibilität konnten die Juroren im Oktober dennoch in der Endrunde ihren Favoriten aus 13 nominierten Modellen wählen. Den Titel räumte der elektrische Polestar 2 der gleichnamigen Edelmarke von Volvo ab. Und 25'000 Userinnen und User wählten den Skoda Octavia Combi zum «Lieblingsauto der Schweizer».

Zum zehnten Mal kürte die «Schweizer Illustrierte» zusammen mit u. a. AutoScout24 und BLICK in diesem Jahr das «Schweizer Auto des Jahres». Wahl oder Nicht-Wahl – das war Anfang Jahr während des Lockdowns noch die Frage. Aber mit Schutzkonzept, Masken und Flexibilität konnten die Juroren im Oktober dennoch in der Endrunde ihren Favoriten aus 13 nominierten Modellen wählen. Den Titel räumte der elektrische Polestar 2 der gleichnamigen Edelmarke von Volvo ab. Und 25'000 Userinnen und User wählten den Skoda Octavia Combi zum «Lieblingsauto der Schweizer».

Digital gehts eben doch

Gewinner in der Pandemie: Das Zürcher Start-up Carify sicherte sich für ihr Auto-Abo-Geschäft in der TV-Show «Die Höhle der Löwen» frische Investorengelder.
Foto: Andrea Camen

Ein Fahrzeug im Internet kaufen wie ein Buch oder ein T-Shirts? Undenkbar, argumentierten Schweizer Importeure noch vor wenigen Jahren. Fachberatung, Kundenservice und das emotionale Erlebnis des Hineinsitzens und Anfassens erfordere die Anwesenheit des Kunden beim Garagisten. Doch die Corona-Pandemie befeuerte den digitalen Wandel mit neuen Ideen für den Autoverkauf. Neue Anbieter als Vermittler zwischen Importeur und Kunde lancierten Auto-Abomodelle mit flexibler Laufzeit und monatlicher Flatrate plus Sprit statt Anschaffungs- und Unterhaltskosten. Und im Frühjahrs-Lockdown bauten einige Marken den vorher geschmähten Onlineverkauf aus – inklusive Eintausch der Altfahrzeuge und Finanzierung per Mausklick. Noch sind die neuen Geschäftsmodelle ein zartes Pflänzchen, aber auch die Kunden ändern sich. Vielleicht ist für Junge die Vollvernetzung ihres Autos wichtiger als Lack, Leder und Probefahrt.

Wasserstoff nimmt Fahrt auf

Bis 2025 kommen 1600 Lastwagen mit Brennstoffzelle in die Schweiz – genug, damit ein Tankstellennetz auch für PWs wie den Hyundai Nexo (r.) oder Toyotas Mirai rentabel wird.
Foto: zVg

Strom aus der Wasserstoff-Brennstoffzelle gilt als perfekter Autoantrieb der Zukunft: Hohe Reichweiten pro Tankfüllung, es braucht keine teuren XL-Batterien und als einzige Emission tropft Wasser aus dem Auspuff. Und die nötige Fahrzeugtechnologie wäre längst serienreif. Doch weil die nötigen teuren Tankstellen mangels Kundschaft noch fehlen, kam der Wasserstoff bisher nicht aus den Startlöchern. Ein Huhn-Ei-Problem – bis zum Herbst: In Kooperation mit den Detailhändlern Coop und Migros bringt Hyundai nun bis 2025 1600 Wasserstoff-Lastwagen auf Schweizer Strassen. Das generiert genug Nachfrage für neue Zapfsäulen, die dann auch den Eignern von Brennstoffzellen-PWs offenstehen. Ende des Jahrs soll die West-Ost-Achse Genf–St. Gallen versorgt sein, weitere Strecken sollen folgen.

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